# taz.de -- Stänkern gegen den Sozialstaat: Merz, die Ein-Mann-Opposition | |
> Die umstrittene Studie zur Senkung von Hartz-IV-Sätzen: Friedrich Merz, | |
> CDU-Abgeordneter, kann ihr was abgewinnen. In einer Rede vor der | |
> FDP-Fraktion. | |
Bild: Fröhliche Einigkeit: Der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Me… | |
Endlich war Friedrich Merz wieder unter Freunden. Zwischen korinthischen | |
Säulen und Blattgold durfte der konservative CDU-Finanzpolitiker erzählen, | |
was er hält von der sozialen Sicherung in Deutschland: "Schaffen da nicht | |
einige Sozialpolitiker mit immer mehr Geld Probleme, die vorher gar nicht | |
da waren?" | |
Die rund 80 Zuhörer im prächtigen Kurhaus von Wiesbaden applaudierten, | |
murmelten "So ist es". Fast schien es, als sei die Zeit um drei Jahre | |
zurückgedreht, als die Union mit ähnlichen Thesen Bundestagswahlkampf | |
machte. Das kostete sie damals fast den Sieg. Und deshalb beklatschten am | |
Donnerstagabend nicht die eigenen Parteifreunde Merz Rede, sondern die | |
Bundestagsfraktion der FDP. | |
Eingeladen hatte Guido Westerwelle. Merz und der heutige FDP-Vorsitzende | |
duzen sich seit gemeinsamen Studienzeiten, und seit Wochen kokettieren sie | |
mit demonstrativer Nähe, unter anderem bei einem gemeinsamen Spaziergang | |
durch Merz Wahlkreis im Sauerland. Die im Raum stehende Frage aber lautete: | |
Geht Merz, von Angela Merkel ausgebootet und in der CDU nicht | |
mehrheitsfähig, zur FDP? | |
Wohl nicht. Gleich zu Beginn sagte Merz: "Ich komme als Gast, ich gehe auch | |
wieder als Gast." Gelächter unter den Abgeordneten. Merz wurde als erster | |
Politiker einer anderen Partei zur traditionellen Herbstklausur der | |
FDP-Fraktion geladen. Einen wie ihn könnten sie brauchen. Aber die Rolle | |
des wortgewandten, schneidigen Ordnungspolitikers besetzt ein anderer: der | |
omnipräsente Partei- und Fraktionschef Westerwelle. Aber wer weiß: In | |
Umfragen kommen Union und FDP gemeinsam immer wieder der Marke von 50 | |
Prozent nahe. Merz politische Zukunft könnte noch vor ihm liegen. | |
Merz nutzte das öffentliche Interesse an seinem Auftritt, um sich selbst | |
als Ein-Mann-Opposition zum linken Zeitgeist zu stilisieren. Er bedauerte, | |
die kontroverse Studie der TU Chemnitz sei vor wenigen Wochen zu schnell | |
abgekanzelt worden. Zwei Ökonomen hatten behauptet, von einem Regelsatz von | |
132 Euro ließe sich problemlos leben. Keine schlechte Idee, findet Merz. | |
Eventuell sei bei Sozialleistungen in vielen Fällen "weniger mehr", um der | |
Entstehung von Sozialhilfekarrieren in zweiter und dritter Generation | |
vorzubeugen. "Meine Erfahrung sagt mir, dass Menschen es sehr wohl | |
akzeptieren, wenn jemand sagt, was geht und was nicht geht." | |
Als Beleg musste der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy | |
herhalten. In Frankreich habe der Konservative mit einem "ganz klaren | |
Kontrastprogramm zu den Sozialisten" die Wahl gewonnen. Auch in Deutschland | |
hätten Union und FDP 2009 Chancen, wenn sie eine "deutliche Sprache" | |
wählten, so Merz. | |
Als Merz Rede nach 40 Minuten unter heftigem Applaus endete, fragte | |
Westerwelle lächelnd seinen Gast, ob er tatsächlich nur Gast sein will: "Du | |
bist dir wirklich sicher in deiner Entscheidung?" Zum Glück für den | |
FDP-Chef sagte Merz dazu nur "Ja". | |
13 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
Matthias Lohre | |
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Nordrhein-Westfalen | |
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