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# taz.de -- Kommentar CDU und die Wirtschaft: Der Schmerz von Merz
> Merz verkörpere, heißt es derzeit oft, was der CDU seit seinem Abgang
> fehle: Wirtschaftspolitische Kompetenz. Dabei war die Union nie eine
> reine Wirtschaftspartei.
Am Donnerstagabend wird manch ein Christdemokrat sehnsuchtsvoll nach
Wiesbaden geschaut haben. Dort referierte Parteifreund Friedrich Merz vor
den versammelten Bundestagsabgeordneten der FDP über Wirtschafts- und
Sozialpolitik - und zeigte auf seine Art, was auf der anderen Seite des
politischen Spektrums jetzt wieder "klare Kante" heißt. Merz verkörpere,
heißt es derzeit oft, was der CDU seit seinem Abgang fehle:
wirtschaftspolitische Kompetenz. Dass man schon auf den Ex-Grünen Oswald
Metzger verweisen muss, wenn man bei den Christdemokraten prominente Köpfe
mit wirtschaftsnahem Inhalt sucht, verstärkt den Schmerz nur noch.
Immerhin: Josef Schlarmann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, sitzt
jetzt in einer Kommission, die über den Leitantrag für den nächsten
Parteitag beraten darf - nachdem es zuerst schien, als habe er sich mit
seiner harschen Kritik an der Kanzlerin unmöglich gemacht.
Die Kritiker vergessen, dass die CDU in ihrer Geschichte niemals eine reine
Wirtschaftspartei gewesen ist. Das gilt allenfalls für die knapp zwei Jahre
vom berüchtigten Leipziger Parteitag Ende 2003, als die Christdemokraten
unter größten Verrenkungen Kopfpauschale und Bierdeckelsteuer beschlossen,
bis zur Bundestagswahl 2005, die sie wegen des missglückten Auftritts ihres
Finanzexperten Paul Kirchhof halb verloren.
Die übrigen Jahrzehnte der Parteigeschichte waren, vor allem wenn die CDU
regierte, von einer ähnlichen Konstellation geprägt wie heute: Kanzlerin
oder Kanzler pflegten den Sozialstaat, der ohnehin eine konservative
Erfindung war, der Wirtschaftsflügel krittelte daran herum. So war es
schon, als Adenauer in den Fünfzigern die dynamische Rente gegen den
vereinten Widerstand von Wirtschaftsminister, Bundesbankpräsident und
Industrieverbänden durchsetzte - und damit das durchschnittliche Niveau der
Altersbezüge auf einen Schlag verdoppelte. Bei der folgenden Bundestagswahl
1957 errang die CDU zum einzigen Mal in ihrer Geschichte eine absolute
Mehrheit.
Adenauers Beispiel zeigt auch: Mit der großen Koalition hat der
Sozialdemokratismus von Unionskanzlern wenig zu tun. Eher schon mit jenem
demoskopischen Realismus, der die Partei über so viele Jahrzehnte an der
Regierung gehalten hat.
Bisher konnte die CDU die Wirtschaftsvertreter allerdings auch in der
Gewissheit vor den Kopf stoßen, dass abtrünnige Wählerstimmen ohnehin nur
zur FDP abwandern würden - und dem schwarz-gelben "bürgerlichen" Lager
somit nicht verloren gingen. Das ist heute nicht mehr so sicher. Denn wenn
die Merz-Freunde nun allesamt FDP wählten, könnten sie sich damit eine
SPD-geführte Ampelkoalition einhandeln. RALPH BOLLMANN
13 Sep 2008
## AUTOREN
Ralph Bollmann
## TAGS
Nordrhein-Westfalen
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