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# taz.de -- Psychotherapie: "Die Arbeitsbelastung steigt"
> Die Zahl der psychisch kranken Berliner nimmt zu. Der Landesbeauftragte
> für Psychiatrie meint, das Thema müsse entstigmatisiert werden. Viele
> Betroffene gehen seiner Meinung nach zu spät zum Arzt.
Bild: Auch Bankangestellte sind dieser Tage ein Fall für Depressionen
taz: Herr Beuscher, die Organisatoren der "Berliner Woche der seelischen
Gesundheit" haben es sich zum Ziel gesetzt, psychische Krankheiten zu
enttabuisieren. Ist das überhaupt nötig?
Heinrich Beuscher: Auf jeden Fall. Psychische Erkrankungen werden nach wie
vor als Makel gesehen. Die Entstigmatisierung ist für uns eine der größten
Herausforderungen. Früher waren psychisch Kranke weitgehend ausgegliedert
aus dem gesellschaftlichen Leben. Noch vor 15 Jahren gab es tausende
psychiatrische Betten in sogenannten Langzeitkliniken. Manche haben dort
ihr ganzes Leben verbracht. Heute versuchen wir, die Betroffenen so weit
wie möglich in die Gesellschaft zu integrieren.
Was wurde geändert?
Die Langzeitkliniken haben wir abgebaut und ein Versorgungssystem in den
Bezirken eingerichtet. Jeder Erkrankte kann sich vor Ort an eine
psychiatrische Fachabteilung wenden. Es gibt zudem in allen Bezirken
betreute Wohnformen und Maßnahmen zur Tagesstrukturierung und zur
Beschäftigung. Die Menschen, die wir früher weggesperrt haben, leben heute
unter uns. Wir müssen darauf achten, dass es dafür eine gesellschaftliche
Toleranz gibt.
Die Zahl der Berliner mit psychischen Erkrankungen ist in den letzten
Jahren gestiegen.
Das stimmt. Jede zweite Frau und jeder dritte Mann in Deutschland erkrankt
heute im Laufe seines Lebens im Schnitt ein Mal an einer psychischen
Störung. In Berlin nehmen die psychiatrischen Diagnosen in den Statistiken
der Krankenkassen zu. Vor allem Depressionen und Suchtprobleme sind weit
verbreitet. Es gibt auch mehr Arbeitsausfalltage aufgrund von psychischen
Erkrankungen. Das heißt aber nicht, dass tatsächlich mehr Leute psychisch
krank werden.
Sondern?
Es kann sein, dass Ärzte und Betroffene die psychischen Erkrankungen eher
erkennen.
Das wäre eine beruhigende Erklärung. Möglicherweise kommen aber mehr
Menschen mit ihrem Leben nicht klar.
Auch das kann sein. Wie sich das auf die Krankheitsrate auswirkt, lässt
sich allerdings nur schwer beurteilen. Fakt ist, dass die
Arbeitsbelastungen zunehmen, Arbeitsgebiete komplexer werden und ein viel
größerer Leistungsdruck auf den Menschen lastet als noch vor 20 Jahren.
Viele Berliner haben keinen Job - und leiden eher unter fehlendem
Leistungsdruck.
Auch Arbeitslosigkeit kann eine psychische Erkrankung fördern. Wir merken
das in den Kliniken und bezirklichen Diensten. In Regionen, in denen viele
sozial Schwache leben, kommen mehr Menschen in die Krankenhäuser.
Welche Stadtteile sind besonders betroffen?
Der Aufnahmedruck in den Kliniken in Neukölln, Kreuzberg, Moabit, im
Wedding, aber auch in Marzahn-Hellersdorf ist besonders hoch. Wir
versuchen, das bei der Vergabe von Mitteln zu berücksichtigen. Bezirke mit
einer schlechteren sozialen Struktur erhalten mehr Geld für ihre Angebote
als andere. Auch die jeweiligen Kliniken sind besser ausgestattet.
Wenn sich viele Betroffene an die Krankenhäuser und Beratungsstellen
wenden, ist das eine gute Entwicklung. Sie holen sich offenbar Hilfe.
Ja, aber viele erst sehr spät. Sie haben Angst vor der Tatsache, dass sie
krank sind. Sie leiden zum Beispiel an Depressionen, aber bis sie sich das
eingestehen, dauert es manchmal Jahre. In dieser Zeit verfestigt sich die
Krankheit. Das kann den Heilungsprozess enorm erschweren. Deshalb ist die
Entstigmatisierung wichtig. Die Betroffenen sollten so früh wie möglich
Unterstützung bekommen. Wir müssen die Bereitschaft weiter fördern, sich in
therapeutische Behandlung zu begeben.
5 Oct 2008
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
psychische Gesundheit
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