# taz.de -- Kommentar Kunstdünger: Gefährliche Ausnahmen | |
> Eine Lockerung des Kunstdüngerverbots im Bioanbau von | |
> Entwicklungsländern, würde den Kleinbauern zwar helfen. Doch es würde die | |
> Glaubwürdigkeit des Biolabels zerstören. | |
Bild: Bio oder konventionell – das können am Ende nur die Kontrolleure erken… | |
Weniger Bioregeln für Kleinbauern in Entwicklungsländern - mit dieser | |
Forderung hat der renommierte Agrarexperte Johannes Kotschi die Moral auf | |
seiner Seite. Denn obwohl die Standortbedingungen für Landwirte in den | |
Staaten des Südens ganz andere sind als für ihre Kollegen in Deutschland, | |
behandelt die Europäische Union mit ihrer Öko-Verordnung alle gleich. | |
Sobald die Ware in der Europäischen Union verkauft werden soll, gelten für | |
sie dieselben Regeln. Ein Beispiel: Sowohl deutsche als türkische Biobauern | |
dürfen keinen Kunstdünger verwenden, auch wenn in manchen Regionen der | |
Türkei die Böden viel weniger fruchtbar sind. Gerecht ist das nicht. | |
Deshalb aber nun das Verbot von Kunstdünger für Bioimporte aus | |
Entwicklungsländern zu lockern, wäre praxisfremd. Das Pestizid- und | |
Kunstdüngerverbot ist der Kern des Biosiegels. Würde man hier Ausnahmen | |
zulassen, könnte das für viele Verbraucher die Glaubwürdigkeit der gesamten | |
Ökobranche gefährden. Denn bei Konsumenten auf dem Massenmarkt würde nur | |
ankommen: Bio ist gar nicht immer sowohl pestizid- als auch | |
kunstdüngerfrei. | |
Auch in den Entwicklungsländern könnte ein abgeschwächtes Biosiegel für den | |
Export Probleme schaffen. Denn Großgrundbesitzer und Agroindustrielle | |
würden das neue Schlupfloch nutzen, um konventionelle Ware als Bioprodukte | |
zu verkaufen - und so höhere Preise kassieren. Das gilt besonders für | |
Länder des Südens, in denen Korruption häufig noch stärker grassiert als in | |
der EU. | |
Sinnvoller scheint da Kotschis Vorschlag, dass die Entwicklungsländer | |
wenigstens für ihre internen Märkte lockerere Regeln erlassen sollten. Wenn | |
Reisbauern im Süden beispielsweise auch Kunstdünger benutzen dürfen, dafür | |
aber auf Pestizide verzichten müssen, ist das schon ein Fortschritt. Da Bio | |
in den meisten Entwicklungsländern bisher keine weit verbreitete Kategorie | |
ist, bestünde hier auch nicht die Gefahr, ein eingeführtes Siegel zu | |
beschädigen. Nur müssen diese Entscheidung die Länder selbst treffen, der | |
Norden kann dabei allenfalls helfen. | |
24 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
Jost Maurin | |
## TAGS | |
Bio-Lebensmittel | |
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