# taz.de -- BKA-Reform: Die letzten Kompromisse | |
> taz-Übersicht: Was die BKA-Novelle bezweckt und welche Zugeständnisse die | |
> Union der SPD in dieser Woche noch machte. | |
Bild: Das BKA in Wiesbaden:Von hier aus darf ab sofort zur Prävention online g… | |
FREIBURG taz Nach monatelangen Verhandlungen hat sich die große Koalition | |
in dieser Woche auf die letzten Details zur Reform des Bundeskriminalamts | |
geeinigt. Das Gesetz soll nächste Woche am Mittwoch im Bundestag | |
beschlossen werden. Anschließend muss noch der Bundesrat zustimmen. Die taz | |
stellt hier zunächst die Grundzüge des Gesetzes dar und anschließend die | |
letzten Änderungen, auf die sich Union und SPD jetzt geeinigt haben. | |
Die BKA-Novelle wird dem Bundeskriminalamt (BKA) zum ersten Mal präventive | |
Befugnisse geben. Bisher war die Wiesbadener Behörde nur für die | |
Strafverfolgung zuständig. Hierzu wurde 2006 im Rahmen der | |
Föderalismusreform extra das Grundgesetz geändert. Diese | |
Grundgesetzregelung beschränkt die präventiven Befugnisse des BKA | |
allerdings auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus. | |
In das BKA-Gesetz wird nun ein neuer Abschnitt "Abwehr von Gefahren des | |
internationalen Terrorismus" eingeführt. In 24 Paragraphen von 20a bis 20x | |
werden dort die neuen präventiven Befugnisse aufgelistet. So darf das BKA | |
zur Terrorabwehr unter anderem Rasterfahndungen durchführen, Wohnungen | |
abhören und filmen, Telefongespräche dürfen abgehört und Emails mitgelesen | |
werden, außerdem darf das BKA heimlich auf Computerfestplatten zugreifen. | |
Die meisten Befugnisse hatte das BKA schon bisher zur Aufklärung von | |
Verbrechen. Neu ist, dass es diese Befugnisse auch präventiv zur | |
Verhinderung von Anschlägen einsetzen darf. Doch auch der präventive | |
Einsatz solcher Befugnisse ist bereits üblich. Die Landespolizeigesetze | |
erlauben dies den Landeskriminalämtern schon lange. Allerdings hatten die | |
LKAs nicht so viele präventive Befugnisse auf einmal, wie nun das BKA | |
erhalten soll. | |
Neu und deshalb besonders umstritten ist die heimliche Ausspähung von | |
Computer-Festplatten. In Paragraf 20k des Gesetzentwurfes wird sie | |
"verdeckter Eingriff in informationstechnische Systeme" genannt. Dieses | |
Befugnis hatte zunächst nur der Verfassungsschutz in NRW, doch wurde das | |
entsprechende Gesetz im Februar 2008 vom Bundesverfassungsgericht gekippt. | |
Im Juni hatte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für die BKA-Novelle | |
eingebracht, der jedoch in der SPD-Fraktion auf Widerstand stieß. In einer | |
Arbeitsgruppe verhandelten Union und SPD deshalb noch lange über die | |
letzten Details. In einem der taz vorliegenden Schreiben haben die | |
Unterhändler Hans-Peter Uhl (CSU) und Dieter Wiefelspütz (SPD) jetzt die | |
Kompromisse festgehalten. | |
Online-Durchsuchung (Eilbefugnis): Die SPD konnte ihre Forderung nicht | |
durchsetzen, dass eine Online-Durchsuchung von Computern stets von einem | |
Richter angeordnet wird. In Eilfällen soll auch weiterhin eine Genehmigung | |
durch BKA-Präsident Jörg Ziercke oder einen Stellvertreter genügen. Die | |
richterliche Prüfung würde dann nachgeholt. Als Zugeständnis wird nun aber | |
im Innenausschuss des Bundestags eine Liste typischer Eilfälle beschlossen, | |
um sicherzustellen, dass der Eilfall die Ausnahme bleibt. So soll auf eine | |
richterliche Anordnung verzichtet werden, wenn sich sehr überraschend und | |
kurzfristig die Möglichkeit zum Zugriff auf den Computer eines | |
Terrorverdächtigen außerhalb der Wohnung ergibt und der Rechner dabei mit | |
einem Trojaner präpariert werden kann. | |
Online-Durchsuchung (Kernbereich): Die SPD konnte sich auch nicht mit der | |
Forderung durchsetzen, dass an der Durchsicht der heimlich kopierten | |
Dateien immer ein Richter zu beteiligen ist. Die SPD wollte so | |
sicherstellen, dass der Kernbereich der Privatheit gewahrt bleibt. Wie | |
ursprünglich vorgesehen, werden die Dateien nun von zwei BKA-Beamten darauf | |
überprüft, ob sie verfahrensrelevant sind. Rein private Texte und Bilder | |
werden gleich wieder gelöscht. Durchgesetzt hat die SPD aber, dass an | |
dieser Sichtung auch der interne Datenschutzbeauftragte des BKA teilnimmt. | |
Er unterliegt keinen Weisungen der Behörde, wird aber auch erstmals | |
kontrollierend in derartige Ermittlungen eingeschaltet. In Zweifelsfällen | |
soll ein Gericht entscheiden, ob der Kernbereich verletzt ist. | |
Online-Durchsuchung (Trojaner- und Datenschutz): Neu eingefügt wurden | |
Klauseln wonach die Spähsoftware vor unbefugtem Gebrauch zu schützen ist. | |
So soll sichergestellt werden, dass ein entdeckter Bundestrojaner später | |
nicht von Gangstern zum Ausspähen von Computern benutzt werden kann. | |
Außerdem wird im Gesetz jetzt ausdrücklich angeordnet, dass die kopierten | |
Dateien "gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme" | |
zu schützen sind. | |
Aussageverweigerungsrecht: Nachdem die Bundesregierung früher schon darauf | |
verzichtete, die Wohnungen und Telefone von Pfarrern abzuhören, wird ihnen | |
jetzt auch ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht zugestanden. In den | |
Genuss dieses Schweigerechts kommen auch Abgeordnete und Strafverteidiger. | |
Diese Regelung soll allerdings nicht für muslimische Imame gelten, weil | |
diese keiner staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft angehören. | |
Rasterfahndung: Diese muss stets durch einen Richter angeordnet werden. Die | |
Eilbefugnis des BKA-Präsidenten wurde gestrichen. | |
Datenweitergabe: Das BKA kann die bei der Terror-Prävention erhobenen Daten | |
an andere Behörden, insbesondere Polizei, Verfassungsschutz und | |
Bundesnachrichtendienst, weitergeben. Dies wird jetzt etwas transparenter | |
beschrieben, aber nur leicht eingeschränkt. | |
Evaluierung: In fünf Jahren ist das Gesetz wissenschaftlich zu überprüfen. | |
Die Prüfung ist dabei auf drei Punkte begrenzt: die Zusammenarbeit von Bund | |
und Ländern, die präventive Rasterfahndung durch das BKA und die | |
Online-Durchsuchung. | |
Befristung: Die Befugnis zur Online-Durchsuchung ist dem BKA zunächst nur | |
befristet eingeräumt. Allerdings beträgt die Frist nicht drei oder fünf | |
Jahre, wie es in vergleichbaren Fällen üblich war, sondern sie endet erst | |
2020. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr in Kraft treten. | |
7 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Schwerpunkt Überwachung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit um BKA-Befugnisse: Überwachung aufgrund von Indizien | |
Seit 2009 ist das BKA für Terrorabwehr zuständig. jetzt prüft das | |
Bundesverfassungsgericht seine Befugnisse – und zeigt sich kritisch. |