Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ermittlungen gegen Nazis wollen nicht enden: "Zentrale Stelle" wird…
> Seit 50 Jahren ist die Zentrale Stelle in Ludwigsburg auf der Jagd nach
> Nazi-Verbrechern. Trotz Behinderungen und Anfeindungen ist ihre
> Geschichte ein Erfolg.
Bild: Dienstausweis von John Demjanjuk: Der gebürtige Ukrainer soll im Vernich…
BERLIN taz 19 Mitarbeiter, darunter 6 Ermittler, keine autonomen
Ermittlungsbefugnisse, keine Weisungsbefugnis: Das ist die weltweit größte
Ermittlungsbehörde für Nazi-Verbrechen. Am morgigen Montag begeht die
Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung
nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg - kurz Zentrale Stelle
genannt - ihr 50-jähriges Dienstjubiläum.
Vom "wohl letzten Verfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher" war in den
Medien des letzten Jahrzehnt schon des Öfteren die Rede. Doch die Arbeit
geht nicht aus, noch immer sind Ermittlungen im Gange. Jüngstes Beispiel
ist der Fall John Demjanjuk. Der gebürtige Ukrainer soll im
Vernichtungslager Sobibór als "Iwan der Schreckliche" an der Ermordung von
mindestens 29.000 Juden beteiligt gewesen sein. Die Vorermittlungen in
Ludwigsburg sind abgeschlossen, selbst Anklage erheben darf die Zentrale
Stelle nicht. Die Münchner Staatsanwaltschaft lehnt die Einleitung eines
Verfahrens jedoch ab, weil sie sich nicht zuständig glaubt. Nun muss der
Bundesgerichtshof entscheiden. Der greise Demjanjuk, mittlerweile 88 Jahre
alt, kann darauf hoffen, dass sich der Fall biologisch löst - durch Tod
oder Verhandlungsunfähigkeit.
Die Bilanz der Zentralen Stelle klingt beeindruckend: Vorermittlungen gegen
111.000 Personen, darunter über 1.000 gegen Angehörige der Wehrmacht. Doch
nur rund 6.500 Täter wurden seit 1950 von bundesdeutschen Gerichten auch
verurteilt. Keiner aus der Wehrmacht. Es seien in den 50er- und 60er-Jahren
"objektive Fehler" gemacht worden, sagte dazu der Leiter der Zentralen
Stelle, Kurt Schrimm.
An den Mitarbeitern in Ludwigsburg lag das gewiss zuletzt. Doch sie trafen
in den ersten Jahren ihrer Arbeit auf gesellschaftliche Ablehnung und
staatsanwaltliches Desinteresse. Viele der NS-Täter waren längst wieder als
ehrbare Bürger der Gesellschaft in Adenauers Bundesrepublik integriert.
Immer wieder stellten Gerichte Verfahren wegen angeblichen Befehlsnotstands
ein. Dahinter verbarg sich die - inzwischen nachweislich falsche -
Behauptung von Tätern, sie hätten Straftaten wie Morde an Juden begehen
müssen, weil sie andernfalls selbst den Nazis zum Opfer gefallen wären. Das
betraf vor allem die Befehlsempfänger in Gettos oder Konzentrationslager.
"Wir waren in der Stadt verhasst", erinnerte sich vor Kurzem der damalige
Staatsanwalt Dietrich Kuhlbrodt über seine Tätigkeit bei der Zentralen
Stelle. Als ein Beerdigungszug für den verstorbenen SS-General Sepp
Dietrich 1966 durch Ludwigsburg zog, bekamen die Ermittler in ihren
Amtsstuben von draußen zu hören: "Wir kriegen euch noch." Der damalige
Oberbürgermeister nannte die Zentrale Stelle einen Schandfleck für die
Stadt des blühenden Barocks.
Dass die Zentrale Stelle im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten dennoch
erheblichen Anteil an der strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Diktatur
hat, ist der großen Motivation und Hartnäckigkeit ihrer Mitarbeiter zu
verdanken. Sie waren es auch, die maßgeblich dazu beitrugen, dass ab 1963
in Frankfurt am Main die Täter aus dem Vernichtungslager Auschwitz endlich
vor Gericht standen. Dutzende weitere Verfahren folgten, in denen die Täter
zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden.
Heute sind die meisten der niemals zur Rechenschaft gezogenen Verdächtigen
tot. Die Akten gegen sie bleiben. Ludwigsburg beheimatet seit einigen
Jahren eine Außenstelle des Bundesarchivs, in der Historiker mithilfe der
Altbestände aus der Zentralen Stelle die Geschichte der NS-Herrschaft
erforschen können.
30 Nov 2008
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Film über Dietrich Kuhlbrodt: Memoiren einer Rampensau
Dem Hamburger Juristen, Filmkritiker und Gesamtkunstwerk Dietrich Kuhlbrodt
hat Arne Körner einen Porträtfilm gewidmet. Passender Titel: „Nonkonform“.
NS-Kriegsverbrecher-Prozess: Demjanjuk entgeht der Ausweisung
Der mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher bezichtigt deutsche Behörden der
"Folter", wenn sie ihn nach Deutschland einfliegen. Nun wollen US-Behörden
die Ausweisung erneut überprüfen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.