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# taz.de -- Tod nach Brechmittel-Einsatz: Freispruch für den Polizeiarzt
> Vier Jahre nach dem Brechmitteltod eines Afrikaners spricht das Bremer
> Landgericht einen Polizeiarzt vom Tötungsvorwurf frei - und gerät in die
> Kritik.
Bild: Bei der Drogenfahndung wird oft Brechmittel benutzt.
Mit einem Freispruch endete am Donnerstag in Bremen der Prozess um den
Brechmitteltod des Sierra-Leoners Laya Alama Condé. Das Landgericht war der
Ansicht, dass dem Angeklagten Polizeiarzt Igor V. der Vorwurf der
fahrlässigen Tötung nicht nachzuweisen ist. V. hatte dem Afrikaner im
Dezember 2004 Brechmittel eingeflößt, weil Polizisten ihn verdächtigten,
Kokainkügelchen verschluckt zu haben. Der 35-Jährige fiel ins Koma und
starb wenige Tage später.
Rund 70 AntirassistInnen hatten sich zur Urteilsverkündung im
Gerichtsgebäude versammelt. Als der Kammervorsitzende Bernd Asbrock das
Urteil verkündete, entrollten sie ein Transparent mit der Aufschrift "Das
war Mord" und riefen: "Afrikaner haben vor deutschen Gerichten selbst dann
Unrecht, wenn sie von weißen Polizisten getötet werden." Eine
bereitstehende Polizeieinheit räumte die Protestler aus dem Gerichtssaal.
In seiner Urteilsbegründung sagte der Kammervorsitzende Bernd Asbrock, der
Angeklagte habe "objektiv gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen", etwa bei
der Erstuntersuchung Condés. Auch hätten weder V. noch die Polizisten vor
der Maßnahme einen Dolmetscher oder einen Richter gerufen. Vor allem aber
hätte V. seine erste erzwungene Brechmittelvergabe viel früher beenden
müssen. Condés Zustand war während der rund zweistündigen Maßnahme so
kritisch geworden, dass ein Notarzt hinzugerufen werden musste. Doch
nachdem das Rettungsteam Condé wieder stabilisiert hatte, flößte V. ihm
weiter Wasser ein, damit er seinen Mageninhalt restlos hervorwürgte. "Wäre
hier abgebrochen worden, hätte sich der Tod vermeiden lassen", sagte
Asbrock.
Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Anklage gegen V. auf das Gutachter zweier
Sachverständiger gegründet. Ihnen nach war Condé "still ertrunken", weil
das Wasser, das ihm V. per Nasensonde eingeflößt hatte, in die Lunge
gelaufen war. Zwei weitere Gutachter hatten im Laufe des Prozesses diese
Diagnose bestätigt.
Im Herbst dieses Jahres hatte die Verteidigung allerdings vier weitere
Sachverständige in den Prozess eingebracht, die einen "toxischen
Herzmuskelschaden" als Todesursache ausmachten. Ihnen nach sollte eine
krankhaft verdickte Herzwand der Grund für das bei Condé festgestellte
Lungenödem sein - und nicht etwa das durch den Brechmitteleinsatz
hineingelaufene Wasser. Diese Ansicht wurde unter anderem von den gleichen
Medizinern vertreten, die im Fall des bundesweit ersten Brechmitteltoten,
des Nigerianers Achidi John in Hamburg, mit dem gleichen Argument - einem
Herzfehler - eine Ärztin aus der Schusslinie der Staatsanwaltschaft
brachten.
Sowohl der Verteidiger V.s als auch die Staatsanwältin hatten nach dem
Gutachterstreit einen Freispruch gefordert. Lediglich die Anwältin der als
Nebenklägerin vertretenen Familie des Toten plädierte für eine
Verurteilung.
Für die Verurteilung war die eigentliche Todesursache jedoch nicht
ausschlaggebend. Zwar habe sich V. "mehrerer objektiver
Pflichtverletzungen" schuldig gemacht, die ursächlich für den Tod waren, so
die Richter. Weil er dies aber wegen "mangelnder Ausbildung und Erfahrung
mit Brechmittelvergaben subjektiv nicht erkennen" konnte, folgte die Kammer
dem Antrag der Anklagebehörde.
Der Bruder des Toten, Namantjan Condé, war aus Guinea nach Bremen gereist.
"Der Prozess hat gezeigt, dass man meinen Bruder misshandelt hat und er
daran gestorben ist. Das war kein natürlicher Tod. Und deswegen trägt auch
jemand die Verantwortung. Sie wollen aber keinem die Schuld geben", sagte
er nach der Urteilsverkündung.
5 Dec 2008
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Brechmittel
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