# taz.de -- Prekäre Beschäftigung im Einzelhandel: Billigkräfte lassen Kasse… | |
> Ver.di klagt über prekäre Beschäftigung im Einzelhandel. Laut einer neuen | |
> Studie arbeiten 53 Prozent der Verkäufer in Teilzeit. Jeder vierte | |
> Beschäftigte ist ein Minijobber | |
Bild: Einkaufen auch nach 20 Uhr: praktisch für die Kunden, schlecht für die … | |
Dank der längeren Ladenöffnungszeiten können die Berliner vielerorts auch | |
nach 20 Uhr noch ihre Milch kaufen. Doch die Verkäufer, die abends an der | |
Kasse sitzen, verdienen oft besonders wenig, kritisiert die Gewerkschaft | |
Ver.di. "Viele Unternehmen geben jene Schichten, die mit regulären | |
Beschäftigten aufgrund des Tarifvertrags teurer sind, an externe | |
Dienstleister", sagte Erika Ritter, zuständig für den Fachbereich Handel. | |
19 Euro pro Stunde müssten die Läden für eine Festangestellte abends | |
bezahlen. Die billigen Arbeitskräfte der externen Dienstleister erhielten | |
häufig nur 5 bis 6 Euro. "Sie erdulden das, weil sie froh sind, überhaupt | |
einen Job zu haben." | |
Am Freitag stellte die Gewerkschaft die Ergebnisse einer neuen Studie zu | |
den Arbeitsbedingungen im Berliner Einzelhandel vor. Demnach sank die Zahl | |
der sozialversicherungspflichtigen Jobs von 2003 bis 2007 um 5 Prozent. | |
Mehr als die Hälfte der Verkäuferinnen und Verkäufer arbeitet inzwischen in | |
Teilzeit - mit entsprechenden finanziellen Einbußen. Ein Viertel der | |
104.000 Mitarbeiter im Einzelhandel ist geringfügig beschäftigt. | |
Manch einem mag eine Teilzeitstelle gelegen kommen. Doch 40 Prozent der | |
Betroffenen gaben in der Studie an, dass es in ihrem Unternehmen gar nicht | |
möglich war, voll zu arbeiten. Für die Gewerkschaft eine klare Sache: Die | |
Verkäuferinnen und Verkäufer werden in die Teilzeit und damit auch in die | |
Armut gezwungen, beklagte Ritter. | |
Männer verdienen im Einzelhandel im Durchschnitt 1.400 Euro netto, Frauen | |
1.035 Euro netto. Die Beschäftigten müssten aufgrund der langen | |
Öffnungszeiten flexibel sein. "Mit einem Zweitjob ist das nicht vereinbar", | |
so Ritter. Gerade für Familien stellten wechselnde Arbeitszeiten ein | |
Problem dar. Ritters Fazit: "Die Branche ist von prekärer Beschäftigung | |
geprägt." | |
Die Auswirkungen der längeren Ladenöffnungszeiten tauchen in der Studie | |
nicht auf. "Diese Entwicklungen sind noch zu neu", erklärte Ritter. Doch | |
selbst der Hauptgeschäftsführer des Berliner Einzelhandelverbands, Nils | |
Busch-Petersen, bestätigt, dass externe Dienstleister in den vergangenen | |
Jahren auf den Markt drängten. Seiner Meinung nach trägt Ver.di daran | |
Mitschuld. "Die Tarifstrukturen sind nicht ausreichend flexibel", so | |
Busch-Petersen. Festangestellte seien abends deutlich teurer. "Da muss man | |
sich hinterher nicht wundern, wenn die Wirklichkeit anders aussieht als | |
gewünscht." | |
Die Gewerkschaft will in Zukunft versuchen, auch die billigeren | |
Arbeitskräfte der externen Dienstleister zu kontaktieren und über ihre | |
Rechte zu informieren. Allerdings gibt es nach Angaben von Ver.di nur in | |
etwa 120 der insgesamt rund 14.200 Unternehmen einen Betriebsrat. | |
ANTJE LANG-LENDORFF | |
13 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
## TAGS | |
Ladenschlussgesetz | |
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