# taz.de -- Garmisch und der Klimawandel: Roden für die Raser | |
> Um eine WM-taugliche Abfahrtsstrecke vorweisen zu können, wurde in | |
> Garmisch-Partenkirchen hektarweise Bergwald abgeholzt. Auf den | |
> Klimawandel reagiert man mit Schneekanonen. | |
Bild: Schneekanonen stehen schon bereit: Nicht WM-taugliche Rodelpiste bei Garm… | |
Tauwetter in Garmisch-Partenkirchen. Der letzte Schnee auf den Dächern | |
schmilzt. Vor dem Eingang zum Kurpark ist eine Werbesäule aufgebaut. Sie | |
soll Lust machen auf die alpine Ski-WM, die 2011 hier stattfinden soll. | |
Eine digitale Anzeige zählt die Tage bis zur Eröffnungsfeier, 780 sind es | |
noch. Lange haben sie gekämpft, um vom internationalen Skiverband Fis den | |
Zuschlag zu erhalten. Weil die Bewerber versprochen haben, die | |
Abfahrtsstrecke erheblich umzubauen, werden also 2011 die besten Rennfahrer | |
der Welt um Medaillen kämpfen. | |
Es war ein hoher Preis, den die Gemeinde gezahlt hat. Zehn Hektar Wald, ein | |
Großteil davon natürlicher Bergmischwald, wurden in diesem Sommer gefällt, | |
um die bewährte Weltcup-Strecke, die Kandahar, umbauen zu können. Neben der | |
bestehenden Männerabfahrt, wurde für die Frauen eine weitere Schneise in | |
den Wald planiert. Die Fis schreibt getrennte Pisten für Männer und Frauen | |
vor. Ohne die Rodungen hätte Garmisch die WM nicht bekommen. | |
Für Peter Fischer, den Chef des WM-Organisationskomitees sind die Umbauten | |
eine absolute Notwendigkeit. Fischer schwärmt von einer der modernsten und | |
dank 36 Kilometern Fangzäunen sichersten Speedstrecken der Welt. Er träumt | |
von 250.000 Zuschauern zur WM-Zeit. Und er denkt schon weiter, an das Jahr | |
2018. Dann könnte Garmisch zum Austragungsort der Skirennen bei den | |
Olympischen Winterspielen, für die sich die Stadt München bewerben will, | |
werden. Die Gemeinde verspricht sich von der WM einen enormen Effekt für | |
den Wintertourismus. | |
"Der positive Effekt ist doch gar nicht messbar", meint Axel Döring. Er | |
betreut das Forstrevier Grainau bei Garmisch-Partenkirchen und hat die | |
Eingriffe am Bergwald für die Ortsgruppe des Bundes Naturschutz | |
dokumentiert. Döring kann nicht verstehen, warum die Gemeinde immer noch so | |
massiv auf den Wintersport setzt. | |
In der Tat kommen weit mehr als 60 Prozent der Urlauber - 1.198.311 | |
Übernachtungen im Jahr 2007 - gar nicht zur Winterzeit nach Garmisch. Und | |
auch die meisten Wintergäste, mehr als 80 Prozent, suchen Erholung abseits | |
der Pisten. | |
Döring saß jahrelang im Gemeinderat. Er weiß, dass nur 20 bis 30 Prozent | |
der Einnahmen im Haushalt aus dem Fremdenverkehr stammen. Die ökonomischen | |
Zwänge, einen Ort, der auf lediglich 708 Metern über dem Meer liegt und | |
schon jetzt nicht mehr als schneesicher zu bezeichnen ist, zum | |
Skisportmekka auszubauen, existieren für Döring nicht. "Pervers" findet er, | |
wie man in Garmisch-Partenkirchen auf den Klimawandel reagiert habe. Der | |
Winter wird künstlich hergestellt. Mittlerweile werden fünf Talabfahrten | |
durchgängig beschneit. Das Tauwetter der letzten Tage kann dem Kunstschnee | |
auf den weißen Bändern, die sich durch den Bergwald ziehen, beinahe nichts | |
anhaben. Seit Mitte November laufen die Schneekanonen auch in anderen | |
Skigebieten. | |
Der Wasserbedarf ist immens. Um an den kalten Nächten genug Rohstoff zur | |
Verfügung zu haben, werden Wasserspeicher angelegt. Entlang der umgebauten | |
Kandahar-Abfahrt wurden zwei Betonschüsseln in die Hänge eingelassen. | |
Derartige Hässlichkeiten gehören mittlerweile zum Erscheinungsbild fast | |
aller bayerischen Wintersportgebiete. Von einem weiteren Nebeneffekt der | |
künstlichen Beschneiung auf die Natur ist dabei nur selten die Rede. Die | |
Schneekanonen machen einen Höllenlärm. Die selten gewordenen Schnee- und | |
Birkhühner, die im Garmischer Bergwald zu Hause sind, haben in den Nächten | |
keine Ruhe mehr. | |
"Fragen Sie ruhig", sagt Axel Döring, "Sie werden in Garmisch niemanden | |
finden, der sich nicht als Naturfreund bezeichnen würde." Wirklich, auch | |
Heinz Mohr, der für das OK den Streckenumbau verantwortet, weiß, dass der | |
Wintersport auch von seiner Naturnähe lebt. "Aber ich denke eben von der | |
sportlichen Seite her", sagt er und schwärmt von den neuen Strecken. | |
Spektakulär sei der neue Sprung auf der Männerpiste, der die Abfahrer an | |
die 50 Meter weit talwärts katapultieren wird. Außerdem seien die neuen | |
Pisten zuschauerfreundlich. Vom Zielraum aus können die Schneisen - die Fis | |
schreibt 40 Meter breite Pisten vor - nun viel besser eingesehen werden als | |
zuvor. | |
Naturschützer Döring kann da nur mit dem Kopf schütteln. Er wünscht sich | |
ein grundsätzliches Umdenken. "Warum", fragt er sich, "gibt es für fast | |
alle Schüler in Bayern ein Skilager? Warum gibt es kein Wanderlager?" | |
17 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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Kolumne Press-Schlag | |
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