# taz.de -- Achternbusch auf DVD: Messer im Mund | |
> Die Sprache ist ein Verselbständigungsmittel. Eine DVD-Box versammelt | |
> sechs Filme von Herbert Achternbusch. | |
Bild: Der Schriftsteller, Filmemacher, Schauspieler und Maler Herbert Achternbu… | |
Mit einfachsten Mitteln stellt Herbert Achternbusch die Welt auf den Kopf. | |
Das Mittel, das er dabei handhabt wie sonst kaum einer im Kino, ist seine | |
Sprache. Achternbusch war Autor bei Suhrkamp, bevor er vor die Kamera | |
seiner Filme geriet, wo er dann saß, ging und sprach - und also mit des | |
Zufalls (und Volker Schlöndorffs) Hilfe ein Filmemacher wurde, wie es davor | |
und danach ganz keinen anderen gab. Die Sprache aber, ganz die seine, ist | |
ihm doch eher Verselbständigungsmittel und weniger ein taugliches | |
Instrument, das Menschen auf dem Wege der Kommunikation einander | |
näherbringt. Nein, die Sprache bei Achternbusch steht im Raum, rührt sich | |
kaum, wird immer härter und fester und schöner und ist, wenn alles gesagt | |
ist, ein seltsames Ding. Sie hat etwas sehr Stoffliches. Sie ist ein Messer | |
in Achternbuschs Mund. Sie ist eine Tasse in seiner Hand. | |
Wo die Sprache schon Ding ist, da wird's auch der Körper, falls er es nicht | |
von Anfang an ist. So wird Achternbusch, der sich vor der eigenen Kamera | |
seine eigene Sprache gibt, mit den Worten, die er sich in den Mund legt, | |
auch sich selbst zum Fremden. Wird sich ein aller Welt fremdes Körperding, | |
das katatonisch ruht, das albern hampelt, das durch den Atlantik schwimmt, | |
das in Andechs ein Gefühl hat und in den USA Papierservietten über den | |
Ohren; oder auch ein Stummfilmkomikerkörperding, das hinter der Straßenbahn | |
mit der Annamirl Bierbichler herrennt in "Die Olympiasiegerin". | |
Das Ding, das der Körper ist, kann sich auch schon mal mit der eignen | |
Mutter verwechseln und zum Körper der Mutter werden, die überhaupt ein | |
wiederkehrendes Thema in Achternbuschs Filmen ist. In "Die Olympiasiegerin" | |
geht es am Anfang darum, dass die Eltern jetzt gefälligst zueinanderkommen | |
sollen, um den kleinen Herbert zu zeugen. Der größere Herbert leidet unter | |
der Angst, womöglich gar nicht oder doch als ein sich noch Fremderer | |
geboren worden zu sein. | |
An der nun endlich veröffentlichten Box mit sechs eher willkürlich | |
ausgewählten Arbeiten kann man gut sehen, was zum Glücken eines | |
Achternbusch-Films gehört. Sie sind nämlich sehr unterschiedlich gut | |
geglückt. Der Zweitling "Die Atlantikschwimmer" von 1976 funktioniert, aber | |
fast schon als Nummernrevue. Ausgerechnet der bekannteste und | |
umstrittenste, "Das Gespenst", dem in den 80er Jahren der Innenminister | |
Zimmermann das zugesagte Fördergeld verweigerte wegen Blasphemie), geht oft | |
auf die Nerven. Durch Plattheit der Kirchen- und Obrigkeitskritik und durch | |
Endlosigkeit seiner improvisierten Dialoge, etwa zwischen den dann | |
irgendwann legendärermaßen in ein kleines Glas scheißenden | |
Polizistendarstellern Poli (Kurt Raab) und Zisti (Dietmar Schneider). Man | |
lernt: Es braucht einen gewissen Aggregatzustand des Opaken - der Welt, der | |
Sprache, des Zueinander der Figuren - für den Achternbusch-Effekt. | |
Das eigenste Werk in der Box ist der jüngste der darin versammelten Filme: | |
"Hick's Last Stand" von 1990. Achternbusch, für den die bayerische Provinz | |
und die weite Welt immer schon seltsam in eins fielen, ist in den USA. | |
Vielmehr: Er ist es, seine Bilder sind es, seine Sprache ist es, aber sie | |
kommen nur zögerlich zusammen. Aus dem Off erzählt Achternbusch vom Whiskey | |
namens Yukon Jack und von der einen Frau und der anderen. Der Ich-Erzähler | |
ist zwar ein rechter Ungustl, aber er verführt einen doch sehr durch den | |
sinnlichen Unsinn, den er einem durchs Ohr einflößt. Dazu aber fahren Züge | |
durchs Super-acht-Bild, und man sieht amerikanische Landschaften. Nichts | |
hängt durch Handlung zusammen, nur gelegentlich ist Achternbusch da mit den | |
Papierservietten und stapft durch die Landschaft. Es spielt dazu schöne, | |
weltfremde Musik, mal als Song aus Amerika und mal ins Atonale hinüber. In | |
"Hick's Last Stand" transzendiert sich das Achternbusch-Ding in was | |
anderes, das fast noch mal großartiger ist. | |
Die Achternbusch-Box ist für ca. 45 Euro im Handel zu haben | |
7 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
## TAGS | |
Nachruf | |
Film | |
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