| # taz.de -- Böse Dinge im Kinderzimmer: Die vier Reiter der Apokalypse | |
| > Das Böse hat viele Gesichter. Gerade jungen Eltern begegnet es in der | |
| > verdächtig harmlosen Gestalt von vier Marken, ohne die heute kein | |
| > Kinderzimmer mehr Kinderzimmer genannt werden kann. | |
| Bild: Prinzessin Lillifee nennt sogar ein Computerspiel ihr eigen. | |
| Was ist das? Würden Judith Butler und Prinzessin Lillifee im "Celebrity | |
| Deathmatch" gegeneinander antreten, von der Gender-Theoretikerin bliebe | |
| bestenfalls nur Hackfleisch übrig - und in rauchenden Trümmern läge die | |
| modische These, das Geschlecht sei kein biologisches Faktum, sondern eine | |
| soziale Konstruktion. Denn so immun Jungs gegen dieses Virus sind, so | |
| hilflos sind ihm Mädchen ausgeliefert. Wer oder was ist diese Prinzessin | |
| Lillifee? | |
| Was sie ist, wäre schnell geklärt: rosa. Alles an ihr und um sie herum ist | |
| mit totalitärer Konsequenz in dieser Farbe gehalten, die aus | |
| psychologischer Sicht wie keine andere für Sanftmut, Empfindsamkeit und | |
| Schutzbedürftigkeit steht - und damit dem naturgemäß noch eher nebulösen | |
| Bild recht nahe kommen dürfte, das kleine Mädchen im Vorschulalter von sich | |
| selbst haben. Und wer ist sie? Eine "Blütenfee", die angeblich in einem | |
| "Blütenschloss" im "Zaubergarten" des "Zauberlandes Pinkoviana" lebt, zur | |
| "Zauberschule" geht und ansonsten allem "hilft", was noch kleiner und | |
| schwächer ist als sie selbst. Angeblich. Denn tatsächlich ist die | |
| Prinzessin Lillifee seit ihrer Erfindung durch die Berliner Autorin Monika | |
| Finsterbusch damit beschäftigt, blitzkriegmäßig auch noch ins letzte | |
| lillifeefreie Kinderzimmer einzumarschieren. Kaum kommt die Wickelkommode | |
| raus, kommt auch schon die Lillifee rein. Widerstand zwecklos. | |
| Wobei das befallene Mädchen perfiderweise selbst zur Lillifee wird und mit | |
| dem Zauberstab des Quengelns seine Welt allmählich dem Kosmos der | |
| Prinzessin anverwandelt - mit Badetüchern, Eau de Toilette, Beauty-Sets, | |
| Glimmerstickern, Tattoos, Glitzer-Haarschmuck, Puzzles, Perlensets, | |
| Kostümern (mit Flügeln!), Schneekugeln, Täschchen, Federmäppchen, | |
| Kindergartenrucksack, Büchern, Hörspielen (mit Sissi Perlinger) und anderem | |
| Tinnef aus der Produktpalette des Grauens. | |
| Ausbaden darf das übrigens spätestens die Grundschullehrin, die klagt: "Ich | |
| habe eine Klasse voller Prinzessinnen, die ich in Kinder verwandeln muss." | |
| Wer schenkt es? Eltern. Es bleibt ihnen keine Wahl. | |
| Wann geht es vorbei? Wenn das Kind eines fernen Tages das Buch "Gender | |
| Trouble" gelesen haben wird. | |
| VON ARNO FRANK | |
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| Was ist das? Wenn Kinder Kinder kriegen, führt das leicht zu Problemen. Ist | |
| die Kleine reif genug für diese wachsende Verantwortung, ist das Heim groß | |
| genug, um den Neuankömmling aufzunehmen? Wer ist der Vater? Diese Probleme | |
| erledigen sich nicht einfach dadurch, dass einige der in den Kreis der | |
| Familie stoßenden Kinder aus Plastik geformt sind, wie die Baby-Born-Puppe | |
| der Firma Zapf Creation. Die Probleme erlangen dadurch lediglich eine | |
| andere Dimension. | |
| Die Baby-Born-Puppe (in hell- oder dunkelhäutiger Ausführung mit Töpfchen) | |
| nämlich möchte, wenigstens annährend genug für Kinder von null bis sieben | |
| Jahren, wie ein echtes Kind aussehen - und hat damit mehr Erfolg als der | |
| Rattenfänger von Hameln. Diesem vermeintlichen Echtheitsgefühl folgend, | |
| verlangt nämlich die im Baby-Born-Boom taumelnde Zielgruppe eben alles, was | |
| zur Glückliche-Kindheit-Ausstattung eines Säuglings gehört: | |
| Erstlingskleidung, Windeln, aber auch das Schnorchel-Set (welches Baby | |
| schnorchelt nicht gerne?), Puppenwagen, Geländewagen mit Pferdeanhänger und | |
| Fahrradsitz. Wer bisher den ganzen Kinderkrempel, der sich im Laufe von | |
| drei Lebensjahren anhäuft, gerade so in seine Etagenwohnung reinquetschen | |
| konnte, muss spätestens mit dem Einzug von Baby Born entscheiden, welche | |
| lieb gewonnenen Gegenstände rausfliegen. Die Puppe nämlich braucht | |
| mindestens genauso viel Platz wie ein gewöhnliches Kind. | |
| Platz für das Töpfchen, denn die Baby Born kann natürlich ausscheiden, | |
| Platz für die Schnuller und selbstverständlich auch für die Puppe selbst. | |
| Denn es ist ja klar, dass die Baby-Born-Puppe abends nicht einfach ins | |
| Regal geräumt werden kann, sondern ein Bett braucht, wenns geht, in Rosa | |
| oder Hellblau. Einziger Vorteil der Baby-Born-Puppe: Tochter oder Sohn | |
| lernen ganz früh, Verantwortung zu übernehmen, und dabei kommt kein Hamster | |
| zu Schaden. | |
| Die Baby-Born-Puppe in der Ausführung "Baby Boy" (mit neun lebensechten | |
| Funktionen!) kostet im Versandhaus zurzeit 39,89 Euro. | |
| Wer schenkt es? Die ferne Tante. Gerne auch dem Jungen. | |
| Wann geht es vorbei? Mit Eintritt in die Phase der Pferdevernarrtheit. | |
| VON NATALIE TENBERG | |
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| Was ist das? Haben Sie gerade frisch gestrichen? Liegt Ihnen etwas an Ihrem | |
| Parkettboden? Oder an der Beziehung zum Mieter unter Ihnen? Mit dem schönen | |
| Wohnen und dem Frieden im Mehrfamilienhaus ist es an dem Tag vorbei, an dem | |
| das Kind wie aus dem Nichts einen roten Gegenstand mit schwarzen Reifen und | |
| weißem Lenkrad bemerkt. Der steht meistens schon seit der Geburt in einer | |
| Ecke des Kinderzimmers. Die Rede ist vom Bobby Car. Das ist das Vehikel, | |
| das Kinder nutzen, um ihre Eltern in den Wahnsinn zu treiben. In | |
| pädagogisch motivierten Bilderbüchern heißt das Ding noch "Rutschauto", was | |
| tatsächlich eine präzise Beschreibung ist, doch ein Rutschauto, weiß jeder, | |
| ist ein Bobby Car. | |
| Hat das Kind dieses Bobby Car irgendwann entdeckt, heißt das noch lange | |
| nicht, dass es auch damit fahren kann. Bei den ersten Versuchen passiert | |
| gar nichts, was das Gefährt irgendwie vorwärtsbringen könnte. Dafür aber | |
| ordentlich was in der Vertikalen: Die Vorderräder werden am Lenkrad | |
| hochgezogen, und knallen dann wieder auf den Boden. Mobilität im absoluten | |
| Anfangsstadium. | |
| Später krachen die Kinder, weil sie nicht anders können oder einfach nur | |
| böse sind, das Bobby Car in Möbel, Türen und Wände. Oder fahren in Hacken, | |
| über Zehen, über alles, was am Boden liegt und zerquetscht werden könnte. | |
| Mit dem Bobby Car ist es wie mit der Hauskatze. Irgendwann muss man sich | |
| fragen, ob es nicht klüger wäre, dieses Wesen langsam und schritt-, bzw. | |
| stoßweise in die Welt da draußen zu schicken. Doch war das Bobby Car erst | |
| einmal im Park, dann führt, wie bei der Katze, kein Weg mehr zurück. Schön | |
| ist das auch nicht, denn nun kann das Kind, anders als beim Kinderwagen, | |
| mitten auf der Kreuzung vom Bobby Car aufspringen, um den Bussen zuzuwinken | |
| oder den vorbeitrottenden Schäferhund zu umarmen. Das Böse kennt viele | |
| Gesichter: als Edition des Technischen Hilfswerks, als Feuerwehr, mit | |
| Soundmodul oder Flüsterreifen, die rosafarbene Hello-Kitty-Edition mit | |
| Anhänger … | |
| Wer schenkt es? Die Kollegen. Seine. | |
| Wann geht es vorbei? Nie, es pausiert nur. Erwachsene Menschen fahren | |
| Bobby-Car-Meisterschaften. | |
| VON NATALIE TENBERG | |
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| Was ist das? Der Teufel steckt heute nicht mehr im Detail. Hat er gar nicht | |
| nötig. Nein, das Böse kommt heute aus dem Autoradio, gibt Konzerte auf | |
| Bundesgartenschauen oder veröffentlicht für die Bild-Zeitung "Ein Herz für | |
| Kinder"-Platten. Mit Maffay. Und Nena. Nun kann man Rolf Zuckowski keinen | |
| Strick daraus drehen, dass er Rolf Zuckowski ist und Rolf-Zuckowski-Musik | |
| macht. Trotzdem gilt es, allen Versuchungen zu widerstehen, allen Anfängen | |
| zu wehren. Denn diese Anfänge sind - wie alles Böse - ganz harmlos und | |
| beginnen meist mit nett gemeinten Aufforderungen befreundeter Eltern, | |
| verlorener Seelen also, die, ohne es zu wissen, dem Bösen bereits erlegen | |
| sind. | |
| "Hey, hör dir das mal an!", heißt es dann meistens, und: "Ist gar nicht so | |
| schlimm, wie du immer tust!", oder: "Summ doch auch mal mit, hab dich nicht | |
| so!" Jetzt - jetzt! - gilt es, ihm die Stirn zu bieten und zu sagen: | |
| Weiche, Satan! Über diese Schwelle schreitest du nicht! Fahre aus, du | |
| unreiner Geist! Wer jetzt - jetzt!! - nicht rasch reagiert, der ist | |
| verdammt auf alle Zeit, der wird nicht mehr froh sein ganzes Leben, weil er | |
| stumpfen Sinnes, mit schweren Lidern und belegter Zunge diabolische | |
| Meisterwerke wie "In der Weihnachtsbäckerei", fetzige Uptempo-Nummern wie | |
| "Omama liebt Opapa" oder flockige Evergreens wie "Du da im Radio" wird | |
| mitsummen können, ja: müssen, weil das Kind danach verlangt, im Auto, auf | |
| der Bundesgartenschau, im Kindergarten, zuhause. Dabei hätte das Kind auch | |
| echte Musik ins Herz schließen können, wären die Eltern nicht weich | |
| geworden, Musik von den Beatles oder, wenns denn in deutscher Sprache | |
| mitsingbar sein muss, von Peter Licht oder Tocotronic. | |
| Rolf Zuckowski, mit und ohne "seine Freunde", versteht sein Werk als | |
| "generationenübergreifend", und diesen Übergriff darf man sich durchaus | |
| bedrohlich vorstellen, etwa in Form einer echsenhaften Pranke mit spitzen | |
| gelben Krallen. Wer Musik liebt, der muss Rolf Zuckowski hassen. | |
| Wer schenkt es? "Befreundete" Eltern, Agenten des Bösen. | |
| Wann geht es vorbei? "Es geht immer noch ein bisschen weiter / ein bisschen | |
| weiter, als du glaubst / auf den Stufen deiner Lebensleiter / wenn du dir | |
| nicht deine Träume raubst" (Rolf Zuckowski). | |
| VON ARNO FRANK | |
| 27 Jan 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Arno Frank | |
| Natalie Tenberg | |
| ## TAGS | |
| Kinder | |
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