# taz.de -- Mickey Rourke in "The Wrestler": Die Muskeln sind müde | |
> Ring frei für Mickey Rourke: "The Wrestler" von Darren Aronofsky | |
> verschafft dem von plastischer Chirurgie und Karriereknicks versehrten | |
> Schauspieler ein tolles Comeback. | |
Bild: Mickey Rourke alias "The Ram" im Ring - Szene aus "The Wrestler". | |
"I'm an old, broken down piece of meat." - Randy "The Ram" Robinson | |
Beim Wrestling ist jeder Schlag eine ausgemachte Sache. Der Neckbreaker und | |
die Chokebomb gehören zu einer Show, in der Schmerz nur als grelle Geste | |
der Übertreibung vorkommt. Als Zuschauer nimmt man die Täuschung gern in | |
Kauf, denn die Kombattanten sind Kunstfiguren, in ihrer Überhöhung | |
Comicfiguren gar nicht unähnlich. Randy "The Ram" Robinson, die Titelfigur | |
aus Darren Aronofskys "The Wrestler", ist eine Art amerikanischer | |
Vorstadtheld unter ihnen. Mit seiner blonden Haarmähne und dem | |
braungebrannten Hardbody sieht er zur einen Hälfte wie ein wuchtiger Biker, | |
zur anderen wie ein verlebter Heavy-Metal-Star aus. Sein bester Gimmick ist | |
ein spektakulärer Sprung herab von den Seilen. Die Fans lieben diesen | |
All-American-Guy. Seine Gegner Necro Butcher und Ayatollah stehen schon | |
namenstechnisch auf der falschen Seite. | |
Doch über Gewinn und Niederlage wird in "The Wrestler" nicht zwischen den | |
Seilen entschieden. Das Leben abseits der Bühne hält die eigentlichen | |
Herausforderungen bereit. Mit einer guten Dosis Nostalgie erzählt Aronofsky | |
von den Lebensumständen eines Tagelöhners, weit weg vom Getöse des | |
Entertainment-Komplexes. Randy "The Ram" zehrt vom Ruhm vergangener Tage: | |
In den 80er-Jahren ein gefeierter Star seines Metiers, wälzt er sich heute | |
in kleinen Turnhallen vor einem überschaubaren Publikum am Boden. Doch er | |
weiß immer noch, was sich in einer guten Show gehört: Mit einer versteckten | |
Rasiermesserklinge, mit der er im richtigen Moment eine Platzwunde | |
vortäuscht, bringt er seine Fans zum Kreischen. Nach dem Auftritt kehrt er | |
wie ein müder Riese in den Trailer-Park zurück - er gleicht dabei ein wenig | |
einem Zirkustier, das außerhalb der Manege niemanden interessiert | |
Das Prinzip des Comebacks ist ein fester Bestandteil der amerikanischen | |
Mythologie. Wer einmal ganz unten war, dem kann es gelingen, mit besonders | |
viel Anteilnahme wieder oben anzukommen. Darren Aronofsky, ein Regisseur, | |
der gern den ästhetischen Rösselsprung praktiziert, hat mit dem | |
esoterischen Fantasymärchen "The Fountain" zuletzt selbst hartgesottene | |
Anhänger verschreckt. Mit "The Wrestler" gewann er den Goldenen Löwen von | |
Venedig. Das Comeback trifft dennoch mehr auf Mickey Rourke zu, der hier | |
die Rolle seines Lebens spielt. Schon beim Casting soll Aronofsky dem | |
gefallenen Star eine Oscar-Nominierung versprochen haben. Die Regie - das | |
muss man eigens hervorheben - ist sich des Besetzungscoups in jedem Moment | |
bewusst: Maryse Alberti, die bisher vor allem Dokumentarfilme (unter | |
anderem "Crump", "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson") | |
fotografierte, heftet sich mit der Kamera an den Protagonisten, als dürfte | |
er ja nicht verloren gehen. | |
Als Randy das erste Mal als Wurstverkäufer arbeiten muss und den Gang | |
hinter die Theke antritt, begleiten wir ihn durch das Lager, und man hört | |
dabei aus dem Off das Publikum wie vor einem Auftritt grölen. Solche | |
Überlagerungen genügen, um zu demonstrieren, dass Randy immer "The Ram" | |
bleiben wird. Die Starpersona überdeckt hier den Menschen. | |
Im Kino ist es immer spannend, wenn sich Fiktion und Realität | |
überschneiden. Im Falle von Mickey Rourke als Wrestler erhält dieses | |
Verhältnis eine besonders exzessive Note, weil die Rolle ganz | |
offensichtlich den Schauspieler zum Vorbild hat. Schon in der Biografie des | |
sanftmütigen Rebells der "Brat Pack"-Generation gibt es Parallelen: Wenn | |
Randy auf die 90er-Jahre schimpft, als dem Jahrzehnt, in dem er seine | |
Legitimität einbüßte ("And then this pussy Kurt Cobain came along and | |
ruined everything."), dann weiß Rourke besser als jeder andere, wovon er | |
spricht. In den 80ern war er ein aufsteigender Star, dessen instinktive | |
Präsenz in Filmen wie "Rumble Fish", "Year of the Dragon" oder "Barfly" | |
manche sogar an Marlon Brando denken ließ. Im Jahrzehnt danach ging es mit | |
seiner Karriere steil bergab. Rourke wechselte zurück in den Boxring, seine | |
Ehe ging zu Bruch, die plastische Chirurgie hinterließ in seinem Gesicht | |
Spuren; im Nachhinein erscheinen diese Zurichtungen allerdings so, als | |
hätte er sie für diesen Part erleiden müssen. | |
Der geschundene Körper übernimmt in "The Wrestler" eine zentrale Funktion: | |
Denn er belegt erst die Glaubwürdigkeit des Helden. Es geht nicht darum, | |
die müde gewordenen Muskeln für eine letzte Konfrontation zu trimmen, um | |
dann heroisch gegen das Alter zu triumphieren - eine Erzählung, die | |
Sylvester Stallone, ein weiterer Veteran des Kinos der 80er-Jahre, in | |
"Rocky Balboa" (2006) aufbereitet hat. Aronofsky unterspielt solches | |
Pathos, indem er die Routinen von Randys alltäglicher Körperpflege | |
ausbreitet. Nicht der Trainingsraum, wo mit eisernem Willen der innere | |
Schweinehund besiegt werden muss, ist sein bevorzugter Übungsplatz, sondern | |
vergleichsweise unmännliches Terrain: Wir sehen, wir sich der Wrestler beim | |
Friseur die Strähnchen erneuern lässt; wir begleiten ihn ins Solarium, wo | |
er nicht gleich aus seinen Jeans herauskommt; und wir sind Zeuge eines | |
Deals im Umkleideraum, wo es auf eine Sammelbestellung von Steroiden Rabatt | |
gibt. | |
"The Wrestler" folgt keiner Rise-and-Fall-Geschichte, sondern er läuft | |
vielmehr auf eine Heilsgeschichte hinaus. Es ist kein Zufall, dass die | |
Striptease-Tänzerin Cassidy (Marisa Tomei) Randy von Mel Gibsons "The | |
Passion of Christ" erzählt und dabei vor allem die physischen Qualen | |
hervorhebt, die Jesus erleiden musste. "Tough dude", lautet die Reaktion | |
des Wrestlers, der wenig später auf der Bühne mit einem Herzinfarkt | |
zusammenbricht, um sich dann seinen Sünden zu stellen. Und das bedeutet | |
nicht zuletzt, die eigene Körperlichkeit zu überwinden. Randy ist | |
gezwungen, in einen Alltag überzuwechseln, den er aus seinem Leben längst | |
ausgeschlossen hat. Aronofsky und Drehbuchautor Robert S. Siegel setzen auf | |
die eigentlich recht konventionelle Geschichte einer Resozialisierung, und | |
sie nehmen dabei durchaus die eine oder andere billige Wendung in Kauf. Der | |
abgehalfterte Wrestler, der das Verhältnis zu seiner bitter enttäuschten | |
Tochter (Evan Rachel Wood) verbessern möchte - das könnte leicht | |
schiefgehen, würde Randys Suche nach Vergebung nicht so verhalten | |
inszeniert sein. Rourke stattet seinen Helden mit einer Sanftmut aus, die | |
seinen ungeschickten Schritten eine eigene Form von Melancholie verleiht. | |
Selbst die alte Geschichte vom Barmädchen Cassidy mit dem guten Herzen, die | |
auf die Avancen Randys eingeht, ist man bereit zu tolerieren, weil sie | |
innerhalb dieser Erlösungsgeschichte durchaus stimmig erscheint. Außerdem | |
ist sie symmetrisch angelegt: Wie Randy arbeitet auch Cassidy in einer | |
Profession, in der man das eigene Fleisch ausstellt, und auch sie hat das | |
beste Alter für diesen Job schon ein wenig hinter sich. | |
Die besten Momente des Films gehören dennoch Rourke allein, wie er | |
allmählich darüber Gewissheit erlangt, dass es für ihn keinen Ruhestand in | |
Würde geben kann. In einer Szene findet sich Randy in einer Autogrammrunde | |
unter anderen Wrestlingveteranen wieder. Wie in einem Traum - der Moment | |
vergeht in Zeitlupe - streift sein Blick die Kollegen, von denen der eine | |
einen künstlichen Harnröhrenausgang hat, beim anderen eine Krücke an den | |
Tisch gelehnt steht, während der Dritte ein Nickerchen macht. Umgekehrt | |
findet er an der Wursttheke des Supermarkts zu keiner Routine in einem | |
gewöhnlichen Job. Als er von einem Kunden erkannt wird, rastet er aus, | |
schneidet sich in die Hand, um mit einem blutverschmierten Gesicht aus dem | |
Geschäft zu laufen. Der Abgang ist wie einer seiner Wrestlingauftritte | |
choreografiert. Im Ring hätte er mit diesem Körpereinsatz für Begeisterung | |
gesorgt, hier erntet Randy "The Ram" Robinson nur entsetzte Blicke. | |
26 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Dominik Kamalzadeh | |
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Film | |
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