# taz.de -- Wrestler „Zack Ryder“ über seinen Sport: „Ich habe mir diese… | |
> Der amerikanische Wrestler Matthew Cardona über seinen Traumberuf, die | |
> kostbare Zeit mit der eigenen Familie und die vergleichsweise hohe | |
> Verletzungsgefahr. | |
Bild: Zack Ryder vor einem Kampf. | |
taz: Wie viele Tage im Jahr sind Sie unterwegs? | |
Matthew Cardona: Das habe ich noch nie wirklich gezählt. Es gehört zu | |
unserem Leben einfach dazu. Grob geschätzt sind das vier, fünf Tage die | |
Woche, die Veranstaltungen nicht mit eingerechnet. | |
Das macht knapp 250 Tage. Wie viel Zeit bleibt da, zur Ruhe zu kommen? | |
Man lernt es. Jeder Moment mit der Familie und Freunden wird kostbarer. | |
Aber auch in unserer Freizeit müssen wir ja regelmäßig in den Kraftraum, | |
das ist ein Teil des Alltags, der fast schon entspannend ist. | |
Klingt auf den ersten Blick nicht nach großem Spaß. | |
Ich habe mir das so ausgesucht. Andere Kinder wollen Astronaut oder | |
Polizist werden, ich wollte vom ersten Moment an in den Ring. Meine Mutter | |
ist fast wahnsinnig geworden – schließlich bin ich direkt nach der High | |
School gleich auf eine Wrestlingschule, mit einem Exstar als Trainer, der | |
uns die Bewegungen beigebracht hat. Kein richtiger Schulabschluss, erst | |
recht kein College, kein Studentenleben – das hat ihr nicht wirklich | |
gefallen, um es nett zu formulieren. Aber was blieb ihr anderes übrig? | |
Mittlerweile unterstützt sie mich so wie mein Vater, der von Beginn an | |
keine Probleme mit meinem Berufswunsch hatte. | |
Trotz der vergleichsweise hohen Verletzungsgefahr … | |
Dafür trainieren wir, um für alles zumindest so gut wie möglich gewappnet | |
zu sein. Vor ein paar Wochen wurde ich in einer unserer Shows in einem | |
Rollstuhl von einer meterhohen Rampe gestoßen. Obwohl die Landung gut | |
geklappt hat, habe ich mich am Rücken verletzt und nutze seitdem einen | |
Gehstock, bis alles auskuriert ist. Das passiert. | |
Ihr Werdegang ist nicht alltäglich. In der durchkontrollierten und | |
-organisierten Wrestlingwelt, in der die meisten Rollen von den | |
Kreativabteilungen erdacht werden, haben Sie Ihre eigene Figur entwickelt. | |
Das kann man so sagen. Ich war bis vor einem Jahr eher selten in den | |
WWE-Shows zu sehen, weil ich in keinen der Handlungsstränge gepasst habe. | |
Aus lauter Frustration habe ich dann angefangen, Videos auf YouTube | |
hochzuladen, in denen ich von meinem Leben als gebürtiger New Yorker | |
erzähle – und bekam immer mehr Fans. | |
… die dann mit Plakaten und Zwischenrufen während der Shows mehr TV-Zeit | |
für Sie forderten … | |
So hatten die Show-Autoren keine Wahl mehr. Die Fans geben bei uns nun mal | |
den Ausschlag. Wer eine Reaktion hervorrufen kann – ob Jubel oder Buhrufe, | |
der hat es geschafft. Jetzt habe ich mir diesen Status selbst erarbeitet. | |
Momentan ist in unseren Shows immer wieder von „Twitter“ die Rede, für das | |
aggressiv geworben wird, um möglichst viel in der Öffentlichkeit präsent zu | |
sein. Mit ein wenig Stolz kann ich sagen: Das habe ich schon früher | |
gemacht. Wir haben viele junge Fans in meinem Alter und darunter, die | |
nutzen die gleichen Medien wie ich, sind online, informieren sich über das, | |
was sie interessiert. So gab es eine Schnittstelle, die nun auch unsere | |
Kreativabteilung erkannt hat. | |
Wie viel von Matthew Cardona steckt in „Zack Ryder“? | |
Ich habe das Glück, dass ich sagen kann: Das bin ich. Gerade das macht | |
vielleicht auch meinen Erfolg aus. Die Fans merken: Der ist echt, der | |
verstellt sich nicht, mit dem kann man auch privat in Kontakt treten. Das | |
ist ein Unterschied zu den achtziger Jahren, in denen die meisten | |
Charaktere eher wie Fantasiefiguren aufgebaut waren. | |
Es kann auch anders laufen … | |
Ich weiß schon, worauf Sie anspielen. Als ich 2006 zur WWE kam, war ich | |
eine Hälfte der „Major-Brothers“. Ich und mein Partner waren ein | |
Brüderteam. Wir hatten beide die gleiche Größe, Statur, lange, blonde Haare | |
– wir sollten zu diesen absoluten „Guten“ gehören, ständig lächelnde, | |
fröhliche, überzeichnete Sunnyboys sein. Es hat zum Glück nicht | |
funktioniert: Das Publikum hat gemerkt, was das für ein Mist war, und hat | |
uns überhaupt nicht angenommen – in unserem Job ein Albtraum. Solche | |
eindimensionalen Charaktere sind heute nicht mehr aktuell. Auch da müssen | |
wir durch, selbst wenn es schwer ist. | |
Sie touren durch Europa, Südamerika, Asien – reagieren die Zuschauer | |
regional unterschiedlich auf die Charaktere? | |
Generell sind die Fans außerhalb Nordamerikas noch ausgelassener. Es mag | |
abgebrüht klingen, aber ich weiß gar nicht mehr genau, in welchen Ländern | |
ich schon gewesen bin. Vom Flughafen geht es direkt ins Hotel, dann zur | |
Halle und wieder zurück. Meistens dann auch noch im Abstand von nur ein, | |
zwei Tagen, wenn überhaupt. Oft wünscht man sich in dem Fall schon, mehr | |
Zeit zu haben, um sich umschauen zu können. | |
Also eine Selbstverwirklichung mit Abstrichen? | |
Die meisten von uns haben früher mit Actionfiguren ihrer Idole gespielt | |
oder sie im Fernsehen bewundert. Jahre später steht man dann plötzlich mit | |
einigen von ihnen, die immer noch aktiv sind, selbst im Ring, macht große | |
Augen und denkt sich: Das ist einfach surreal. Wir Wrestler bleiben in | |
gewisser Weise ein Leben lang kleine Kinder. | |
6 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
David Digili | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mickey Rourke in "The Wrestler": Die Muskeln sind müde | |
Ring frei für Mickey Rourke: "The Wrestler" von Darren Aronofsky verschafft | |
dem von plastischer Chirurgie und Karriereknicks versehrten Schauspieler | |
ein tolles Comeback. | |
Wrestling: Die Sache mit den Steroiden | |
Mickey Rourkes Wrestler ist alles andere als ein sauberer Sportler. Dennoch | |
taugt er zum Werbeträger für die Sportart Catchen. | |
Wrestling-Tour in Berlin: Wie auf Kaffeefahrt | |
Auch in Berlin erfreut sich die World Wrestling Entertainment Tour einer | |
großen Fangemeinde. Die Protagonisten erweisen sich als gewiefte Verkäufer | |
und lassen es ordentlich krachen. |