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# taz.de -- Wrestling-Tour in Berlin: Wie auf Kaffeefahrt
> Auch in Berlin erfreut sich die World Wrestling Entertainment Tour einer
> großen Fangemeinde. Die Protagonisten erweisen sich als gewiefte
> Verkäufer und lassen es ordentlich krachen.
Bild: Wrestling: Shows mit Testosteron-Spiegeln, der jede Hallendecke bei weite…
Früher nannte man es "Catchen", diesen Mix aus Kampf, Show und Komik, und
man dachte dabei möglicherweise an üble Hafenspelunken oder an
zirkusähnliche Wettkampfstätten, in denen angetäuschte Tritte und Schläge
als echt verkauft wurden. Früher.
"Die Professional Wrestling Veranstaltungen der WWE bieten den Fans die
weltbesten Wrestling-Superstars. Die Live-Events der Sonderklasse zeichnen
sich durch einen genialen, spannungsgeladenen Mix aus Action und perfekter
Show aus", heißt es in der Ankündigung des Veranstalters zur Wrestling-Show
am Samstagabend in der Arena am Ostbahnhof. So ungelenk der Satzbau auch
sein mag - im Kern trifft die Aussage zu, fasziniert Wrestling in den USA
doch Millionen Zuschauer, mit Einschaltquoten, von denen manche
Samstagabendshow hierzulande träumt. Die Veranstaltungen sind stets ein
pyro- und showtechnisches Spektakel, mit fast Soap-ähnlichen Drehbüchern -
und einem Testosteronspiegel, der über die Hallendecke hinausreicht.
World Wrestling Entertainment, kurz WWE, ist der größte und bekannteste
Darbieter der modernen Fleischbeschau. Hier wurden heutige
Mainstream-Bekanntheiten wie Hulk Hogan oder Dwayne "The Rock" Johnson zu
Größen. Man befindet sich unaufhörlich auf Reisen, gibt Gastspiele quer
durch die USA - und geht regelmäßig auf Tour in die große, weite Welt. Auch
in Deutschland erfreut man sich einer beachtlichen Fangemeinde, die die
neue Multifunktionshalle in Kreuzberg-Friedrichshain füllt. Und dafür auch
gerne in die Tasche greift und 85 Euro für einen Platz bezahlt.
Hat man sich erst einmal in den Sitzen niedergelassen, werden die
Gehörgänge in der Wartezeit mit eher deplatzierten Popschnulzen aus dem
halleneigenen Musikarchiv berieselt, welches nicht gerade den Geschmack der
Zuschauer trifft. Auch die Werbung für die nächste "Night of the Proms" mag
hier keinen großen Zuspruch finden.
Dem Publikum nämlich sieht man - wie bei so manchem Sport - an, für welche
Art der körperlichen Ertüchtigung das Herz denn schlägt. Vierzigjährige, in
Leder gekleidete Biker, pubertäre Fans mit passendem T-Shirt des Wrestlers
ihres Vertrauens, eventuell garniert mit einem Plastik-"Championgürtel",
wahlweise um den mächtigen Bauch gespannt oder über die schmale Schulter
gehängt - es wirkt ein wenig wie eine Ansammlung ewiger Halbstarker.
Hier können sie ihre Wunschvorstellungen ausleben, sich fühlen wie die
Wrestler selbst. Der Darsteller, der in Anlehnung an seine indische
Herkunft den Künstlernamen "The Great Khali" trägt, ein 2,20 Meter großer,
200 Kilogramm schwerer ehemaliger Bodybuilder, wird stets beäugt wie eine
Zirkusattraktion, mit offenen Mündern im Publikum - und frenetisch
bejubelt. Schlimmer trifft es da den russischen Star Vladimir Kozlov,
dessen Gegner von einem Fan mit "Mach den Russen fertig" angefeuert wird.
Wie gut, dass er den wenig freundlichen Ruf nicht vernommen beziehungsweise
verstanden haben mag.
Die Protagonisten verstehen es, das Publikum mit einzubeziehen. Vom Jubel,
zu dem der gute Superstar nach seinem Sieg animiert, über Buhrufe für den
bösen Kontrahenten bis hin zum "billigen" Applaus, wenn der Ringsprecher
"Berlin" erwähnt - man fiebert mit, klatscht, schreit, hält selbstgemalte
Plakate hoch. Einen kleinen Moment lang wähnt man sich fast auf einer
Kaffeefahrt. Doch selbst in diesem Augenblick, als vehement wie
eindringlich für die zu teuer angebotenen T-Shirts und Programmhefte an den
Fanartikelständen geworben wird, jubeln die offensichtlich dankbaren
Zuschauer.
Zwar kommt ein wenig Enttäuschung auf, als klar wird, dass der
"Undertaker", ein altgedienter und überaus beliebter Wrestler mit
imposantem Aufzug und mit Totengräber-Gimmick, nicht dabei ist. Allein
dessen Einzug zum Ring wird stets wie ein übernatürliches Phänomen
inszeniert. Doch schon im Kampf der "Divas", der spärlich bekleideten
Damen, konnten sich die männlichen Fans ausleben. "Ausziehen" gehörte da
noch zu den zurückhaltenderen Rufen. Ein Festival für Halbstarke eben.
17 Nov 2008
## AUTOREN
David Digili
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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