# taz.de -- Frauenhäuser: Frauenfeind Föderalismus | |
> Frauenhäuser fordern vom Bund eine einheitliche Finanzierung. Während in | |
> Bremen pro Kopf gezahlt wird, bekommen Hamburger Einrichtungen | |
> Pauschalsätze. Kritiker finden die Regelungen ungerecht. | |
Bild: Frauenhaus in Hamburg: Eine gute Atmosphäre ist wichtiger, als sofort Fi… | |
Der Schritt in ein Frauenhaus ist nur selten von langer Hand geplant. Oft | |
entscheiden sich Frauen, die von ihren Männern geschlagen und von der | |
eigenen Familie terrorisiert werden, ganz spontan, dorthin zu fliehen. | |
Deutschlandweit sind es jährlich tausende Mädchen, Mütter und Ehefrauen, | |
die von einer Sekunde auf die nächste ihr Zuhause verlassen, um in einem | |
Frauenhaus unterzukommen. Wer denkt in in einem solchen Moment schon an die | |
Finanzierung dieses Aufenthaltes? | |
Im Stadtstaat Bremen etwa müsste die Betroffene theoretisch schon im voraus | |
klären, ob die Kosten übernommen werden und einen Antrag an die Arge | |
stellen. In der Praxis aber beantragen die Mitarbeiterinnen der | |
Frauenhäuser gemeinsam mit den Frauen vor Ort das Geld. In Bremen gilt die | |
Tagessatzfinanzierung, die ähnlich wie in Altersheimen nur den | |
Pro-Kopf-Aufwand, nicht aber das gesamte Frauenhaus unterstützt. | |
Weniger umständlich ist es in Hamburg. "Im Bundesdurchschnitt sind wir noch | |
ganz gut finanziert", sagt Angelika Damm von den Hamburger Autonomen | |
Frauenhäusern. Dort gebe es eine Pauschalfinanzierung, die den | |
schutzsuchenden Frauen und Kindern einen kostenfreien Zugang zusichert. Um | |
die Bezuschussung zu reformieren und einheitlicher zu gestalten, hatten | |
sich autonome Frauenhäuser und verschiedene Verbände im Herbst 2008 | |
gemeinsam bei einer Anhörung vor dem Bundestag für eine Bundesfinanzierung | |
ausgesprochen. | |
Doch es hat sich an der verworrenen Situation nichts verändert. Angeblich | |
sei das Ländersache, sagt Damm spöttisch. Es übersteige aber schon deshalb | |
die Kompetenzen der Länder, weil die verängstigten Frauen oftmals so weit | |
wie möglich von ihrem Heimatort entfernt einen Unterschlupf suchen. | |
Pünktlich zum Internationalen Frauentag rufen die Frauenhäuser den Bund | |
deshalb erneut zu einer einheitlichen und unbürokratischen Regelung auf. | |
Besonders die in Bremen und vielen anderen Bundesländern praktizierte | |
Tagessatzfinanzierung steht dabei im Visier der KritikerInnen. | |
Obwohl Frauenhäuser bei der Antragstellung behilflich sind, tun sich viele | |
Betroffene schwer mit den Formalien. "Für einen Finanzierungsantrag | |
brauchen wir möglichst viele Informationen von der Frau, das ist oft sehr | |
schwierig", sagt die Mitarbeiterin eines Bremer Frauenhauses. Viel zu | |
bürokratisch sei diese Vorgehensweise. Lieber stelle man bei der Ankunft | |
die Frau selbst und ihre Geschichte in den Mittelpunkt. Für die Hilfe | |
suchenden Frauen eine angenehme Atmosphäre zu schaffen sei schließlich | |
wichtiger, als sofort finanzielle Fragen zu klären. | |
Renate Kullmeyer (Name geändert) aus Hamburg ist heute dankbar dafür, dass | |
ihr vor zwei Jahren nicht als erstes ein Antrag unter die Nase gehalten | |
wurde, als sie panisch in das nächste Frauenhaus geflüchtet war. Die | |
60-Jährige wurde von ihrem Mann jahrzehntelang eingesperrt und | |
terrorisiert. Nur selten durfte sie einkaufen gehen, eines der Kinder | |
musste immer mit dabei sein. "Er hat mich nie alleine gelassen", sagt sie | |
mit brüchiger Stimme. | |
Nicht einmal ihre Mutter und ihre Geschwister durfte Kullmeyer besuchen. Am | |
Morgen der Flucht drohte ihr Mann, sie und sich selbst umzubringen. "Da | |
habe ich meine Schuhe gegriffen und bin losgelaufen", erzählt die Frau mit | |
dem schlohweißen Haar. An die Möglichkeit, in ein Frauenhaus zu gehen, | |
dachte sie damals nicht. "Ich wusste ja nicht einmal, dass es so etwas | |
gibt", sagt sie. | |
Zwei Tage verbrachte sie in einem Obdachlosenheim, dann erst suchte sie | |
eines der sechs Hamburger Frauenhäuser auf - ohne Geld und Papiere. "Ich | |
bin sehr lieb aufgenommen worden", sagt Kullmeyer. Neun Monate habe sie | |
dort gelebt und sich mithilfe der Mitarbeiter auf ein ganz neues Leben | |
vorbereitet. Anträge, Behördengänge, Gespräche - ohne diese Einrichtung | |
hätte die Frau, die früh geheiratet und nie gearbeitet hat, diesen | |
Neuanfang nicht geschafft. "Das war meine Rettung", sagt sie. | |
Rund 1.600 Betroffene im Jahr suchen die Hamburger Frauenhäuser auf. Vor | |
allem 20- bis 40-jährige Frauen bitten dort um Hilfe, nur selten sind sie | |
im Alter von Kullmeyer. Frauen aus anderen Bundesländern würden nicht | |
abgewiesen, sagt Angelika Damm. Oft komme es vor, dass aus Platzmangel | |
Frauen in andere Bundesländer verlegt werden, nach Schleswig-Holstein oder | |
Niedersachsen. "Die Finanzierung kann man nicht einfach den Kommunen | |
anhängen", sagt Damm. Schließlich sei der Schutz von Frauen vor Gewalt ein | |
Bundesprojekt. | |
6 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Uta Gensichen | |
Uta Gensichen | |
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Frauenhäuser | |
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