# taz.de -- Zehn Jahre Kosovokrieg: Ein Sieg für den Moment | |
> Konsequenz des Krieges: Vor allem in den europäischen Nato-Staaten ist | |
> die Überzeugung geschwunden, politische Konflikte ließen sich dauerhaft | |
> mit militärischen Mitteln lösen. Eine Bilanz. | |
Bild: April 1999: Was, wie die Bombardierung von Belgrad, aussah wie ein Krieg,… | |
"Angriff und Verteidigung sind Siegerdefinitionen", schrieben die | |
Friedensforscher Dieter Lutz und Reinhard Mutz im März 2001 in einem | |
Rückblick auf den Krieg gegen Jugoslawien. Sie hätten das seinerzeit auch | |
im Hinblick auf die Entwicklung der Nato insgesamt sagen können. In einer | |
neuen Doktrin der Allianz wurde 1999 die Definition legitimer | |
Sicherheitsinteressen so weit gefasst, dass selbst die napoleonischen | |
Feldzüge unter diesen Schirm gepasst hätten. | |
Offiziell ist diese Strategie der Nato in den vergangenen zehn Jahren | |
zementiert worden. Dennoch hat sich seither Entscheidendes verändert: Die | |
Überzeugung, politische Konflikte ließen sich dauerhaft mit militärischen | |
Mitteln lösen, schwindet vor allem in europäischen Mitgliedstaaten der | |
Nato. Nicht nur, weil niemand weiß, wie der Krieg in Afghanistan beendet | |
werden kann. Sondern vor allem, weil die letzten Jahre gezeigt haben, dass | |
die Interessen starker Mächte wie Russland und China auch nach dem Ende der | |
bipolaren Welt berücksichtigt werden müssen. Ob diese Erkenntnis | |
rechtzeitig kommt, bleibt abzuwarten. Die Beziehungen zu Russland haben | |
sich so verschlechtert, dass gelegentlich von einem neuen "Kalten Krieg" | |
gesprochen wird. | |
1999 fühlte sich der Westen noch als klarer Sieger des Wettstreits der | |
Systeme. Die Sicherheit des Bündnisses müsse "auch den globalen Kontext | |
berücksichtigen", hieß es damals im neuen strategischen Konzept. Und das | |
bedeutete: "Risiken umfassenderer Natur" wie Terrorismus, größere | |
Flüchtlingsbewegungen, aber auch "eine Unterbrechung der Zufuhr | |
lebenswichtiger Ressourcen" rechtfertigen der Doktrin zufolge den Einsatz | |
militärischer Gewalt. Außerhalb des Bündnisgebietes und notfalls ohne | |
UN-Mandat. Dieser Definition nach ist jeder Krieg um Öl legitim. Auch auf | |
dem Balkan ging es damals zumindest am Rande um Energieversorgung. | |
Wie leicht eine Krise die Energieversorgung gefährden kann, zeigte sich | |
2008 bei der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Russland und Georgien. | |
Damals wurden Ziele nahe der geostrategisch wichtigen Pipeline beschossen, | |
die Öl über eine Strecke von fast 1.800 Kilometer vom Kaspischen Meer bis | |
an die türkische Mittelmeerküste pumpt. Hat noch jemand Fragen hinsichtlich | |
des Wunsches der USA, Georgien und die Ukraine möglichst rasch in die Nato | |
aufzunehmen? | |
Der Krieg um den Kosovo war für die Allianz in mehrfacher Hinsicht eine | |
Generalprobe. Würde die Öffentlichkeit der kriegsbeteiligten Länder einen | |
Angriff ohne UN-Mandat akzeptieren? Ließen sich Kriegsziele fast ohne | |
eigene Verluste erreichen? Würde eine Informationspolitik akzeptiert | |
werden, die teils auf Halbwahrheiten, teils auf Lügen basierte? Die Antwort | |
auf alle drei Fragen lautet: Ja. Und dennoch sind die Lehren des Krieges | |
für Nato-Strategen wenig erfreulich. | |
Der Kosovokonflikt berührte europäische Interessen in stärkerem Maße als | |
US-amerikanische. Ohne die Federführung der USA aber hätte Europa den Krieg | |
nicht führen können. Weder die materiellen Ressourcen noch die moralische | |
Unterstützung der europäischen Öffentlichkeit reichten dafür aus. | |
In den letzten zehn Jahren haben die USA immer wieder nachdrücklich eine | |
deutliche Erhöhung der Rüstungsausgaben der europäischen Verbündeten | |
gefordert. Diese - innenpolitisch in Europa nicht durchsetzbaren - | |
Forderungen blieben jedoch ebenso erfolglos wie die bisherigen Bemühungen | |
um eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik, die einerseits die USA | |
entlastet, andererseits aber auch eine größere Unabhängigkeit Europas | |
bedeutet hätte. | |
In Washington wuchs infolge dessen die Skepsis gegenüber der Nato. Die | |
Offensive der USA im Irak stützte sich nicht mehr auf die Allianz, sondern | |
auf eine diffuse "Koalition der Willigen", die allerdings weder in | |
politischer noch in militärischer Hinsicht als Alternative zur Nato hätte | |
überzeugen können. Die verfügbaren Ressourcen der "Willigen" hatten meist | |
nur symbolischen Wert. | |
Der Krieg gegen Jugoslawien hat die Nato nicht gestärkt, sondern ihre | |
Schwächen offenbart. Zwar sind Nato-Soldaten weltweit im Einsatz, eine | |
Stabilisierung von Krisenregionen aber gelingt ihnen nicht. Europa ist sich | |
der eigenen Ohnmacht bewusst geworden, hat aber keine Lösungen entwickelt. | |
Und das Misstrauen eines großen Teils der restlichen Welt gegen die Nato | |
ist gewachsen. | |
23 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
## TAGS | |
Kosovo | |
Kosovokrieg | |
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