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# taz.de -- Bloggerkonferenz re:publica: iPhonestreiche auf großer Bühne
> Was Stefan Niggemeier an der Blogosphäre stört und Freitag-Chefredakteur
> Augstein Blogs "irrelevant" nennt: Erste Eindrücke von der
> Bloggerkonferenz re:publica.
Bild: Nicht ohne mein Laptop: Teilnehmer auf der re:publica in Berlin.
Ganz schön fett geworden, die [1][re:publica]. Vor einem Jahr noch ein
kleines, gemütliches Szenetreffen, füllt sie in diesem Jahr die Berliner
Revuetantenlocation Friedrichstadtpalast. Große, stylische Klotzwürfel mit
dem re:publica-Logo stehen auf der Bühne, ein beleuchtetes Rednerpult -
sieht fast aus wie diese fetten Web-Konferenzen, wo die internationale
Creme des Netzes Vorträge hält, die man sich nachher im Netz anschaut.
Obwohl, Moment - eigentlich ist das ja auch so: In den nächsten drei Tagen
wird Creativ Commons-Guru Lawrence Lessig vorbeischauen, Wikipedia-Gründer
Jimmy Wales, boingboing-Blogger Cory Doctorow und Obamas Online-Beraterin
Mary C. Joyce.
In Seriösität erstarrt ist die re:publica glücklicherweise noch nicht. Die
Organisatoren Johnny Häusler, Markus Beckedahl und ihre Mitstreiter tragen
noch immer Turnschuhe, Baggypants und Trekkingkleidung - und werfen
höchstens dann mal ein Jackett über, wenn sie auf einem Panel sitzen.
Witzeln auf der Bühne flapsig darüber herum, dass sie schon zum Start der
Konferenz eine gepflegte Verspätung eingefahren haben. Und machen damit
klar, dass die re:publica dieses Jahr zwar größer geworden ist, sich am
lockeren Per-Du-Bloggerton aber nichts geändert hat.
"Es ist meine erste Präsentation, die ich mit meinem iPhone steuere. Keine
Ahnung was passiert, wenn mich jemand anruft", sagt Häusler zur Einführung
in seine Keynote-Speech. Gelächter aus dem Publikum, das sich mit dem
fahlen Licht von Smartphones, Subnotebooks und Macbooks selbst beleuchtet.
Zwei Minuten später probiert jemand, Häusler anzurufen. "Danke, Matthias",
lacht der. "Jetzt weiß ich wenigstens, dass es der Präsentation nichts
ausmacht." Und fährt fort, darüber nachzudenken, wie er im Netz alt werden
wird, was passieren wird, wenn es nicht mehr Arbeit für alle geben wird,
wie das Netz unser Leben verändern wird. Im Publikum sitzen viele bekannte
Gesichter der Blogosphäre: Sascha Lobos Iro winkt aus den Reihen, Stefan
Niggemeier quetscht sich durch die Reihen.
Dies hier könnte eines der am Besten dokumentierten Ereignisse in Berlin in
diesen Minuten sein, angesichts all der aufgeklappten Rechner, Kameras und
über die Tastatur flitzenden Finger. Ist es aber nicht. Denn das Wlan
funktioniert noch nicht.
Blogforscher John Kelly tritt gejetlaggt ans Rednerpult. Falls er
einschlafe, solle das Publikum Dinge nach ihm werfen, sagt er. Und
referiert dann darüber, wie absurd die ewige Konkurrenz-Diskussion zwischen
Bloggern und klassischen Medien sei. Denn in den USA wie in Deutschland
würden seine Analysen zeigen, dass Blogger ganz massiv auf Inhalte aus
klassischen Medien verlinken würden.
Eine Steilvorlage für Stefan Niggemeier, der zusammen mit vier
Bloggerkollegen mal wieder den Status Quo der deutschen Blogosphäre
erörtern soll. "Wenn man sich die deutsche Blogosphäre anschaut, bin ich
erschüttert, wie wenig eigenen Content die Leute dort produzieren." Statt
dessen würde vor allem viel auf anderen Content verlinkt - was Niggemeier
angesichts der vielen Möglichkeiten eines Blogs "erschütternd" findet. Auch
"Basic Thinking"-Versteigerblogger Robert Basic hat was zu meckern: Er
ärgert sich darüber, dass in der deutschen Blogosphäre jeder Newcomer erst
einmal niedergemacht wird. Und Technikblogger Sascha Pallenberg wundert
sich, warum deutsche Blogger so lange nachdenken, bevor sie tatsächlich
aktiv werden und Dinge ausprobieren. Und erntet dafür aus dem Publikum
selbstkritischen Applaus.
Und doch feiert die Blogosphäre auch in diesem Panel ihre Erfolge.
Veranstalter und netzpolitik.org-Macher Markus Beckedahl etwa, der sich
erfolgreich gegen die Deutsche Bahn zur Wehr setzte, als die ihm die
Veröffentlichung eines internen Dokuments verbieten wollte. Basic,
Niggemeier und Pallenberg, die klar machen, dass man natürlich vom Bloggen
leben kann.
Beim Medienzukunftspanel beharken sich "Freitag"-Chefredakteur Jakob
Augstein und Peter Hogenkamp vom Blogwerk über die Relevanz von Blogs. Das
Netz sei noch total irrelevant, provozierte Augstein drauflos. Noch seien
es nicht Blogs, sondern die klassischen Journalisten, die durch
investigativen Journalismus Politik und Wirtschaft kontrollieren,
Entscheidungsträger beeinflussen. "Was Prantl sagt, ist relevant. Was Don
Alfonso sagt, nicht." Und schon startet wütendes Gemurmel im Twitterfeed
los, der inzwischen über die Köpfe der Diskutierenden an die Wand
projeziert wird. Augstein beschwichtigt: "Das Netz muss schneller erwachsen
werden, weil Print so schnell runtergeht."
Sein Podiumsnachbar Helmut Lehnert, früher bei den Berliner Sendern Radio
Eins und Radio Fritz aktiv, nölt ein bisschen darüber, dass Informationen
so schnell rausgehauen werden, dass keiner Zeit hat, darüber nachzudenken,
was sie bedeuten. Und fühlt sich ungerecht behandelt, weil ihm fies in den
Rücken getwittert wurde - tatsächlich können die Podiumssitzer wie schon
auf der letzten re:publica nicht sehen, was über sie geschrieben wird - und
wundern sich über Giggelausbrüche aus dem Publikum, wenn jemand mal wieder
eine gute Pointe gelandet hat. Aber das wird er so aushalten müssen. Denn
so ist es halt, das Web 2.0.
Jonny Häusler zappelt derweil ein bisschen nervös rum. Und der halbe Saal
mit ihm. Denn das Wlan funktioniert noch immer nicht einwandfrei. Und darum
tut Häusler das, was jeder gute Blogger und Sozialnetzwerker tun sollte: Er
appelliert ans Publikum, sich einfach an der Diskussion zu beteiligen,
statt nachher rumzunörgeln wie doof es war. Und das klappt sogar!
1 Apr 2009
## LINKS
[1] http://www.re-publica.de/
## AUTOREN
Meike Laaff
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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