# taz.de -- Kümmerliche Proteste gegen G-20 und Nato: Bewegung am Boden | |
> Die erhoffte große Protestwelle beim G-20-Gipfel in London und beim | |
> Nato-Gipfel am Rhein blieb aus. "Ernüchternd" falle die Bilanz aus, heißt | |
> es bei Attac. Was waren die Gründe? | |
Bild: Nicht niemand, aber keine Massenbewegung: Demonstrationen gegen das Nato-… | |
Mindestens 40.000 sollten am 28. März in Berlin und Frankfurt am Main auf | |
die Straße gehen, um Druck auf den G-20-Weltfinanzgipfel in London | |
auszuüben. Es kamen - wenn überhaupt - 30.000. In London selbst lag die | |
Zahl während des Gipfels sogar gerade mal bei einem Fünftel dessen. Und was | |
vom Nato-Jubiläumsgipfel im öffentlichen Bewusstsein hängen bleibt, sind | |
allenfalls versprengte Protestierer in Baden-Baden und brennende Häuser im | |
Straßburger Armenviertel. Dass es auch friedliche Demonstrationen mit etwa | |
16.000 TeilnehmerInnen gegeben hat, täuschte nicht darüber hinweg, dass | |
auch die Friedensaktivisten ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen | |
konnten. "Von einem überschaubaren Kreis", sprach Mitorganisator Monty | |
Schädel, als zur Kundgebung am Freitag in Baden-Baden statt der erwarteten | |
"mindestens 5.000" gerade mal 600 erschienen. | |
Nato-Gipfel, G 20 und die großen Krisendemonstrationen: Es sollte die Woche | |
der Proteste werden. Die Globalisierungskritiker von Attac wollten sich mit | |
der Friedensbewegung zusammenschließen, radikale Antikapitalisten mit den | |
Gewerkschaften. Umweltverbände wollten ebenso dabei sein wie die zum Teil | |
kirchlich orientierten entwicklungspolitischen Initiativen. Vor allem | |
hatten sich die Aktivisten erhofft, dass in Krisenzeiten endlich auch die | |
Menschen auf die Straße gehen würden, die sonst nicht so häufig anzutreffen | |
sind: "Menschen aus der Mitte der Gesellschaft", wie es der linke | |
Politologe Peter Grottian nennt. Doch die Erwartungen der Aktivisten wurden | |
nicht erfüllt. "Ernüchternd" sei die Woche gewesen, sagt Peter Wahl von | |
Attac. Von einem "sehr, sehr bescheidenen Erfolg", spricht auch Grottian. | |
Nun wird nach den Gründen gesucht. Dass die Dramatik der Krise für viele | |
Leute nach wie vor nicht spürbar ist, sei ein wesentlicher Grund, sagte | |
Wahl. Zugleich sei es ein Fehler gewesen, zu so vielen Anlässen | |
gleichzeitig zu mobilisieren. "Die Bewegungen haben sich selbst | |
überschätzt", sagt der Attac-Vordenker und findet es umso wichtiger, "ein | |
gutes Gespür dafür zu entwickeln, wie mobilisierungsfähig die Menschen | |
tatsächlich sind". Bewegungen könne man nicht erzwingen, so Wahl. | |
Werner Rätz vom linken Attac-Flügel hingegen beteuert, dass er von | |
vornherein nicht mit "Massendemos" gerechnet habe. Beim Protest am 28. März | |
sei es vor allem darum gegangen, die unterschiedlichen Aktivisten zunächst | |
zusammenzubringen. Dies sei auf den Demos am 28. März durchaus gelungen. | |
Einig sind sich Rätz, Wahl und Grottian darin, dass es ein "Auftakt" | |
gewesen sei. Bei den bereits vorgesehenen Protesten im Mai könnte die | |
Stimmung bereits eine andere sein. | |
Der Bewegungsforscher Roland Roth von der Universität Magdeburg ist da | |
skeptisch. Er spricht gar von einem "generellen Abgesang der | |
Mobilisierungsfähigkeit in Deutschland". Hierzulande gebe es in den | |
Betrieben eine lange Tradition der Sozialpartnerschaft. Die derzeitige | |
Krise zeige, dass Belegschaften und Unternehmer in schlechten Zeiten enger | |
zusammenrücken. "Man kann hier lange warten, bis Manager in Geiselhaft | |
genommen werden wie in Frankreich", so Roth. Und auch Dauerthemen wie die | |
Nato würden nach Ansicht des Politikwissenschaftlers nur dann viele | |
Menschen auf die Straße bringen, wenn eine unmittelbare Bedrohung anstehe. | |
"Ein Jubiläumsgipfel, an dem nicht mal vorher klar ist, was auf der | |
Tagesordnung steht, mobilisiert gerade einmal den harten Kern." | |
6 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
Rechtsextremismus | |
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