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# taz.de -- "Dorfpunks": Lütjenburg is burning
> Die Verfilmung von Rocko Schamonis Roman "Dorfpunks" setzt auf
> Laienschauspieler. Die Hauptrolle spielt der 19-jährige Cecil von Renner.
> Sein Job ist es, mit positiver Ausstrahlung die Verweigerung zu
> verweigern.
Bild: Punk-Idylle in Schleswig-Holstein: Roddy alias Cecil von Renner bei einer…
Schleswig-Holstein ist schön. Das Meer so ruhig. Die Strände voller Sand
und menschenleer. Die Felder sanft geschwungen. Die Bäume alt und knorrig.
Die Häuser mit Fachwerk und die Nachbarn so tolerant, dass die Bandprobe im
Dachstuhl stattfinden kann. Schleswig-Holstein ist ein Idylle für alle.
Hier bin ich Punk, hier kann ichs sein.
Der Film "Dorfpunks", der heute in den Kinos anläuft, erzählt von einer
Gruppe jugendlicher Punks Anfang der 1980er Jahre, die in der Kleinstadt
Lütjenburg an der Ostseeküste erwachsen werden. Sie prügeln sich, saufen,
gründen eine Band, haben verunglückten Sex, benehmen sich bei Privat-Partys
daneben und fackeln Strandkörbe ab. Der Film ist ein Heimatfilm, der die
Idylle kombiniert mit dem Leck-Mich der Punk-Ästhetik.
"Dorfpunks" basiert auf Rocko Schamonis gleichnamigen Roman. Das Buch ist
autobiografisch und ist kein lustiges Buch, hat aber ab und zu lustige
Passagen. Verfilmt hat es nun Regisseur Lars Jessen, 40, der mit "Der Tag
als Bobby Ewing starb" schon einmal einen Film über ein alternatives Milieu
der 1980er Jahre gemacht hat.
Jessen hat entschieden, in seinem Film das "Leidenschaftliche,
Hedonistische und Lustige am Punk" zu zeigen. Punk ist hier nicht Ausdruck
eines Problems, sondern Ausdruck der Freude an der Freiheit. Der Film hat
das Buch nur als Inspiration genommen und nicht als Vorlage im engeren
Sinn.
Die Hauptrolle spielt der 19-jährige Cecil von Renner, der allerdings nicht
als Rocko-Schamoni-Darsteller fungieren soll. "Es geht nicht um die
Verfilmung von Rockos Leben", sagt von Renner. Dafür geht es um das
Jungsein in 80er Jahren als Punk auf dem Land, um die Suche nach Freiheit
mit dem Mittel des Punk.
Regisseur Jessen wollte, dass die Dorfpunks von Jugendlichen dargestellt
werden, die, abgesehen von den Punk-Klamotten, sie selbst sind vor der
Kamera. Das Casting wurde zum zentralen Aspekt des Films. Jessen wollte
"unverbrauchte, frische Leute aus der Region" und lud in mehreren Städten
über Radiosender zum Casting ein. Er suchte Darsteller, keine Schauspieler.
Für von Renner entschied sich Jessen sofort. Er wollte einen positiven
Punk-Film drehen und von Renner hat eine bemerkenswert positive
Ausstrahlung. Von Renner ist nicht nur jemand, der gern und viel lacht,
sein Lachen ist auch außergewöhnlich einnehmend. Im Film spielt er den
jungen Töpfer Roddy. Der ist äußerst zuversichtlich, offen und charmant -
vor allem durch sein Lachen.
Mit Punk hat der reale von Renner nichts zu tun. Er mag elektronische
Musik, hat sich die Haare wieder abschneiden lassen und trägt eine
Röhren-Jeans zum Zitronengelben Hemd. So sitzt er im Garten vor der
elterlichen Villa am Rand von Hamburg und hat noch ein gutes Jahr vor sich,
ehe er auf der Waldorf-Schule in Hamburg-Harburg Abitur machen wird. Neben
der Haustür hängt ein "Dorfpunks"-Filmplakat und seine Mutter sagt, dass
Cecils positive Ausstrahlung eindeutig mit der Waldorfpädagogik zu tun
habe.
Cecil von Renner sagt, im Unterschied zu den Verhältnissen bei den
Dorfpunks im Film gebe es heutzutage viele junggebliebene Eltern, gegen die
man sich nicht zu wehren brauche. Auch gebe es heute unter den Jugendlichen
keine Gruppierung mehr, von der man sagen könnte, dass sie sich gegen etwas
wehrt. Sie hätten da eine Diskussion mit Rocko Schamoni gehabt, darüber,
dass die Jugend sich heutzutage nicht mehr wehrt. "Das stimmt auch", sagt
Cecil von Renner. "Jeder sitzt so für sich rum. Das verläuft sich alles,
auch durch die Kommunikation über das Internet." Stimmt also das alte
Trauerlied von der unpolitischen Jugend? "Es ist gut, wenn sich Jugendliche
für Politik interessieren", sagt von Renner. "Aber wenn sie es nicht tun,
ist da nichts schlechtes daran."
Was von Renner sich vorstellen kann, ist der Freiheitsdrang der Dorfpunks,
ihr Suchen, ihre Lust, sich auszuprobieren. Was er sich nicht vorstellen
kann, das ist das Gefühl, in der Provinz zu leben und abgeschnitten zu sein
von den Orten, an denen was geht. "Man nimmt immer Teil an allem, seit es
das Internet gibt", sagt von Renner. Statt des Drangs, aufzubrechen, gibt
es den Eindruck unbegrenzt vieler möglicher Lebensentwürfe. Welchen von
Renner probieren will, weiß er noch nicht. Was Kreatives. Schauspielerei
könnte es werden, sicher sei er sich aber noch nicht.
Den Satz, der für von Renner das Punk-Verständnis der Dorfpunks auf den
Punkt bringt, stammt im Film von Band-Kollege Sid und lautet: "Punk ist die
Philosophie der Verweigerung. Deswegen kann Punk nur Punk sein, wenn er
kein Punk ist. Wenn der Punk den Punk verweigert, ist er der vollendete
Punk und deswegen werden wir auch keine Platte machen."
Die Band im Film heißt "Fuck Off Tomorrow", eine Losung, die konträr steht
zum sonnigen Wesen von Renners. Aber die Idee dieser Punks soll ja sein,
die Verweigerung zu verweigern. Von Renner hat dafür sein Strahlen. Das
Kino dürfte ihn gefunden haben.
22 Apr 2009
## AUTOREN
Klaus Irler
Klaus Irler
## TAGS
SPD Schleswig-Holstein
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