| # taz.de -- Ausstellung über Titos Architekten: Stein gewordene Träume | |
| > Eine Ausstellung in Wien widmet sich den Baukunstwerken des exilierten | |
| > jugoslawischen Urbanisten, Schriftstellers und Lokalpolitikers Bogdan | |
| > Bogdanovic. | |
| Bild: Der ehemalige Bürgermeister von Belgrad war immer ein schlechter Kommuni… | |
| Für jugoslawische Parteifunktionäre war der Architekt, Surrealist, | |
| Professor für Urbanologie, Schriftsteller und ehemalige Bürgermeister von | |
| Belgrad Bogdan Bogdanovic' ein verdächtiger und romantischer Freak, ein | |
| kulturpessimistischer und technikfeindlicher Mythologe. Serbischen | |
| Nationalisten galt er als Verräter des Vaterlands und kroatischen Patrioten | |
| als Vertreter serbischer Großmachtambitionen. | |
| Doch Bogdanovic, der zwischen 1951 und 1981 über 20 Denkmäler für ermordete | |
| Partisanen und Zivilisten im Zweiten Weltkrieg konzipierte und erbauen | |
| ließ, war und ist Kosmopolit und bis heute konsequenter Gegner jeden | |
| Nationalismus und jeder Form von Zivilisations- und damit Stadtfeindschaft. | |
| "Ich war immer ein schlechter Kommunist", sagt der heute 87-Jährige in | |
| seiner Wohnung in Wien. "Aber im Gegensatz zu vielen meiner jugoslawischen | |
| Kritiker, bin ich bis heute ein überzeugter Linker geblieben." | |
| Ausgerechnet zwischen dem Restaurant Balkan-Express und dem Belgradplatz im | |
| Wiener Bezirk Favoriten liegt Bogdanovics Wohnung. Zufall? "Ja, so wie | |
| vieles in meinem Leben", sagt er. "Ich bin auch nur zufällig | |
| Denkmalarchitekt geworden. In der Gründungszeit Jugoslawiens sah ich als | |
| junger Student ziemlich bald, dass ich keine Chance haben würde, Häuser zu | |
| bauen. Die jugoslawischen Stadtplaner hatten sich der funktionalistischen | |
| Moderne verschrieben und die fand ich abscheulich. Es gab nur zwei Sorten | |
| Fenster und alles war aus Beton. Dann gewann ich den Wettbewerb der | |
| jüdischen Gemeinde und baute das Denkmal für die jüdischen Opfer in | |
| Belgrad." | |
| Er begann, sich mit dem Judentum zu beschäftigen. "Als Atheist aus einer | |
| atheistischen Familie in einem atheistischen Staat war ich überwältigt, als | |
| ich die Vielschichtigkeit der religiösen Symbole entdeckte." Fortan fand er | |
| in den antiken Kosmologien der Pythagoräer, der mittelalterlichen Mystik | |
| der Bogumilen, aber auch in der Symbolik der Jakobiner einen geeigneten | |
| Fundus an Formen, mit denen er die Erinnerung an Leid und Tod aufbewahren | |
| und gleichzeitig transzendieren konnte. | |
| Sei es die Kenotaphe in Travnik, die Kultstätte in Kosovska Mitrovica, das | |
| Mausoleum in Trstenik oder die Partisanennekropole in Mostar, in allen | |
| seinen Denkmälern arrangierte Bogdanovic Symbole und Ornamente auf eine | |
| Weise, die eine Vereinnahmung der Erinnerung an Faschismus und Vernichtung | |
| durch ein wie auch immer geartetes Kollektiv verweigerte. Der sinnlosen | |
| Vernichtung im Nachhinein einen Sinn zu geben, lehnte er ab. "Mir war immer | |
| klar, dass jeder Versuch, das Grauen des Faschismus darzustellen, | |
| lächerlich, elend und nichtig sein würde und so bevorzugte ich eine | |
| metaphysische Lösung." | |
| Bogdanovics Denkmäler sind Stein gewordene surrealistische Träume, eine | |
| architektonische Übersetzung der Manifeste André Bretons oder der | |
| metaphysischen Bilder Giorgio de Chiricos. | |
| "Ich wollte eigentlich überhaupt keine Denkmäler bauen, da ich glaube, dass | |
| eine Gesellschaft ohne Denkmäler glücklicher ist. Deshalb sind meine | |
| Zeichnungen auch viel wichtiger," sagt Bogdanovic'. | |
| Seine architektonischen Ideen seien nämlich im Prozess des Zeichnens | |
| entstanden, der wiederum der surrealistischen Technik der écriture | |
| automatique verpflichtet war. Das Wiener Architekturzentrum, dem Bogdanovic | |
| sein Gesamtwerk von 12.500 Zeichnungen schenkte, widmet dem "Verdammten | |
| Baumeister", wie Bogdanovic' seine Autobiographie betitelte, nun erstmals | |
| eine Ausstellung. Und zu Recht werden die dort in schwebenden Kästen | |
| liegenden Zeichnungen nicht einfach nur als schmückendes Bei-, sondern als | |
| eigenständige Kunstwerke präsentiert. | |
| Seit 1993 lebt Bogdanovic' mit seiner Frau Ksenija in Wien. Allerdings | |
| nicht freiwillig. Nachdem er das "Lamento über Serbien", einen 60-seitigen | |
| Anklagebrief gegen Slobodan Milosevic' und die serbischen Nationalisten | |
| verfasst hatte, lebte er unter ständiger Bedrohung, die in einem offenen | |
| Mordaufruf in einer TV-Show gipfelte. | |
| In den 1990er Jahren wurde Bogdanovic einem deutschsprachigen Publikum | |
| durch Essays über die Zerstörung der jugoslawischen Städte bekannt. Es | |
| waren Überarbeitungen alter Texte, in denen er Ursprung und Metaphysik der | |
| Stadt untersuchte hatte und nun unter Titeln wie "Die Stadt und der Tod" | |
| oder "Architektur der Erinnerung" veröffentlichte. | |
| Vom rituellen Städtemord, der von der Eroberung Trojas bis zum Kampf der | |
| jugoslawischen Partisanen reichte, handelte sein gnostischer Urbanismus. | |
| Die Partisanen als Städtezerstörer? "Ich habe immer ein bisschen dick | |
| aufgetragen", lacht "BB". "Aber ich meinte damit den Umstand, dass durch | |
| den Sieg der Partisanen ländliche Bevölkerung in die Städte kam, die ihre | |
| mitgebrachte Blut- und Bodenideologie nie ablegten." | |
| Die Belagerung Sarajevos, die Beschießung Dubrovniks und die Zerstörung von | |
| Mostar und Vukovar in den Sezessionskriegen der 1990er Jahre machten aus | |
| seiner Theorie blutige Realität. | |
| Wie war es möglich, Denkmäler zu bauen, die keine sein sollten? "Tito hatte | |
| keine Ahnung von Kunst. Aber er brauchte ungefährliche Leute. Trotz | |
| Parteibuch hatte ich nie mit Stalin, höchstens mit Trotzki sympathisiert | |
| und war in Titos Augen wohl nur ein seltsamer Träumer." Insbesondere sein | |
| berühmtestes Denkmal, die 24 Meter hohe, in Beton gegossene Blüte auf dem | |
| ehemaligen Gelände des kroatischen Vernichtungslagers Jasenovac verdankt | |
| Bogdanovic Tito. Gegen die serbischen und kroatischen Funktionäre der KPJ, | |
| die Entwürfe von Blut speienden Brunnen besser fanden, entschied sich Tito | |
| für Bogdanovic's Modell. "Ich hatte für die Bäume in der Umgebung kleine | |
| Nägel auf das Modell montiert. Tito selbst war leidenschaftlicher | |
| Handwerker. Die Nägel müssen ihn überzeugt haben", erzählt Bogdanovic | |
| lachend. | |
| "Ich verfolgte keine Idee, außer der, dass ich gerne glaube, dass das Leben | |
| stärker als der Tod ist", erzählt er weiter. "Meine Zeichnungen und meine | |
| Entwürfe waren immer ein Spiel." Und wie es sich für Kinder gehört, | |
| verstanden sie es auch am besten, die archaischen Formen von Bogdanovics | |
| Denkmälern als Spielplatz zu nutzen. So zeigt der vergangenes Jahr gedrehte | |
| Dokumentarfilm "Bogdan Bogdanovic'. Architektur der Erinnerung" des Wiener | |
| Raumplaners Reinhard Seiß Szenen, in denen Kinder das Kriegermausoleum in | |
| Popina als Halfpipe benutzen. Für Bogdanovic' ist es das größte Glück, wenn | |
| seine Denkmäler öffentlich genutzt werden. So finden bis heute | |
| beispielsweise in der Nekropole von Krusevac Theater- und | |
| Konzerveranstaltungen statt. "Einmal erzählte mir ein Mädchen aus Mostar, | |
| dass ihre Eltern sie in der Partisanennekropolegezeugt hätten. Für mich war | |
| es das Schönste, was dort passieren konnte", erzählt Bogdanovic grinsend. | |
| Doch dann drohte ein Denkmal Bogdanovics nationalistisch und revanchistisch | |
| umgedeutet zu werden. Wie Tito gefiel auch Franjo Tudjman, dem | |
| Staatsgründer des unabhängigen Kroatiens, die Blüte in Jasenovac. Er wollte | |
| das Denkmal zum "Vaterländischen Altar" machen, damit alle kroatischen | |
| Gefallenen, also auch die Faschisten und Soldaten seiner Armee geehrt | |
| werden sollten. Glücklicherweise starb Tudjman bevor dieser Plan realisiert | |
| werden konnte. | |
| Die Blüte wurde während des Sezessionskrieges stark beschädigt. Auch die | |
| Partisanennekropole in Mostar. Dafür wurde 2005 in der bosnischen Stadt ein | |
| neues Denkmal aufgestellt, eine bronzene Bruce-Lee-Statue. Mit Bruce Lee | |
| könnten sich alle identifizieren, egal ob Kroaten, Serben oder Bosnier, | |
| lautete die Begründung der jungen Baumeister. | |
| 29 Apr 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
| Doris Akrap | |
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