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# taz.de -- Ägypten wappnet sich vor der Grippewelle: Schweine schlachten im A…
> Die Regierung in Kairo beginnt mit der Massentötung aller Schweine. Damit
> riskiert sie einen religiösen Konflikt, denn die Tiere werden vor allem
> von Christen gezüchtet.
Bild: Schweinezucht in Kairo: Mitten unter den Menschen.
KAIRO taz | Am Flughafen der ägyptischen Hauptstadt wartet ein
gespenstisches Empfangskomitee in weißen Kitteln mit Gesichtsmasken auf die
Besucher aus aller Welt. "Kommen Sie aus Mexiko?", lautet die genuschelte
Frage. Ein kurzes Kopfschütteln löst das Problem und es geht weiter zur
Passkontrolle.
Dennoch ist diese halbherzige Maßnahme die wohl effektivste Methode
Ägyptens, um eine Verbreitung des H1N1-Virus zu verhindern. Jedenfalls
wirkungsvoller als die von der Regierung verordnete Massenschlachtung von
Schweinen, die jetzt begonnen hat. Ägypten ist das einzige Land, das bisher
eine solche Maßnahme durchführt. Eine Entscheidung, die sicher Kritikern
zuvorkommen sollte, die der Regierung bereits bei der Vogelgrippe eine
gefährliche Untätigkeit vorgeworfen hatten.
Aber mit der vorauseilenden Maßnahme hat sich das Land die Kritik der
Weltgesundheitsorganisation WHO zugezogen. Auch Joseph Domenech, der
Cheftierarzt der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO, bezeichnet die
ägyptische Schweineschlachtung als "echten Fehler". Dafür gebe es keinen
Grund, da die Grippe von Mensch zu Mensch übertragen werde.
Dennoch wurden am Wochenende in Kairo 28.000 Schweine in die Schlachthöfe
gebracht. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums benötigt man drei
bis vier Wochen, um die mindestens 300.000 Schweine zu schlachten. Nach der
internationalen Kritik rechtfertigt die Regierung den Schritt nun nicht
mehr als Maßnahme gegen die Schweinegrippe, sondern als "allgemeine
Gesundheitsmaßnahme".
In Kairo gibt es kaum ein anderes Thema als die Schweinegrippe. Kaum hatte
das Parlament die Maßnahme abgesegnet, regte sich der Widerstand der
Schweinezüchter, die fürchten, nicht angemessen entschädigt zu werden.
Zusammenstöße mit der Polizei wurden aus Khanka, 25 Kilometer nördlich von
Kairo, gemeldet, wo Züchter Straßensperren errichteten und die Fahrzeuge
des Veterinärdienstes mit Steinen empfingen. Rund um Manschiet Nassr, das
Viertel, in dem die Müllsammler der Hauptstadt leben, die mit Hilfe
organischen Abfalls Schweine züchten, errichtete die Polizei ihrerseits
Straßensperren. So soll verhindert werden, dass die Schweinezüchter ihr
Vieh aus dem Viertel schmuggeln und in anderen Teilen des Landes
verstecken.
Ursprünglich hatte die Regierung wohl geglaubt, dass die Massenschlachtung
anders als im Fall der Vogelgrippe und der damals geschlachteten Hühnern in
dem muslimischen Land kaum zu einem Aufschrei führen wird. Bei der
überwiegenden Mehrheit der Schweinezüchter handelt es sich um die
Minderheit der christlichen Kopten, da Schweine im Islam als unrein gelten.
Aber gerade das führt zu zusätzlichem Konfliktpotenzial, da Schlachtung das
ohnehin angespannte muslimisch-koptische Verhältnis verschärft.
Einige muslimische Prediger interpretierten die neue Krankheit bei ihrer
Freitagspredigt "als Strafe für alle, die sich von Gott abgewandt haben".
Die unabhängige Zeitung Al Shorouq warnt: "Ohne eine realistische Vision,
wie mit dem Problem umzugehen ist, wird eine andere Epidemie ausbrechen,
die hinter der Schweinegrippe lauert - die des religiösen Fanatismus."
Aber auf beiden Seiten gibt es auch Stimmen, die das verhindern wollen.
Zwei koptische Abgeordnete gehörten im Parlament zu den lautstärksten
Unterstützern der Maßnahme. Und die Muslimbruderschaft, die größte
Oppositionsgruppe, kritisiert die Schweinekeulung als unüberlegt.
30 Apr 2009
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
## TAGS
Ägypten
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