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# taz.de -- Kommentar Chrysler: Kühner Pragmatismus
> Den Fall Chrysler kann man nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen.
> Und doch zeigt er, dass wir zu eng denken.
Wer vor 12 Monaten prophezeit hätte, dass Chrysler bald der Gewerkschaft
der Automobilarbeiter gehört und der Staat im Vorstand das Sagen hat, den
hätte man für verrückt erklärt. Oder für einen, der an den vergilbten,
sozialistischen Träumen des letzten Jahrhunderts klebt. Doch in der Krise
rast die Zeit, was gestern unmöglich war, ist heute bereits der Fall. Kann
Chrysler zum Symbol einer neuen Marktwirtschaft werden, in der Arbeitnehmer
mehr zu melden haben?
Schön wäre es. Allerdings gibt es eine Menge Fragezeichen und
Zwiespältigkeiten. Insolvenz und Staatsbeteiligung sind nur der allerletzte
Notausgang. Der Automobilarbeitergewerkschaft gehört nun die Mehrheit des
Konzerns, weil sie die Rentenansprüche von mehr als 100.000
Ex-Chrysler-Arbeitern vertritt. Das kann durchaus riskant werden. Denn wenn
der angeschlagene Chrysler-Konzern ökonomisch nicht mehr auf die Beine
kommt - was niemand ausschließen kann -, muss die Gewerkschaft den
Sozialplan womöglich mit sich selbst aushandeln. Eine Art Selbstabwicklung.
Obwohl man den Fall Chrysler nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen
kann und die Gefahren der Gewerkschafts- und Staatsbeteiligung nicht zu
unterschätzen sind, zeigt er doch, dass wir zu eng denken. Wer sich die
ideologische Gesinnungsschlacht vergegenwärtigt, die hierzulande sogar bei
der Übernahme der Pleitebank HRE aufgeführt wird, bestaunt den kühlen
US-Pragmatismus um so mehr.
Was tun? In Deutschland sollte man künftig Staatshilfe für Unternehmen an
mehr Rechte und auch an Eigentumsbeteiligung der Belegschaften koppeln.
Daraus könnte so etwas wie eine neue, auf Arbeitnehmer zentrierte,
demokratisierte Marktwirtschaft wachsen, die ein Gegenpol zur Ökonomie des
schnellen Profits werden kann.
Viele mögen dies für unwahrscheinlich halten. Gerade in der Krise wollen
viele, die verunsichert sind, einfach nur, dass die Dinge bleiben, wie sie
sind. Aber das muss nicht so sein. Der Krisenkonservatismus ist kein
Naturgesetz. Die wirksamste Zügelung des Kapitalismus und den gewaltigsten
Aufschwung für Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften in der Geschichte des
Kapitalismus gab es jedenfalls mitten in der tiefsten Krise - im New Deal
1932 in den USA. Ist heute wirklich nicht möglich, was damals gelang?
2 May 2009
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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