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# taz.de -- Schwan und Tabatabai über Macht: "Fifty-fifty haben wir trotzdem n…
> Frauen müssen die Macht auch wollen, sagt Gesine Schwan. Sie will.
> Schauspielerin Jasmin Tabatabai wird sie dabei unterstützen. Ein Gespräch
> über Führungsstile und Solidarität.
Bild: Glaubt weiter an ihre Chance, Präsidentin zu werden: Gesine Schwan.
taz: Morgen wählt die Bundesversammlung den Bundespräsidenten oder die
-präsidentin. Frau Schwan ist Kandidatin, Frau Tabatabai darf als Mitglied
der Bundesversammlung mitwählen. Wie ist Ihre Prognose?
Jasmin Tabatabai: Soweit ich sehe, ist es sehr knapp. Wenn man wie ich gern
Fußball schaut, dann weiß man, dass bis zur letzten Sekunde alles passieren
kann. Und diejenigen, die gerade total im Himmel waren, sind am Boden.
Gesine Schwan: Diesmal gibt es eine Chance - eine echte.
Tabatabai: Frau Schwan, jetzt müssen Sie mal kurz weghören. Es ist ja immer
blöde, wenn man als Kandidatin danebensitzt. Also: Ich werde Gesine Schwan
wählen, denn sie ist nicht nur eine sehr interessante und faszinierende
Persönlichkeit, sondern unbequem - auch innerhalb ihrer eigenen Partei.
Und eine Frau.
Tabatabai: Das ist für mich nicht der Punkt. Sonst hätte ich ja auch Angela
Merkel wählen müssen.
Schwan: Trotzdem glaube ich, dass es von erheblicher Bedeutung wäre, wenn
dieses symbolisch höchste Amt von einer Frau bekleidet würde. Viele Frauen
wünschen sich diese Ermutigung. Schon damit sich nicht mehr die Frage
stellt: Kann eine Frau das überhaupt? Es könnte anmaßend klingen, aber ich
denke, dass ich das Amt gut ausüben würde.
Aber Ihre Bewerbung war doch von Anfang an ziemlich aussichtslos. Genau wie
Ihre erste Kandidatur 2004. Wie üblich, wenn Frauen ins Rennen geschickt
werden.
Schwan: 2004 kam das Ganze so überraschend, dass mir gar nicht richtig
bewusst wurde, dass ich chancenlos bin. Zudem habe ich schnell erkannt,
dass die Kandidatur auf jeden Fall einen Vorteil hat: Ich konnte
Agenda-Setting betreiben - politisch und auch für meine Universität.
Glauben Sie denn, dass sich wirklich etwas ändern würde, wenn genauso viele
Frauen wie Männer in Führungspositionen wären?
Schwan: Davon bin ich überzeugt.
Tabatabai: Ich auch.
Schwan: Es gibt neue Untersuchungen von McKinsey über Führungsstile. Dabei
zeigt sich, dass Frauen eher partizipatorisch führen. Sie bringen mehr
Empathie auf, achten auf die Erwartungen der anderen und sorgen auch für
Belohnungen. Männer hingegen sind stark darin, allein zu entscheiden und zu
kontrollieren. Man könnte diese Ergebnisse fast für ein Klischee halten.
Tabatabai: Aber mein Gott, an Klischees ist eben manchmal was dran. Was ich
an Männern bewundere und mag, ist ihr Selbstbewusstsein. Was mich manchmal
anstrengt, ist dieses Platzhirschgehabe, dieses sofort in die Konkurrenz
gehen. Das ist schon anders bei Frauen.
Wenn man McKinsey glaubt, müssten Frauen durch die aktuelle Finanz- und
Wirtschaftskrise endlich zum Zuge kommen. Selbst SPD-Arbeitsminister Scholz
spricht von einer männergemachten Katastrophe.
Tabatabai: Das heißt doch aber nicht, dass man dann Frauen ranholt. Was war
nach dem Zweiten Weltkrieg? Da haben Männer die ganze Welt angezündet. Es
wird sich nur ganz, ganz langsam was ändern - wenn Frauen arbeiten und
Besitz anhäufen.
Schwan: Wenn sie dadurch unabhängig werden, stimme ich Ihnen sofort zu. Und
was die Krise angeht: Wenn wir nur versuchen, sie nur hinzumanagen, geht es
weiter wie bisher. Zurzeit ist die Chance von Frauen riesig, ihren Einfluss
in den Unternehmen zu stärken. Wenn nur 30 Prozent Frauen in einem Gremium
sind, ändert sich auch das Verhalten der Männer.
Was wären Sie beide denn heute, wenn Sie Männer wären?
Schwan: Die Frage habe ich mir nie gestellt, weil ich immer gern ein
Mädchen und eine Frau war.
Tabatabai: Auf jeden Fall wäre ich Schauspieler geworden und hätte
wahnsinnig viele Affären. Ich wäre ein richtiger Hallodri.
Das soll es auch bei Frauen geben.
Schwan: Wären Sie dann glücklicher?
Tabatabai: Da steht mir wahrscheinlich meine gute persische Erziehung im
Weg - die Vorstellung, nee, man gibt sich nicht so leicht her.
Hätten Ihnen als Männer andere oder mehr Möglichkeiten offengestanden?
Tabatabai: Ein Teil von mir denkt immer, dass ich als Mann viel mehr
erreicht hätte.
Was zum Beispiel?
Es gibt viel mehr interessante Rollen für Männer. Die Medienbranche ist
noch immer extrem sexistisch. Außerdem gibt es riesige Unterschiede,
welches Verhalten akzeptiert wird. Frauen, die filmisch ihren Weg allein
gegangen sind, ernten Misstrauen. Am Anfang einer Schauspielkarriere ist
Gleichberechtigung lange kein Thema. Aber später kommt es dann dicke - wenn
es um direkte Konkurrenz geht, um Quoten, um finanziellen Erfolg.
Sie wären also lieber ein Mann?
Nein, um Gottes Willen. Ich bin keiner und will auch keiner sein. Aber ich
bin im Iran aufgewachsen und geprägt von diesem immerwährenden Kampf, gegen
Mauern zu rennen.
Was haben Sie denn erlebt als Mädchen?
Tabatabai: Ich durfte nicht, was mein Bruder durfte. In meiner Kindheit
habe ich ständig gehört: "Zieh ein Kleid an. Ein Mädchen macht das nicht."
Deswegen habe ich meine Weiblichkeit lange Zeit abgelehnt und habe diese
typische Wut einer orientalischen Frau.
Klingt interessant. Und wie zeigt sich die?
Tabatabai: Wut ist eine wahnsinnig starke Antriebskraft, auch wenn sie
einen nicht immer glücklich macht. Hier in der Bundesrepublik ist es für
Frauen zwar besser, aber fifty-fifty haben wir trotzdem nicht. Deshalb habe
ich mich immer für den Feminismus eingesetzt und mich geweigert, diesen
Modetrend mitzumachen, der in den 90ern aufkam. Dieses : "Hach, ich bin
keine Emanze, bin aber total emanzipiert."
Schwan: Ich war bei Feministinnen früher nicht gerade beliebt, vor allem
nicht am Berliner Otto-Suhr-Institut.
Was haben Sie angestellt?
Schwan: Na, ich war weder Marxistin noch Feministin.
Aber die Feministinnen waren doch nur selten Marxistinnen.
Schwan: Schon richtig, aber ich habe nie das vertreten, was als das
eigentlich Neue daherkam. Ich galt auch vom ganzen Habitus eher als
konservativ.
Weil Sie sich so leichter durchsetzen konnten?
Schwan: Ich hatte als Mädchen nie Nachteile. Ich fühlte mich von beiden
Eltern wertgeschätzt - auch vom Vater - und durfte das studieren, was ich
wollte. Größere Schwierigkeiten habe ich erst nach dem Tod meines ersten
Mannes bekommen. Da haben Männer an der Universität versucht, mich
auszuschalten, wie sie es mit männlichen Kollegen nie gemacht hätten.
Wie denn?
Schwan: Man wollte mich ausbremsen, indem man dumme Gerüchte über mich
verbreitet hat. Dass ich ein Verhältnis hätte. Das war vorher nie ein
Thema, weil wir uns als Ehepaar sehr wohlgefühlt haben. Bei einem Mann
hätte man dieses Gerücht nicht in die Welt gesetzt, es hätte ja auch
niemand schockiert. Aber eine Frau kann man damit treffen.
Wie war das denn mit den Männern in Ihrem Leben? Wurden Sie von denen
unterstützt oder behindert?
Tabatabai: Mal so, mal so. Ich habe auch die ganz private Sabotage erlebt.
Also: Augen auf bei Partnern.
Ihr Mann, Frau Schwan, war schon ein bekannter Professor und Sie noch
Studentin. Hätten Sie ohne ihn die gleiche Karriere gemacht?
Schwan: Da gab es keinerlei Protektion. Ich habe als 27-Jährige mit summa
cum laude promoviert, und war bereits mit 31 Jahren habilitiert. Das hatte
nichts mit meinem Mann zu tun.
Es geht ja nicht um Leistung. Auch sehr gute Frauen scheitern an der
Männerdominanz in den Universitäten.
Schwan: Ich wäre auch ohne meinen Mann als Professorin berufen worden. Aber
mein Mann war in anderer Hinsicht wichtig: Er hat mich überhaupt erst
ermutigt, zu habilitieren. Es war sein Vorschlag. Ich wollte einfach
Familie haben und Lehrerin werden statt Karriere zu machen - auch aus
Opposition gegen meine Mutter, die bereits sehr emanzipiert war und mit
ihren Aktivitäten immerfort Hektik in die Familie gebracht hatte.
Also war Ihr Mann der Feminist zu Hause?
Schwan: Nein, er war überhaupt kein Feminist. Alle -ismen haben ihn nicht
sonderlich interessiert. Vor allem wenns ins Psychologische ging, hat er
das Buch sofort zugeklappt. Er war Heidegger-Schüler, und die wollen ja nie
unter die Decke gucken, die nicht vom souveränen Verstand beherrscht werden
kann.
Er hat Sie aus rein intellektuellen Gründen unterstützt?
Schwan: Es gibt da eine niedliche Geschichte: Bei einer Messe hat ein
Kaplan über das Mutterglück gepredigt. Als der Pfarrer mich hinterher
fragte, wie mir die Predigt gefallen habe, sagte ich: Wenn das Mutterglück
so groß sei, dann müsse man es doch auch den Vätern gönnen, schon aus
Gerechtigkeit.
Das fand mein Mann sehr frech. Er fand überhaupt, dass ich manchmal ein
bisschen frech war. Auf dem Weg nach Hause habe ich ihn nach der Rolle der
Frau in der Familie gefragt. Er antwortete: Sie soll für die gute
Atmosphäre sorgen. Und die Rolle des Mannes? Seine Antwort: Der habe die
geistige Leitung. Das wurde nachher zum Running Gag in unserer Familie:
"Hast du heute schon deine geistige Leitung ausgeübt?"
Tabatabai: So ein Gespräch würde es in meiner Generation nicht mehr geben.
Wir würden uns kaputtlachen. Für die Männer ist es total
selbstverständlich, den Kinderwagen zu schieben, sich um das Kind zu
kümmern, Vater zu sein.
Klingt ja nach dem perfekten neuen Mann.
Tabatabai: Nee, dafür gibt es neue Rollenkonflikte. Ich beobachte sehr
häufig - auch mir ist das schon passiert -, dass die Väter sagen: Ich bin
überfordert, ich muss mich selber finden, nee, ich will jetzt nicht auch
noch n Job. Komischerweise endet das dann so, dass die Frau das Kind
großzieht und das Geld verdient. Der gesellschaftliche Druck auf die Männer
ist weggefallen. Und die Emanzipation hat dazu geführt, dass die Männer
jetzt sagen können: Hach, mir ist das alles zu viel. Ich will Rock n Roll,
ich will in einer Band spielen.
Schwan: Ist das wirklich eine Tendenz?
Tabatabai: Ey, das ist nicht nur eine Tendenz.
Schwan: Aber das ist keine weibliche, sondern eine kindische Rolle.
Eigentlich eine Regression in die Kindheit.
Tabatabai: Das ist wahrscheinlich gerade eine Phase der männlichen
Rollenfindung, denn es ist ja auch für eine Frau nicht besonders sexy, wenn
ein Mann das Kind spielt.
Schwan: Nein, überhaupt nicht.
Tabatabai: Ich bin schon wahnsinnig gern Mutter, aber ich möchte nicht
meinen Mann bemuttern.
Schwan: Aber es gibt doch verschiedene Rollenanteile. Manchmal bemuttere
ich meinen Mann und manchmal werd ich von ihm bevatert.
Tabatabai: Ja, aber wir sprechen jetzt über den Allgemeinzustand. Ich
möchte, dass er mein Liebhaber ist und nicht das dritte Kind.
Apropos Rollen: Frauen inszenieren ihren Körper stärker als Männer. Bei
Ihnen, Frau Schwan, wird in der Presse immer wieder gern auf Ihre schönen
Beine hingewiesen. Setzen Sie sich gern in Szene?
Schwan: Beim Wort Inszenierung habe ich ein schlechtes Gefühl. Das ist
anerzogen: Man braucht nicht das Veilchen im Moose zu sein, man soll sicher
auftreten, soll seine Meinung sagen. Aber sich zu inszenieren, ist mehr
Schein als Sein. Das verstößt gegen eine Grundregel, die mir sehr früh
beigebracht worden ist.
Tabatabai: Wieso soll man sich denn als Frau inszenieren? Das allein ist
schon komisch gedacht. Wenn, dann inszeniere ich mich als Mensch.
Make-up, Schuhe, besondere Klamotten. Weiblichkeit rausstreichen oder
unterdrücken - so einen Umgang mit dem eigenen Geschlecht findet man bei
Männern eher selten, oder?
Tabatabai: Wirklich? Schauen Sie sich mal Til Schweiger an, oder Sarkozy
oder andere bekannte Politiker
Schwan: Dass Frauen sich mehr inszenieren als Männer, stimmt einfach nicht.
Sie machen es nur anders.
Tabatabai: Oder Felix Magath. Es ist bereits eine Falle zu fragen: Wie
inszenieren Sie sich als Frau?
Schwan: Wenn jemand sagt, was er denkt, halte ich das langfristig sowieso
für die wirksamste Inszenierung.
Frauen brauchen also einfach nur sie selbst zu sein? Fehlt nur noch, dass
sie auch an die Macht gelangen.
Schwan: Aber wir müssen die Macht auch wollen. Sie fällt uns nicht in den
Schoß.
Tabatabai: Wichtig ist, dass sich etwas an den Besitzverhältnissen ändert.
80 Prozent des Besitzes in der Welt sind in Männerhand. Meine Mutter hat
mir immer davon abgeraten, früh zu heiraten: Weißt du, sagte sie, wenn du
nicht arbeitest, dann gehört alles deinem Mann. Du bist so abhängig.
Schwan: Aber es geht auch um Macht. Macht ist die Möglichkeit, mit anderen
zu gestalten.
Tabatabai: Macht interessiert mich weniger als Besitz. Eigentum ist für
mich die größere Unabhängigkeit. Macht ist doch nur Stress.
21 May 2009
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Gesine Schwan
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