# taz.de -- KRIEGSVERRÄTER: Die NS-Justiz verfolgt ihre Opfer heute noch | |
> Opfer der NS-Militärjustiz gelten in der Bundesrepublik heute noch als | |
> vorbestraft und als Verbrecher. 15 "Kriegsverräter"-Fälle dokumentiert | |
> eine Ausstellung | |
Bild: Ludwig Baumann mit der Urteils-Kopie von 1942. Erst 2002 hob der Bundesta… | |
Es ist sicherlich ein zufälliges Zusammentreffen: Heute debattiert der | |
Bundestag in Berlin über die Frage, ob die Urteile der NS-Justiz gegen so | |
genannte "Kriegsverräter" pauschal aufgehoben werden sollen. Und in Bremen | |
wird heute Nachmittag eine Ausstellung unter dem Titel "Was damals Recht | |
war..." eröffnet, in der die Kontinuität der Justiz über das Jahr 1945 | |
hinweg Thema ist. | |
In 25 Veranstaltungen wird in den kommenden Wochen das Thema von | |
verschiedenen Seiten aufgegriffen. Zur Eröffnung spricht heute Nachmittag | |
(16 Uhr) der Historiker Manfred Messerschmidt. Bei dem Begleitprogramm geht | |
es auch um aktuelle Themen wie die heutige Militärseelsorge oder um | |
Desertion im Afghanistan-Krieg. | |
Auf schlichten Tafeln sind in der Ausstellung 15 Fälle dokumentiert, die | |
nicht unter die Rehabilitation fielen, die die rot-grüne Bundestagsmehrheit | |
im Jahre 2002 - immerhin 47 Jahre danach - beschlossen hatte. Für viele kam | |
selbst diese Rehabilitierung zu spät, für manche sehr spät. Etwa für die | |
Bremerin Luise Otten (Röhrs). Sie war zu einer Flugmelde-Einheit eingezogen | |
worden, wo sie die Küche leitete. Als sie 1944 enttäuscht über den Ausgang | |
des Hitler-Attentates bemerkte, das hätte Frieden bringen können, wurde sie | |
von einer Kollegin denunziert - und wegen "Wehrkraftzersetzung" am 26. 7. | |
1944 zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde nach einem Gnadengesuch ihres | |
Vaters in eine 10-jährige Zuchthausstrafe umgewandelt. Erst 1991 wurde sie | |
rehabilitiert. | |
Dass mancher der Richter, die solche Todesurteile fällten, in den 50er | |
Jahren seine Karriere fortsetzen konnte, zeigt das Beispiel von Karl Bode. | |
Er war 1933 in die NSDAP eingetreten und machte schnell Karriere am | |
Oberlandesgericht. Am 8. September 1939 führte er den Vorsitz bei einem | |
Kriegsgerichtsprozess gegen die Verteidiger der polnischen Post in Danzig | |
und sprach Todesurteile gegen sämtliche Angeklagte aus. Als | |
Generalstaatsanwalt des Reichsgaus Danzig-Westpreußen arbeitete er an 350 | |
Todesurteilen mit. | |
Günter Grass schrieb über die Danziger Geschichte seine "Blechtrommel" - | |
ein Cousin seiner Mutter gehörte zu den Verteidigern der polnischen Post. | |
1949 wurde Bode als "Mitläufer" eingestuft, später avancierte er sogar zum | |
"Entlasteten". Er konnte damit in den bremischen Justizdienst eintreten und | |
brachte es 1955 zum Senatspräsidenten beim Staatsgerichtshof der Freien | |
Hansestadt Bremen. 1960 ging er in den Ruhestand. | |
Erst aufgrund des Buches von Dieter Schenk über die "Post von Danzig", das | |
1995 erschienen war, ordnete der Bundesgerichtshof 1998 eine Wiederaufnahme | |
des Prozesses aus dem Jahre 1939 vor dem Landgericht Lübeck an, das mit | |
einem posthumen Freispruch der Danziger Postverteidiger endete. Schenk | |
kommt am 17. Juni nach Bremen. Am 22. 6. kommt der Historiker Wolfram | |
Wette, aufgrund von dessen Forschung über die so genannten "Kriegsverräter" | |
der Bundestag heute die Rehabilitierung dieser letzten Gruppe von | |
NS-Justizopfern debattiert. | |
28 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
Klaus Wolschner | |
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NS-Widerstand | |
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