# taz.de -- Sammlerwut: Schmutz aus der Provinz | |
> Eine exquisite kleine Sammlung hat die Weserburg ans Münsteraner | |
> Picasso-Museum verloren. Mit Provinz-Infamie versucht dessen Direktor den | |
> Wert seines Neuzugangs zu pushen - was manche in Bremen nur zu begierig | |
> aufgreifen | |
Bild: Auf Sand gebaut ist auch die Rede vom skandalträchtigen Verlust in der W… | |
Möglicherweise wird Madame sich noch wundern. Denn in Münster, wo die | |
Bremer Geschäftsfrau mit asiatischen Wurzeln ihre Sammlung hin expediert | |
hat, sind sie sich auch "noch nicht klar darüber, welche musealen | |
Perspektiven sich da ergeben sollen", so eine Sprecherin des | |
Picasso-Museums. Verständlich: Schließlich sammelt Madame neben Fotos von | |
Helmut Newton in erster Linie Malerei und Plastik der Gegenwart. Und das | |
Münsteraner Haus ist spezialisiert auf Grafik der klassischen Moderne. | |
Anders, als das Neue Museum Weserburg, wo ihre mit 250 Einträgen kleine, | |
aber exquisite Sammlung bislang betreut wurde. | |
Deren Abzug ist ein Verlust. Ein Skandal sogar? Manche haben das | |
geargwöhnt. Da mochte Direktor Carsten Ahrens noch so sehr beteuern, dass | |
es sich "um einen ganz normalen Vorgang" handelt. Die Gegenseite aber | |
existiert nur via Gerücht - und Gerüchte sind eben hartnäckig. | |
Madame nämlich legt Wert auf Anonymität. Letztmals fiel der Name, als der | |
damalige Weserburg-Direktor Thomas Deecke ihre Kunstschätze unter die | |
Fittiche nahm (taz bremen vom 12.3.und taz vom 3.9. 2003). Für wie lange | |
das Haus sich um Madames Preziosen kümmern würde, hatten beide Seiten | |
seinerzeit offen gelassen. "Es war aber klar, dass es eine Beziehung auf | |
Zeit ist", so Deecke. Denn das Konzept des Sammlermuseums sieht Fluktuation | |
der Werke und der PartnerInnen ausdrücklich vor: Was auch das Beispiel | |
Reinhard Onnasch belegt. | |
Der Berliner Immobilien-Unternehmer war mit Kunstprofessor Jürgen Waller | |
Initiator des Museums. Seine über Jahrzehnte gewachsene Sammlung war lange | |
Zeit dessen Herzstück. Mit Grund: Sie ist international bedeutend und gut | |
zehnmal so groß wie die von Madame. Dass sie vor vier Jahren das Museum im | |
Fluss verließ - hat in Bremen kaum jemanden interessiert. Die | |
Besucherzahlen sind deswegen auch nicht eingebrochen. Und die | |
Jahresausstellungen fanden statt. Die diesjährige beginnt am 1. August und | |
zeigt, passend zu dessen 70. Geburtstag und zum Mauerfall, AR Penck aus der | |
- auch deutlich über 1.000 Positionen zählenden - Sammlung Boeckmann. | |
Manche kommen, manche gehen - "das Haus", befindet Deecke sogar "muss so | |
beweglich bleiben". Nur "auf diese Weise bleibt es lebendig". Deecke ist in | |
dieser Frage eine vergleichsweise objektive Instanz. Zur Erinnerung: Von | |
der Art und den künstlerischen Vorlieben her muss der Gründungsdirektor als | |
Antipode seines Nachfolgers Ahrens gelten. Dass der senatorable Professor | |
aus Lübeck in seinem Museum jemals eine Newton-Ausstellung gezeigt hätte - | |
unvorstellbar. "Ich hasse dieses Five-Letter-Wort ,Event'", hatte er, kurz | |
vor seinem Abschied in den Ruhestand, der taz anvertraut. Ahrens geht es | |
hingegen durchaus flott von den Lippen. Er ist ein eher burschikoser Typ, | |
mitunter sehr sporadisch gekämmt und "dass manchen in Bremen meine Frisur | |
missfällt, weiß ich selbst", sagt er. Madame, die aus einem Land ähnlich | |
stark ritualisierter Umgangsformen wie Japan stammt, könnte dazu zählen. | |
Die Aufregung um den Abgang der Sammlung hatte sich exklusiv aus Äußerungen | |
des Münsteraner Museumsdirektors Markus Müller gespeist. Der wollte seinen | |
Neuzugang loben. Die Tatsache, dass Madame gut beraten durchgesetzte | |
Positionen erwirbt, ließ ihn dabei die beliebte Metapher "Champions League" | |
wählen. Als bemerkenswert empfand er zudem noch, dass die Kollektion wächst | |
- wie jede Kunstsammlung bis zum Tod oder Ruin ihres Eigners. | |
Eine dürftige Aussage also, die Müller noch würzen musste: Ausführlich | |
kolportierte er daher, offenkundig ohne direkten Kontakt zu Madame, deren | |
"massive Unzufriedenheit mit den Bremer Verhältnissen". Das könne er aber, | |
so ließ er Radio Bremen wissen, "nicht kommentieren", weil er sie auch nur | |
zugetragen bekommen habe. Mit ähnlicher Provinz-Infamie ließ er sich vom | |
Weser Report zitieren: "Ich will ja", so Müller "keine Kollegenschelte | |
betreiben, aber…" der Rest der Äußerung lässt sich mit zwei Worten zusammen | |
fassen: eigentlich doch. | |
"Es ist schwierig, auf Vorwürfe aus dritter Hand zu reagieren", sagt | |
Ahrens. Unzufriedenheit artikuliert hatte die Sammlung selbst nur einmal: | |
Sie fand die Marketingbemühungen nicht ausreichend - ausgerechnet bei der | |
Newton-Schau, für die das Haus die größte Werbekampagne seiner Geschichte | |
betrieben - und eine Marketingstelle geschaffen hatte. | |
In Münster zog die Newton-Ausstellung aus Madames Beständen in sieben | |
Wochen fast halb so viele BesucherInnen wie in Bremen an. Ein schöner | |
Erfolg. Ob Madame allerdings erfreut ist über Müllers neue offensive Art | |
der Öffentlichkeitsarbeit, lässt sich indes nicht mit Sicherheit sagen. | |
10 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Pablo Picasso | |
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