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# taz.de -- Geringeres Krebsrisiko für Allergiker: Heuschnupfen schützt vor K…
> Allergien können auch positive Nebeneffekte haben: Sie schützen vor
> diversen Krebsarten, wohl weil bestimmte Antikörper als "Müllabfuhr" für
> krebserregende Substanzen fungieren.
Bild: Jahrzehntelanges Nasenkribbeln und ständige Niesattacken haben doch etwa…
Allergiker sind geplagte Menschen: Hautjucken, ständig verstopfte Nase oder
in schlimmen Fällen schwere Atemnot, etwa bei Asthmatikern. Doch diese
Leiden könnten einen positiven Nebeneffekt haben. Denn: Laut einer
aktuellen Studie der Universität Ottawa haben Allergiker ein um 18 Prozent
niedrigeres Krebsrisiko, so hat die Medizinerin Michelle Turner
herausgefunden.
Dies gilt vor allem für Tumore in den Verdauungsorganen, der Gebärmutter,
des Gehirns und der Haut. Turner hatte für ihre Studie 1,2 Millionen
Allergiker befragt. Diejenigen, die doch an einem Tumor erkrankten, hatten
zumindest bessere Überlebenschancen.
Diese Studie bestätigt früher gemachte Beobachtungen: So fanden schwedische
Forscher im Jahr 2007 heraus, dass Hirntumorpatienten um 30 Prozent
seltener unter Asthma, Heuschnupfen, Neurodermitis oder
Nahrungsmittelallergie litten; laut einer polnischen Arbeit haben
Lungenkrebspatienten rund 60 Prozent weniger Allergien als die
Durchschnittsbevölkerung; auch bei Bauchspeicheldrüsenkrebs ist das
Allergierisiko um 30 Prozent niedriger.
Einige Experten vermuten aufgrund dieser Funde, dass das Immunsystem bei
seiner überschießenden Reaktion etwa gegen Pollen auch gegen krebserregende
Substanzen vorgeht und diese ausscheidet. An Pollen können beispielsweise
giftige Schwermetalle, Phenole oder Pestizide gebunden sein.
Dazu passt, dass Allergiker signifikant weniger toxische Substanzen im Blut
schwimmen haben als Gesunde. Andererseits könnten alarmierte Immunzellen
auch bereits entartete Zellen besser erkennen und diese entschärfen.
Juckreiz oder laufende Nase kommen dadurch zustande, dass Antikörper der
Sorte IgE auf den Oberflächen der als gefährlich eingestuften Substanz wie
Pollen oder Milcheiweiß andocken und gleichzeitig spezielle Immunzellen
dazu bringen, Histamine auszuschütten, was dann zu den allergischen
Symptomen führt. Die ausgeschütteten Stoffe erweitern die Gefäße, um andere
Immunzellen schneller herbeizuordern. Die IgE-Reaktion lässt zudem die
Muskeln kontrahieren, was die Ausscheidung der krebserregenden Stoffe über
Lunge und Darm erleichtert.
IgE-Antikörper sind entwicklungsgeschichtlich alt. Sie finden sich in allen
Säugetieren. Der Nutzen der IgE-Antikörper ist jedoch bislang ungeklärt.
Derweil kursieren einige Theorien. Eine Gruppe der Allergologen glaubt
etwa, IgE-Antikörper leiten die Abwehr gegen Würmer und andere Parasiten
ein, weil Patienten mit entsprechenden Erkrankungen erhöhte IgE-Werte
haben.
Die Wiener Forscherin Erika Jensen-Karolim und Pionierin der
Allergoonkologie ebenso wie ihr Kollege Paul Sherman von der Cornell
University in New York sieht die Allergie als einen Schutzmechanismus des
Körpers im Kampf gegen Krebszellen.
Einige Funde deuten darauf hin, dass diese Theorie stimmt: So fand man bei
Tumorpatienten erhöhte Konzentrationen an IgE-Antikörpern in den befallenen
Organen. Auch in Tierversuchen konnte Jensen-Karolim eine Immunisierung
durch Brustkrebsproteine erreichen. Die behandelten Tiere bildeten nach der
Schluckimpfung vermehrt IgE-Antikörper die in der Petrischale besonders
stark auf Brustkrebszellen losgingen.
Ob diese Therapie eines Tages auch bei Menschen Heilerfolge erzielt, daran
arbeiten verschiedene Arbeitsgruppen weltweit. In der Krebsmedizin werden
erfolgreich Antikörper als Arzneien eingesetzt, etwa das Immunglobulin G,
das Merck unter dem Namen Erbutix anbietet, und das bei Darmkrebs
verabreicht wird.
Doch trotz all dieser Hinweise, ist ein genereller Krebsschutz durch
Allergien nicht belegt. So besagt etwa eine Langzeitstudie des schwedischen
Karolinska-Instituts mit mehr als 16.000 Zwillingen, dass Nesselsucht in
der Kindheit das Risiko für Leukämie oder das Non-Hodgkins-Lymphom
erhöhten. Paul Sherman hat darum vergangenes Jahr versucht, in einer
Übersichtsstudie für Klarheit zu sorgen. Nach der Durchsicht von fast 650
Studien kam er zu dem Ergebnis: Zwar zeigte sich in mehreren Studien ein
negativer Effekt - doppelt so viele Studien belegten aber einen Krebsschutz
durch Allergien.
Dabei spielte es eine Rolle, welche Krebsarten untersucht wurden: Patienten
mit Brust-, Prostata- und Hirntumore, sowie Leukämie und Non-Hodgkins
Lymphom waren trotz Allergien an Krebs erkrankt. Hingegen konnte Sherman
für Verdauungsorgane und Haut, Organe also mit direktem Kontakt zu
Substanzen aus der Umwelt, sowie Gebärmutter einen schützenden Effekt durch
Allergien nachwies.
Dass Allergien vor diversen Krebsarten schützen, stellt nun aber auch die
Therapie mit immununterdrückenden Substanzen wie Antihistaminen oder
Kortison infrage. Sherman meint: "Wir brauchen dazu unbedingt Studien."
Reiner Hartenstein, Präsident der Bayerischen Krebsgesellschaft, beruhigt
derweil: "Bislang gibt es keine Anzeichen, dass eine Allergiebehandlung die
Gefahr einer Krebserkrankung erhöht." In der jüngsten kanadischen Studie
von Michelle Turner war der Krebsschutz und die längere Überlebensdauer
nach Krebsdiagnose auf jeden Fall unabhängig davon, ob die Allergie
behandelt worden war oder nicht.
24 Jul 2009
## AUTOREN
Kathrin Burger
## TAGS
Krebs
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