# taz.de -- Bierfestival in Friedrichshain: Weltmusik gegen No-go-Area | |
> Auf der Biermeile in Friedrichshain gibt es Jahr für Jahr Ärger mit | |
> besoffenen Rechten. Jetzt gibt es dort erstmals eine antirassistische | |
> Bühne. | |
Bild: Tat in den Vorjahren nicht allen Biermeile-Besuchern gut: Hopfengetränk | |
Bühne 15, die "Internationale Bühne", wird an diesem Samstag ihnen gehören. | |
Seit Jahren versucht die Friedrichshainer "Initiative gegen rechts" auf der | |
allsommerlichen Biermeile auf rechtsextreme Umtriebe aufmerksam zu machen. | |
An diesem Wochenende, wenn das Bierfestival zum 13. Mal an der | |
Karl-Marx-Allee startet, wagt die Initiative einen Versuch - sie wird sich | |
erstmalig mit einer "antirassistischen Bühne" mitten in das Trinkspektakel | |
wagen. | |
Es soll alles noch größer werden in diesem Jahr auf der Biermeile: 2.000 | |
Spezialitäten aus 86 Ländern, 300 Brauereien, rund 800.000 Besucher könnten | |
kommen. Das alles auf 2,2 Kilometern zwischen Straußberger Platz und | |
Frankfurter Tor. Ein "internationales und weltoffenes Festival" werde er | |
bieten, hat Veranstalter Lothar Grasnick angekündigt. | |
Von einem "Angsttraum für viele" spricht dagegen Maik Baumgärtner von der | |
"Initiative gegen rechts". Schlägereien, ausländerfeindliche Krakeler, | |
rechtsextreme Saufgelage, Angriffe auf Linke und Migranten - Jahr um Jahr | |
listen Polizei, Antifa-Gruppen und die Opferberatung Reach Out Übergriffe | |
ausgehend von der Biermeile auf. Von einem "rechten Tummelplatz" spricht | |
Canan Bayram, Grünen-Abgeordnete und Mitstreiterin in der "Initiative gegen | |
rechts". Die Antifa berichtet für 2008 über Steinwürfe von | |
Biermeilen-Besuchern auf das alternative "XB-Liebig"-Haus in der | |
Liebigstraße - und dokumentiert gleich reihenweise rechtsextreme | |
Shirtaufdrucke: "Nationale Opposition", "Anti-Antifa", "Mein Leben für | |
Odin". | |
Maik Baumgärtner erzählt von Neonazis der Kameradschaft Teltow-Fläming, die | |
sich eigens Shirts hatten bedrucken lassen: "8,8 Promille". Der Zahlencode | |
"88" steht in der rechtsextremen Szene für den achten Buchstaben des | |
Alphabets, das doppelte "H" für "Heil Hitler". | |
Schon vor fünf Jahren regte sich Protest gegen die Biermeile. Den Anfang | |
machten Antifas, sie organisierten Kundgebungen und Demonstrationen. Auch | |
in diesem Jahr bietet die Antifa Friedrichshain einen "Info- und | |
Schutzpunkt" im XB-Liebig an. Seit 2006 ist die "Initiative gegen rechts" | |
mit einem Infostand auf dem Bierfestival vertreten. "Wir wurden mit | |
finstersten rassistischen Sprüchen bepöbelt", erinnert sich Baumgärtner. | |
"Ein Mann stellte sich vor unseren Stand und zeigte den Hitler-Gruß." Gegen | |
Abend, wenn der Pegel der Besucher stieg, baute die Initiative ihren Stand | |
wieder ab - sicherheitshalber. | |
Und doch: Das stete Piesacken gegen rechts zeigt inzwischen Wirkung. Heute | |
steht auf der Internetseite des Bierfestivals: "Rassismus, | |
Rechtsextremismus und Gewalt haben auf der Biermeile keinen Platz". Auf der | |
Pressekonferenz vor dem Festival durfte ein Mitglied der "Initiative gegen | |
rechts" ein Statement gegen Rechtsextremismus verlesen. Auf der Meile | |
selbst sollen an jedem Bierstand Flyer für Toleranz ausliegen. Und dann | |
gibt es jetzt "Bühne 15" - mit "antirassistischem Bühnenprogramm". | |
Als "Strategie der kleinen Schritte" beschreibt Canan Bayram das Vorgehen. | |
Mit der Bühne in diesem Jahr wolle man eine "nazifreie Zone, auf der sich | |
Besucher frei von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus und Homophobie | |
aufhalten können". Zwei Weltmusik-Combos sollen auftreten, dazu eine | |
Hiphop-Band und das Musik-Kabarett "Ensemble Weltkritik". | |
Weltmusik statt Blasorchester, Toleranzappelle statt dumpfer Parolen. | |
Zwischendurch ist eine Diskussion mit Brauereivertretern über | |
zivilgesellschaftliche Verantwortung geplant. Und drum herum wollen die | |
Initiativler Antirassismus-Flyer an die Besucher verteilen. | |
Es sei wichtig und beruhigend, dass ein Stück Alternativkultur geschaffen | |
werde, so Reach-Out-Mitarbeiterin Helga Seyb. "Gerade auch für die | |
migrantischen Mitarbeiter der Biermeile." SPD und Grüne, die | |
Arbeiterwohlfahrt und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus | |
unterstützen die Aktionen. | |
Natürlich rechne man wieder mit Pöbeleien, vor der Bühne genauso wie gegen | |
die Flyer-Verteiler, räumt Maik Baumgärtner ein. Das größte Problem sei | |
aber der Alltagsrassismus, die rechten Sprüche der Stammtischler. "Da zu | |
widersprechen, das ist Zivilcourage. Das muss es auch auf einem Volksfest | |
geben", so Baumgärtner. | |
Eine Anspannung bleibt auch deshalb, weil vor gerade drei Wochen ein | |
22-jähriger Linker von vier Neonazis an der Frankfurter Allee beinah | |
totgeschlagen wurde. Zudem befindet sich der Thor-Steinar-Laden "Tromso" | |
auf der Strecke des Bierfestivals. "Dieses Jahr wird für die Biermeile eine | |
Bewährungsprobe, weil nun viele Leute nach Friedrichshain gucken", so | |
Reach-Out-Mitarbeiterin Seyb. | |
"Normale Bürgerpflicht" | |
Als "normale Bürgerpflicht" bezeichnet Veranstalter Lothar Grasnick seine | |
Unterstützung für die Anti-rechts-Streiter auf seiner Biermeile. Für die | |
"Internationale Bühne" zahle er daher auch die Bandgagen. Und Neonazis | |
hätte es im Vorjahr gar nicht mehr gegeben, beteuert er. Kein Wunder, sei | |
doch die Internationalität des Bierfestes "enorm gestiegen". | |
Baumgärtner schüttelt über diese Aussage den Kopf: "Die Nazi-Präsenz auf | |
der Biermeile hat nicht abgenommen." Auch Canan Bayram räumt ein, dass sie | |
nichts dagegen hätte, wenn die Biermeile gleich ganz verschwinden würde. Da | |
dies aber kaum gelingen werde, müsse man weiter ein Zeichen setzen. Im | |
nächsten Jahr vielleicht mit noch größerer Bühne. | |
7 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Konrad Litschko | |
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Bier | |
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