# taz.de -- Ausstieg aus islamistischen Gruppen: Ehrenkodex versperrt den Weg z… | |
> In Deutschland kümmert sich bisher nur das privat finanzierte "Exit" um | |
> Aussteiger aus islamistischen Gruppen. "Der Austritt ist schwieriger als | |
> bei den Rechtsextremen", so ein Experte. | |
Bild: Ein mutmaßlicher Terrorhelfer der so genannten Sauerland-Gruppe wird abg… | |
BERLIN taz Die "Sauerland-Zelle" hat das Problem der islamistischen Gruppen | |
wieder in den öffentlichen Fokus gerückt. Aber wer kümmert sich eigentlich | |
um diejenigen, die vom Frömmler zum Gotteskrieger werden und dann aber aus | |
islamistischen Gruppen aussteigen wollen? Die privat aus Spenden | |
finanzierte Aussteiger-Initiative für Neonazis, "Exit" bekommt in | |
unregelmäßigen Abständen Anfragen von radikalen Muslimen, die zurück in die | |
Normalität wollen. | |
Man habe schon einige Islamisten zum Rückzug bewegen können, sagt Bernd | |
Wagner, Geschäftsführer und Gründer von "Exit". Es werden Kontakte | |
hergestellt, Informationen weitergeben und Hilfen gezeigt, um einen | |
Ausstieg zu ermöglichen. "Handeln müssen die Hilfesuchenden aber selber", | |
so Wagner, "und schützen können wir niemanden". | |
Seit etwa vier Jahren gebe es Kontakt zu männlichen Personen aus dem | |
islamistischem Umfeld oder zu Eltern, die ein Abgleiten ihrer Söhne in | |
fundamentalistische, islamische Millieus befürchten. Der Austritt aus | |
solchen Gruppen sei schwieriger als bei Rechtsextremen, erklärt Wagner. | |
"Denn hier spielt der Ehrenkodex eine viel größere Rolle. Die Abweichler | |
müssen meist ihr altes Leben und ihre Familien vollständig hinter sich | |
lassen". | |
2003 plante als erstes deutsches Bundesland Niedersachsen ein | |
Aussteigerprogramm für islamische Extremisten. Zwar wurde damals an | |
konkreten Angeboten gefeilt, umgesetzt aber wurde das Projekt nie. | |
Im Unterschied zu Deutschland gibt es in anderen Länder entsprechende | |
staatlich finanzierte Aussteigerprojekte. Großbritannien investierte bisher | |
Millionen Euro in Programme, die Muslime, welche zum Extremismus neigen, | |
aber noch keine Straftaten begangen haben, zurückholen sollen. Auch | |
Saudi-Arabien, Ägypten und der Jemen haben Aussteigerprojekte ins Leben | |
gerufen. In Deutschland betragen die Mittel zur Extremismusbekämpfung zwar | |
24 Millionen Euro, die werden aber lediglich in den Kampf gegen Rechts | |
investiert. | |
Kristina Köhler, Islam-Expertin der Unionsfraktion im Bundestag, hält dies | |
für eine große Lücke in Deutschland. Dass Programme wie "Exit" in dieser | |
Hinsicht nicht staatlich unterstützt werden, findet sie nicht | |
nachvollziehbar."Noch gibt es beim Islamismus zu wenig öffentliche | |
Empörung. Bei Rechtsextremismus wird sofort aufgehorcht", sagt Köhler. | |
Die Islam-Expertin schiebt hinterher, dass es vor allem von der SPD | |
Widerstand gebe: "Die Sozialdemokraten werfen uns reflexhaft vor, wir | |
würden den Rechtsextremismus verharmlosen, wenn wir gleichzeitig die | |
Bekämpfung des Islamismus forden." Sie möchte in der nächsten | |
Legislaturperiode ein Aussteiger und Beratungsprojekt umsetzen. | |
Ein Vorhaben, das Lale Akgün, Islambeauftragte der SPD, begrüßt. Sie | |
fordert aber, noch viel früher anzusetzen: "Wir müssen erstmal die | |
Koranschulen hier besser kontrollieren. Keiner weiß genau, was in diesen | |
Schulen gelehrt wird, von denen zumindest einige fragwürdig sind". | |
16 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
## TAGS | |
Rechtsextremismus | |
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