# taz.de -- Persönliche Angaben im Internet: Unternehmen ist Datenschutz egal | |
> Viele Firmen im Web scheren sich nicht um die Datenschutzgesetze, zeigt | |
> eine neue Studie. Kein Wunder, denn die zuständigen Behörden sind mit der | |
> Kontrolle überfordert. | |
Bild: Ein Viertel der untersuchten Unternehmen macht gar keine Angaben zu genut… | |
Die meisten Internetanbieter scheren sich nicht um die Datenschutzgesetze. | |
Deren Einhaltung wird auch kaum überwacht. Das ist das Ergebnis einer | |
Studie des Karlsruher Instituts für Technologie und der Universität | |
Regensburg. "In dem von uns festgestellten Umfang sind die Mängel | |
erschreckend", sagte Klemens Böhm, Leiter der Karlsruher Forschungsgruppe, | |
taz.de am Donnerstag. | |
Das Forscherteam untersuchte insgesamt 100 Online-Shops, | |
Auktionsplattformen, Informationsportale und Suchmaschinen - darunter | |
Seiten wie das Nachrichtenportal Spiegel Online, die Reiseseite Expedia und | |
die Onlinepräsenzen der Versandhäuser Otto und Quelle. Sie wollten vor | |
allem eine Frage beantworten: Inwieweit ist es für Verbraucher transparent, | |
was mit seinen persönlichen Daten geschieht. Die Antwort fällt ernüchternd | |
aus: "Nur fünf von 100 Anbietern halten sich vollständig an die Gesetze", | |
sagt Böhm. | |
Beispielsweise geben 31 Anbieter nur sehr grob an, welche Daten von ihnen | |
erhoben werden. Sechs äußern sich dazu gar nicht. Etwa ein Drittel der | |
Unternehmen gibt auf ihren Seiten keinerlei Hinweis darauf, wie lange Daten | |
der Kunden gespeichert werden. | |
Ähnlich finster sieht es aus, wenn die Datenerhebung per verborgener | |
Technik also beispielweise per Cookie geschieht. Es ist gesetzlich | |
vorgeschrieben, dass Nutzer über Art, Umfang und Zweck der erhobenen Daten | |
informiert werden. Tatsächlich passiert etwas ganz anderes: Ein Viertel der | |
untersuchten Unternehmen macht gar keine Angaben zu genutzten Cookies, der | |
große Rest informierte laut Studie entweder unzureichend oder gar falsch. | |
Per Gesetz muss der Kunde zustimmen, wenn der Anbieter die Daten für andere | |
Zwecke weiterverarbeiten will. Und selbst wenn der Kunde dazu einmal Ja | |
gesagt hat, kann er seine Einwilligung später wieder zurückziehen. Doch das | |
ficht viele Unternehmen offenbar nicht an. Zwölf Firmen holen sich die | |
Zustimmung gar nicht erst, 18 weisen nicht auf die Möglichkeit des | |
Widerrufs hin. | |
Außerdem können viele Nutzer nicht erkennen an wen Anbieter ihre Daten | |
weitergeben. Zwanzig Prozent der untersuchten Firmen geben nicht an, wer | |
Daten von ihnen bekommt. Über ein Viertel der Unternehmen führen für die | |
Weitergabe keine Gründe an. | |
Selbst wenn Nutzer bei Unternehmen explizit nachfragen, bekommen sie oft | |
nicht heraus, welche ihrer Angaben gespeichert wurden und wen der Anbieter | |
noch alles damit beliefert hat. "Mehr als 35 Prozent der Anbieter nehmen | |
die Auskunftspflicht nicht wahr", sagt Klemens Böhm, "außerdem löschen sie | |
die personenbezogenen Daten nicht." | |
Gruselig wird es, wenn die Unternehmen begründen sollen, wieso sie gegen | |
die Gesetze handeln. Einige behaupteten, das Löschen von Daten sei | |
technisch unmöglich, andere behaupten, man sei bei ihnen überhaupt nicht | |
registriert. | |
Klemens Böhm zieht daraus vor allem den Schluss, dass neue | |
Datenschutzgesetze nichts bringen: "Ich kann den Sinn neuer Gesetze nicht | |
erkennen, wenn schon die bisherigen kaum beachtet werden", sagt der | |
Forscher. Die Nutzer selbst könnnten das Problem am besten lösen. | |
In Karlsruhe forscht man derzeit an einem Portal, bei dem die Nutzer | |
Unternehmen nach bestimmten Kriterien bewerten und Datenschutzverstöße | |
anzeigen können. "So kann der mündige Konsument die Firmen zum Umdenken | |
bewegen", glaubt Böhm. | |
Zuständig für die Kontrolle der Unternehmen sind in Deutschland die | |
Datenschutzbeauftragten der Länder. "Die müssen endlich personell | |
aufgestockt werden", sagt Markus Beckedahl von Netzpolitik, einem Blog für | |
digitale Bürgerrechte, "nur so können sie ihre Kontrollfunktionen | |
erfüllen." | |
Tatsächlich ist es derzeit eher unwahrscheinlich, dass die Datenschützer | |
der Länder flächendeckend prüfen können, wo etwas falsch läuft. Im | |
Landesamt für Datenschutz in Schleswig-Holstein beispielsweise sind sechs | |
Mitarbeiter dafür zuständig, die etwa 100.000 Unternehmen im Land zu | |
kontrollieren, fast alle davon haben zumindest eine Homepage. | |
Für den Bereich Internetunternehmen ist nur eine halbe Stelle vorgesehen. | |
"Deshalb haben wir ein wahnsinnig großes Vollzugsdefizit", sagt | |
Landesdatenschützer Thilo Weichert. "Es gibt einfach zu viele Verstöße als | |
dass wir sie alle bearbeiten könnten." | |
Man wisse beispielsweise, dass etwa 80 Prozent der Web-Firmen für das | |
Sammeln von Kundendaten das Programm Google Analytics benutzen. "Das kann | |
gar nicht gesetzeskompatibel eingesetzt werden", sagt Weichert, "denn das | |
Programm lässt weder eine Benachrichtigung des Nutzers noch ein | |
Widerspruchsrecht zu." Aufgrund ihrer Ausstattung sei es den Datenschützern | |
jedoch schlichtweg unmöglich gegen die große Menge an Firmen vorzugehen, | |
die Google Analytics verwenden. Statt dessen verhandeln die | |
Landesdatenschützer mit dem Google-Konzern über eine einvernehmliche | |
Lösung. Laut Weichert stellt sich der Konzern bisher quer. | |
Der Datenschutzexperte und Unternehmensberater Hans Gliss gibt den | |
Datenschutzprüfern dagegen eine Mitschuld an der derzeitigen Situation: | |
"Die Behörden müssen ja nicht auf einmal alle Betriebe kontrollieren", sagt | |
Hans Gliss, den Firmen und Wirtschaftsverbände oft in Datenschutzfragen | |
konsultieren. "Wenn die Landesdatenschützer mit ein paar Unternehmen | |
anfangen würden, könnten sie damit ein deutliches Zeichen setzen." Gliss | |
glaubt, dass "die richtige Motivation fehlt". | |
Doch es gibt noch ein weiteres Problem: Viele der gesetzlichen Verstöße | |
könnten nach dem bisherigen Recht gar nicht wirkungsvoll geahndet werden, | |
sagt Weichert: "Wenn ein Anbieter beispielsweise nicht bekannt gibt, wann | |
er Daten weitergibt oder wo er Cookies setzt, dann ist das nicht | |
sanktionsbewehrt." Im Klartext: In solchen Fällen sehen die Gesetze keine | |
Bußgelder vor und daher scheren sich die Unternehmen offensichtlich nicht | |
darum. | |
Abhilfe ist hier wenigstens für den Fall in Sicht, dass ein Unternehmen auf | |
Nachfrage die Auskunft verweigert. Ab dem 1. April 2010 kann in solchen | |
Fällen ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro verhängt werden - dank der | |
letzten Novellierung des Datenschutzgesetzes in diesem Sommer. | |
Deshalb halten Datenschützer Weichert und Blogger Beckedahl die Ansicht der | |
Forscher, es brauche keine neuen Gesetze, für Unsinn. Sie glauben: Klarere | |
Regeln und schärfere Bußgelder könnten viele Unternehmen dazu bringen, mit | |
den Daten ihrer Kunden umsichtiger zu verfahren. | |
Nach Ansicht der Internet-Branche tut sie das übrigens bisher schon. "Nach | |
unserer Erfahrung ist es aus vielerlei Gründen im eigenen Interesse der | |
Unternehmen, sich an die Datenschutzbestimmungen zu halten", sagt Marita | |
Strasser, Sprecherin des Verbandes der Internetwirtschaft eco, "das Thema | |
ist den Unternehmen ein sehr wichtiges Anliegen." | |
3 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
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