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# taz.de -- Gentrifizierung: Stadt verscherbelt Garten Eden
> Lukrative "Kreativimmobilie" statt Kunst-Biotop: Hamburg verkauft das
> Grundstück des "Gartenkunstnetzes" im Schanzenviertel. Die
> Kultursenatorin schweigt.
Bild: Verkauft: Das Gartenkunstnetz im Schanzenviertel.
"Dieser Platz ist besetzt!" Ein handgemaltes Schild, unspektakulär an einem
Gartenzaun in der Eifflerstraße dicht hinter den Bahngeleisen platziert.
Ein Schild, wie es schon so viele gab in dieser Stadt; die Resultate der
Besetzungen variierten wie deren Protagonisten.
Der kleine Platz im Schanzenviertel, den die Stadt jetzt verkaufen will,
ist seit dem Wochenende besetzt - temporär von Menschen, ganzjährig von
Kunst. Beziehungsweise der Symbiose von Natur und Kunst: "Gartenkunstnetz"
heißt der 2003 gegründete Verein, der das 257 Quadratmeter große Gelände
von der Stadt gemietet hat, um künstlerische Pflanzen- und
Insektenforschung, Lesungen, Theater und Konzerte zu bieten. Zwischen
Bauwagen, Pappeln und einem betagten Apfelbaum verstecken sich
Band-Probenräume und Ateliers; eins davon als Baumhaus hoch im Geäst.
Ein Idyll, das bislang nur durch vorbeiratternde Züge gestört wurde. Jetzt
hat sich der Störfaktor Gentrifizierung dazugesellt, genauer: die Hamburger
Finanzbehörde. Die hat im vorigen Jahr für das "Gartenkunstnetz"-Grundstück
- nebst vier benachbarten Parzellen - ein Gebotsverfahren ausgeschrieben.
Gesucht wurde, wie schon oft in der Aufhübschungs-Hochburg Schanze, ein
Investor, der das insgesamt 1.133 Quadratmeter Gelände bis zu
viergeschossig bebauen sollte.
Als "Kreativimmobilie" soll das Projekt, das die Sanierungsträgerin Steg im
Auftrag der Stadt entwarf, fungieren, sprich: den Stadtteil durch die
Anwesenheit "Kreativer" aufwerten. Werkstätten, Büros und Ateliers sind
geplant, wobei das Projekt laut Ausschreibung "die Schaffung preisgünstiger
Mieteinheiten auch durch experimentelle Bauweise gewährleisten sollte". Wie
günstig genau, vermerkt das Schreiben nicht. Dafür regt es die Übergabe der
Räume im Rohbau an, den die Mieter fertig stellen sollen. Ein Detail, das
klar auf Künstler zielt, die - wie beim Ottenser Künstlerhaus Frise -
Immobilien ausbauen, nutzbar machen und nebenbei die Immobilie aufwerten.
In der Eifflerstraße soll der Investor zudem mit dem künstlerischen Umfeld
gelockt werden. "Zynisch" findet Gartenkünstler Dreyer das, sollen doch
gerade Experimentier-Oasen wie seine, die gezielt Nachwuchs-Stipendien
vergeben, durch die "Kreativimmobilie" verdrängt werden. Ein struktureller
Eingriff sei das, kein punktueller, findet Dreyer. Dann sei Schluss mit dem
"Hauch der alten Schanze", der durch sein "bundesweit einzigartiges
Projekt" wehe. Und anders als die Galerie für Landschaftskunst, mit der er
freundschaftlich kooperiert, "brauchen wir einen stetigen Ort".
Doch der wird bald gerodet sein: Ein Investor sei bereits gefunden, sagt
Julia Dettmer von der Sanierungsträgerin Steg. Und wenn die städtische
Bodenkommission zustimmt - meist bloße Formalie -, können Verkauf,
Planierung und Bau beginnen. Noch im September solle das Verfahren
abgeschlossen werden, vermutet Dreyer.
Dettmer bestätigt dies nicht und verweist auf die Finanzbehörde. Die
ihrerseits war gestern nicht erreichbar. Auch Kultursenatorin Karin von
Welck (parteilos) schweigt sich aus. "Wir äußern uns nicht, bevor wir die
Pläne des Investors kennen", ließ sie ausrichten. Vielleicht wolle der
Käufer ja Raum für Künstler schaffen. Zur Frage, ob ein Atelier dasselbe
sei wie ein Ort unter freiem Himmel und warum wieder mal ein Kunst-Areal
verscherbelt wird - dazu äußerte sich die Kultursenatorin nicht.
14 Sep 2009
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Hamburg
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weichen. Als ob sie das nicht schon wäre!
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