# taz.de -- Leben im Patriarchat: Schwankende Zwischenbilanz | |
> Ist das männliche Turniergehabe, das wir mit leise-ambivalenter | |
> Verachtung als archaisches Sandkastenspiel betrachten, nicht doch ernst | |
> zu nehmen? | |
Bild: Der TV-Dreikampf zur Wahl: Die Männerrunde von der Opposition. Guido Wes… | |
Nun ja, ich mag die Jungs. Sie machen mir keine Angst, haben mich nie | |
schlecht behandelt, und das Kaffeekochen im Dienst ist auch schon ganz | |
lange her. Aber je länger man lebt, umso einfacher werden die Dinge: in | |
Konferenzen abwarten, bis jeder Mann, der auf sich hält, sein Teil geredet | |
hat. Mit anderen Frauen Blicke tauschen; manche lächeln still, manche | |
verdrehen die Augen. Die inneren Konferenzen werden kürzer, doch der | |
Kometenschweif glüht nach: Warum lassen wir uns das bieten? Sollten wir | |
nicht? Die andere Seite pariert mit melancholisch-narzisstischem Lächeln: | |
Lass sie doch, die Jungs, die brauchen das. | |
Zwei Fragen immerdar: Ist das die Feigheit des Mädchens, das nicht alles | |
riskieren will, nicht Anmut & Charme & Weiblichkeit, und das sich vor der | |
Einsicht drückt, es könnte vielleicht nicht bestehen? Das ist aber nicht so | |
wichtig. Von Bedeutung ist nur die andere Frage - ob das Turniergehabe, das | |
wir mit leise-ambivalenter Verachtung als archaisches Sandkastenspiel | |
betrachten, nicht doch der Anfang vom Panzerkrieg ist. Bis einer heult! Und | |
ob wir, im ruhigen Westen, uns nicht moralisch verschulden, wenn wir das | |
lässig nehmen, mit anthropologischer Ironie, mit unserem "Der ist nicht | |
böse, der will nur spielen". Ob es nicht unsere Aufgabe wäre, mit | |
historischem Pathos gesprochen, gerade jetzt, an dieser Stelle, | |
unnachgiebig zu sein, lästig, nicht elegant. Aufs Zuhören zu pochen, auf | |
Symmetrie. Unsere Jungs nicht zu verziehen, die kleinen und die großen. | |
Ich gebe zu, ich schwanke. Das ist meine Gegenwart. Ich denke: Berlusconi, | |
Schmidt et alii, das sind verschwindende Größen. Schröder natürlich auch. | |
Und der Dosenpfand-Umweltminister Trittin und Fischer, und jetzt ist ja | |
eine Kanzlerin da. Aber natürlich weiß ich, dass Gesine Schwan explizit als | |
Frau an Grenzen stößt, und ich sehe, in meiner Sphäre, dass vieles beim Al- | |
ten geblieben ist: Die Jungs machen das unter sich aus; es gibt eine kleine | |
Revolte, die Plätze werden neu verteilt, dann ist wieder Ruhe im Karton bis | |
zum nächsten Mal. Das geht ganz prima ohne uns, es geht überhaupt nur ohne | |
uns. Wir haben es alle einzeln geschafft, was immer es war, und es ist ganz | |
unter unserer Würde, uns jetzt noch als Frauen zu organisieren. Der | |
Biologismus der Benachteiligten, den wollen wir aber nicht! | |
Es sind immer dieselben Konflikte. Es sind, scheint mir, auch immer | |
dieselben Lösungen: freundliche Unnachgiebigkeit. Strukturelle Maßnahmen, | |
die Individuen entlasten; die berühmten Rahmenbedingungen, die dafür | |
sorgen, dass Männer- und Frauenbiografien sich einander angleichen können, | |
ohne dass die Einzelnen einen Preis dafür zahlen, der sie deformiert. | |
Gesetze, Reformen, Erlasse; das ganze dröge Zeug, das so schwer zu kriegen | |
ist, und die einzige Chance. Auch für die Jungs. | |
P. S. zum frühkindlichen Kram: Als Mutter eines Kindergartensohnes führe | |
ich nicht den vergeblichen Kampf gegen Lärmen, Kämpfen, Monsterfiguren. | |
Offenbar muss da etwas sein, wie bei den Mädchen die Prinzessin Lilifee, | |
woran die Konzepte scheitern. Und als Schwester dreier friedlicher Brüder, | |
die alle Indianer waren, bin ich da sorglos, gelassen. Ich denke an die | |
Erwachsenen. Nicht an Angleichung in allem, sondern an Teilung der Sphären: | |
Ob Box- oder Ruderklub, es sollte immerhin möglich sein, dass Jungs die | |
Sachen unter sich so austragen, wie es ihnen behagt, während wir reden, | |
reden, Prosecco trinken. Nur da, wo wir uns treffen, eben in den | |
Konferenzen, wo jetzt noch die Alphatiere, männlich, reden, und die | |
Alphatiere, weiblich, verkniffen lächelnd schweigen, da trieze ich mich zur | |
Mündigkeit. | |
Abdruck aus: Friederike Girst (Hrsg.): "Herrschaftszeiten!". DuMont, Köln | |
2009, 250 S., 16,95 € (70 Beiträge über das Patriarchat von prominenten | |
Frauen aus Kultur, Kunst, Sport, Wirtschaft und Wissenschaft) | |
17 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Elke Schmitter | |
## TAGS | |
Kolumne Diskurspogo | |
Literatur | |
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