# taz.de -- Diskriminierung im Büro: Wer Kopftuch trägt, ist Islamistin | |
> Ein Architekturbüro lehnt eine Kopftuch tragende Bewerberin ab - wegen | |
> "islamistischer Einstellung". Das ist kein Einzelfall. | |
Bild: Haben es schwerer als andere: Kopftuchträgerinnen. | |
FRANKFURT/MAIN taz | Naime B. (26) hat an der Gießener Fachhochschule | |
studiert, als Diplom-Ingenieur-Architektin abgeschlossen, ihre Praktika | |
absolviert, im Beruf gearbeitet und sich online bei einem Architekturbüro | |
im hessischen Friedberg beworben. Ihr Bewerbungsfoto zeigt sie fröhlich | |
lächelnd. Sie trägt ein schwarzweißes Kopftuch mit Wellenlinien. | |
Die Absage kam prompt. Man suche "einen Mitarbeiter/in für die Bauleitung, | |
nicht für die Planung" hieß es knapp. Und dann ausführlicher: "Außerdem | |
kommt eine Mitarbeiterin mit islamistischer Grundeinstellung mit dem Symbol | |
des Kopftuches als Unterdrückung der Frauen nicht in Frage. Das Kopftuch | |
ist ein Symbol politisch gewollter Unterdrückung und kein Ausdruck | |
persönlichen Glaubens (wie fälschlicherweise oft behauptet wird). Dies | |
können wir in unserem Büro leider nicht akzeptieren." | |
Naime B. fühlte sich "schockiert, beleidigt und ungerechtfertigt | |
angegriffen" und "in ihrer Würde zutiefst verletzt". Allein aus dem | |
Kopftuch könne eben nicht auf ihre und die Grundhaltung anderer | |
Kopftuchträgerinnen geschlossen werden. Sie holte sich Hilfe bei dem | |
"Clearingprojekt: Zusammenleben mit Muslimen" beim Interkulturellen Rat in | |
Darmstadt, erstattete Strafanzeige und klagte beim Arbeitsgericht auf | |
Schadensersatz wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz | |
(AGG) und Artikel 3 des Grundgesetzes. Sie forderte drei Monatsgehälter, | |
insgesamt 9.000 Euro. Selbst möchte sie nicht öffentlich Stellung beziehen. | |
Zu viel "Medienrummel" habe es in der Vergangenheit um Frauen gegeben, die | |
das Tragen des Kopftuches verteidigen. | |
Torsten Jäger vom Interkulturellen Rat wird deutlicher. Immer wieder kämen | |
Beschwerden ähnlicher Art. "Die Absage ist ein exemplarisches Zeichen | |
dafür, dass wir ein Klima in Deutschland haben, in dem es als | |
avantgardistisch gilt, das zu sagen, was andere heimlich denken." Dies sei, | |
meint Jäger, vor allem der Debatte um das Kopftuchverbot in Schulen | |
geschuldet. Dadurch seien Vorurteile befördert worden, dass das Kopftuch | |
"per se ein Zeichen für Unfreiheit" und jede Trägerin "auch Islamistin" | |
sei. | |
Die Absage sei "nur die Spitze des Eisberges". Junge Frauen mit Kopftuch, | |
die die zur Integration immer wieder geforderte Bildung erworben hätten und | |
nach Abitur und Studium ins Berufsleben wollten, hätten es sehr viel | |
schwerer als andere. Immer häufiger seien derzeit auch Fälle von | |
Diskriminierung bei der Wohnungssuche. Selbst Tischreservierungen in | |
Restaurants seien "bei Augenschein" schon storniert worden. | |
Im Sommer scheiterte ein Gütetermin zwischen dem Friedberger | |
Architekturbüro und Naime B. Die Firma entschuldigte sich und erklärte, sie | |
habe keinesfalls diskriminieren wollen, sondern auch schon in der | |
Vergangenheit "Mitarbeiter mit islamischem Glauben beschäftigt" und somit | |
"ein normales Verhältnis zu anders Gläubigen". Die Bewerberin sei lediglich | |
abgelehnt worden, weil sie nicht genug Berufserfahrung habe. Man könne sich | |
aber auf einen Schadensersatz von 3.500 Euro einigen. Naime B. lehnte ab. | |
Ein neuer Termin soll Ende Oktober vor dem Arbeitsgericht Gießen | |
stattfinden. Torsten Jäger ist optimistisch, dass zugunsten von Naime B. | |
entschieden werde: "Es ist wichtig, dass jemand, der etwas sagt, was er | |
hinterher am liebsten nicht gesagt hätte, merkt, dass das auch Geld | |
kostet." | |
14 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Heide Platen | |
## TAGS | |
Kopftuchverbot | |
Schwerpunkt Syrien | |
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