Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kreativstadt: Gängeviertel vor Totsanierung
> Der Investor im Gängeviertel hat die Zahlungsfrist überraschend
> eingehalten. Aller Voraussicht nach müssen die Künstler nun weichen.
> Aufgeben wollen sie aber nicht.
Bild: Noch morbid, bald wohl tot: Das Gängeviertel.
Die Dame spricht deutsch, aber ihr Akzent klingt nach Nordamerika. An ihrer
Seite hat sie ein älteres Ehepaar, das offensichtlich in Hamburg zu Besuch
ist. Die Dame erzählt, dass dies hier nicht nur eine Galerie sei, sondern
dass es um mehr ginge. Die Künstler hätten diesen Ort besetzt, um ihn vor
dem Abriss zu bewahren. Auch in New York würde man über diesen Ort
sprechen, sagt die Dame und weist dem Besuch den Weg in dem alten Gebäude.
Das Gebäude heißt Kutscherhaus und gehört zum Gängeviertel in der Hamburger
City.
Was die Dame nicht weiß ist, dass sich wenige Stunden vor ihrer Führung
etwas Entscheidendes getan hat in Sachen Gängeviertel. "Der Investor
Hanzevast hat die fällige Rate fristgemäß bezahlt", hatte der Hamburger
Senat mitgeteilt. Damit steht Hanzevast kurz davor, das Kaufgeschäft mit
der Stadt über das Gängeviertel abzuschließen. Alles sieht danach aus, dass
nun aus Sicht der Künstler der schlimmstmögliche Fall eintritt.
Die Immobilienfirma aus den Niederlanden will 80 Prozent der Gebäude
abreißen, um Büros und Wohnungen zu errichten. Zwar sollen die Fassaden
größtenteils stehenbleiben, mit dem alten Gängeviertel aber wird das nichts
mehr zu tun haben: Die Gebäude werden entkernt und hergerichtet für eine
Klientel, die denkbar weit entfernt ist von den Arbeitern, die einst im
Gängeviertel lebten und von den Künstlern, die es zuletzt nutzten.
Ende August hatte die Künstlerinitiative "Komm in die Gänge" das
Gängeviertel besetzt und ein kulturelles Hoffest gefeiert, das bis heute
andauert. Beteiligt hätten sich bislang über 400 Menschen, sagt die
Initiative. Zu den Unterstützern gehören Promis wie der Künstler Daniel
Richter und der Regisseur Fatih Akin. Ziel der Initiative ist es, das
Gängeviertel in seiner historischen Gestalt zu bewahren und zu einem selbst
verwalteten Quartier mit kultureller und sozialer Nutzung zu entwickeln.
Bis zum gestrigen Dienstag war nicht klar, ob der Investor Hanzevast seinen
Vertrag mit der Stadt erfüllen würde. Bereits Mitte September hatte
Hanzevast eine Zahlungsfrist verstreichen lassen. Eine zweite Zahlungsfrist
endete am vergangene Freitag. Gestern vermeldete der Senat den Eingang des
Geldes. Endgültig abgeschlossen ist das Geschäft allerdings erst am
kommenden Montag: Dann endet eine weitere Frist eines Vertrags, den der
Investor mit der stadteigenen Sprinkenhof AG geschlossen hat. Hanzevast war
am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) wird nun Gespräche mit dem
Investor anbahnen in der Hoffnung, dass dieser die Künstler in seine Pläne
miteinbezieht. "Wir können reden, aber es gibt letztlich keine Handhabe
mehr", sagt von Welck. Falls die Künstler weichen müssen, arbeite die
Kulturbehörde daran, "den Künstlern eine Alternative anzubieten". Konkrete
Ideen dafür gibt es in der Kulturbehörde noch nicht. Man rechne damit, dass
sich nach den öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Künstler auch noch neue
Möglichkeiten ergäben, sagt Sprecherin Ilka von Bodungen.
Die Künstlerinitiative kann sich nicht vorstellen, Teil der Planungen des
Investors zu werden. "Unsere Vorstellung des Zusammenlebens im Gängeviertel
muss bleiben", sagt Christine Ebeling von der Gängeviertel-Initiative.
"Darauf wird sich der Investor garantiert nicht einlassen." Die Initiative
wird nun weitermachen mit dem Hoffest, dem Protest und den Gesprächen mit
der Stadt. "Wir möchten auch die Stadtentwicklungsbehörde auffordern, sich
zu artikulieren", sagt Ebeling. Deren Chefin heißt Anja Hajduk und ist
nicht parteilos, sondern grün.
20 Oct 2009
## AUTOREN
Klaus Irler
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gängeviertel-Chaostage: Halbseidenes Hickhack
Der Gängeviertel-Investor kündigt Räumungen an und wirft dem Senat
Versäumnisse vor. Die beteiligten Behörden suchen derweil unter Schmerzen
nach einer gemeinsamen Position.
Kommentar Aus für das Gängeviertel: Die Stadt kalt erwischt
Eine Kreativstadt will Hamburg sein. Ob der Investor Hanzevast das
Gängeviertel entsprechend gestaltet, ist eher unwahrscheinlich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.