# taz.de -- Passage-Kino: Die Erben, die Multiplexe und das Kino | |
> Das älteste Kino Hamburgs ist geschlossen und wird derzeit ausgeweidet. | |
> Betreiber Cinemaxx schiebt die Schuld auf eine geplante Mieterhöhung - | |
> ein Vorwand, sagen Kritiker. Das Cinemaxx habe das Kino in Innenstadtlage | |
> schließen wollen, weil es Zuschauer von den Multiplexen abzog. | |
Bild: Das Passage-Kino wird derzeit ausgewaidet. | |
Es gibt ein Foto vom August 1944, das zeigt die von alliierten | |
Bombenangriffen zerstörte Stadt Hamburg. Nur das Passage-Theater in der | |
Mönckebergstraße, das heutige Passage-Kino, ist heil geblieben und spielt. | |
Heute ist es umgekehrt. | |
Seit Mitte November ist das das älteste noch erhaltene Hamburger Kino | |
geschlossen. In diesen Tagen sieht es so aus, als würde dort ein Film | |
gedreht. Leider ist er von Roland Emmerich. Palmen werden rausgetragen, | |
natürlich durch den Hinterausgang, Richtung Speersort, wo ein Container | |
steht. Büromöbel, Holzverkleidungen, Blumenkübel, alles fliegt raus. | |
Drinnen, im Großen Saal, die abgebauten Sitze unter Zellophan, sie sollen | |
eingelagert werden. Und Charlie Chaplin als Tramp aus Pappmaché, der sich | |
alles anguckt. Lustig ist das nicht. | |
Alles, was zum Betrieb eines Kinos unablässig ist: Lautsprecher, | |
Projektoren, Teller, gehören der Cinemaxx AG, die wiederum zu 69 Prozent | |
dem Medienunternehmer Herbert Kloiber und seiner Tele-München-Gruppe | |
gehört. Die Cinemaxx AG ist der Betreiber des Kinos, und in Hamburg gibt es | |
Stimmen, die sagen, dass sie das Passage-Kino schließt, weil es zu | |
erfolgreich war - und den Multiplexen Konkurrenz machte. 150.000 Besucher | |
im Jahr soll das Passage-Kino gehabt haben. Der Betriebsrat spricht davon, | |
dass es eines der lukrativeren Häuser der Cinemaxx AG war. | |
"Die Behauptung der Cinemaxx AG, dort ließe sich kein rentables Kino | |
betreiben, stimmt nicht", sagt auch Jens Meyer vom 3001, einem | |
Programm-Kino im Hamburger Schanzenviertel. Nach offiziellen Angaben der | |
Cinemaxx AG muss das Kino schließen, weil der Vermieter die Miete erhöhen | |
wollte, doch das, sagt Meyer, sei nur ein Ablenkungsmanöver: "Dort wurde | |
seit zehn Jahren die Miete nicht erhöht. Die Cinemaxx AG nutzt diesen | |
Vorwand, um das Haus zu schließen, weil das von Anfang an so geplant war." | |
Mitten im sich leerenden Passage-Kino steht Holger Steinert, der das Kino | |
21 Jahre leitete. Er wehrt sich gegen den Eindruck, die Cinemaxx habe kein | |
Interesse am "Passage" gehabt. "Wir haben das Kino nicht verlottern | |
lassen", sagt er. Für ihn liegt die Schuld beim Vermieter, der | |
Immobilienverwaltung Arnold Hertz & Co Rostock GmbH. Die habe eine | |
Mieterhöhung angekündigt, die so nicht gegangen wäre. "Die ersten Zahlen, | |
die da genannt wurden, waren nicht wirtschaftlich", sagt Steinert. Doch | |
statt Verhandlungen zu führen, habe Hertz der Cinemaxx gekündigt. | |
Bei der Hertz GmbH war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Die | |
Immobilienverwaltung vertritt die 40 Erben des Grundstücks, das unter den | |
Nazis enteignet und später zurückerstattet wurde. Die Erben wohnen in den | |
USA, Uruguay und England. | |
Das "Passage" in der Mönckebergstraße liegt, was den Wert als Immobilie | |
anbelangt, in einer 1a-Lage. Drum herum nur Edelboutiquen, die | |
Quadratmeterpreise von 180 bis 200 Euro erwirtschaften müssen. Das sei, so | |
Steinert, mit einem Kino nicht zu schaffen. | |
Immerhin scheint es die Cinemaxx AG nicht darauf anzulegen, dass nach dem | |
Passage-Kino kein anderes an diesem Ort aufmacht. Die Popcornmaschine ist | |
noch da, die Lüftung auch. Die Lüftung ist wichtig. Wenn die jungen Männer | |
in den groben Hosen, die das Kino auswaiden, auch noch sie herausreißen, | |
wird es für einen Nachfolger schwierig, hier ein Kino zu betreiben. "Wir | |
verhandeln mit dem Vermieter", sagt Steinert. | |
Wie man aus der Branche hört, gibt es zwei Bewerber, die in den | |
Räumlichkeiten weiterhin ein Kino betreiben wollen. Ein Hamburger | |
Kinobetreiber und Hans-Joachim Flebbe, der bei der Abschiedsvorstellung am | |
18. November war und auf die Frage einiger der 18 Passage-Mitarbeiter, ob | |
er nicht das Kino übernehmen wolle, sibyllinische Antworten gegeben hatte. | |
Flebbe hat 1973 als Programmgestalter des Apollo-Kinos in Hannovers | |
Arbeiterstadtteil Linden begonnen. Im Jahr 1977 übernahm er die so | |
genannten Raschplatz-Kinos am Hannoverschen Hauptbahnhof. Gemeinsam mit | |
Bodo Scriba und dem Stuttgarter Medienunternehmer Rolf Deyhle gründete | |
Flebbe 1989 die Cinemaxx-Gesellschaft, und eröffnete am 8. März 1991 das | |
erste Cinemaxx-Kino in Hannover. Bis 2002 wurden zahlreiche weitere | |
Großkinos in deutschen Städten eröffnet. | |
Nach Differenzen über die Ausrichtung des Unternehmens schied Flebbe im | |
September 2008 als Vorstandschef aus und wechselte in den Aufsichtsrat, aus | |
dem er im Januar 2009 ausschied. Flebbe gründete ein neues Unternehmen zum | |
Betrieb von Filmkunstkinos. Von Cinemaxx übernahm er den "Filmpalast | |
Berlin" und machte eine "Film Lounge" daraus. | |
In Hamburg gibt es jetzt nur noch das Holi als traditionelles Kino. Auch | |
dieses wird von der Cinemaxx betrieben. Der Mietvertrag läuft noch drei | |
Jahre. Was dann passiert weiß keiner. | |
24 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Roger Repplinger | |
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Programmkino | |
Kino | |
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