# taz.de -- Karriere und Koch: Jungs verhängnisvolle Begegnung | |
> Der ehemalige Arbeitsminister ist als Verteidigungsminister gescheitert. | |
> Er hätte Roland Koch nicht über den Weg laufen sollen. | |
Bild: Die Rangordnung ist schon lange klar: Franz Josef Jung und Roland Koch. | |
BERLIN taz Wenn einer den größten Blödsinn angestellt hat in seinem Job, | |
die falschen Entscheidungen getroffen hat, die Kollegen vergrätzt und die | |
Chefin in Schwierigkeiten gebracht, dann fragt man sich, wie um Himmels | |
willen dieser Mensch jemals auf diese Position geraten konnte. Wie Franz | |
Josef Jung je Verteidigungsminister werden konnte. | |
Die Antwort ist einfach. Er hat den falschen Mann getroffen. | |
Dieser Mann ist ein Teenager, der zwar schon einen Schlips trägt, den seine | |
Mutter aber noch zu den Versammlungen der Jungen Union transportieren muss. | |
Er ist neun Jahre jünger als Franz Josef Jung, und sie begegnen sich Mitte | |
der Siebzigerjahre auf einem Bezirksparteitag im Main-Taunus-Kreis. Jung | |
wird sich noch Jahrzehnte später erinnern, dass ihm der Jüngling aus | |
Eschborn gleich aufgefallen ist. Es wird der Mann, der sein Leben bestimmt. | |
Roland Koch. | |
Sie sind Freunde geworden, schnell wird die Rangordnung klar. Die Nummer | |
eins, das ist Koch. Und Jung der Gefolgsmann. Sie sitzen zusammen an der | |
Autobahnraststätte Wetterau, wo eine Handvoll Halbstarke der Hessen-CDU die | |
Tankstellen-Connection gründete, und sie gehen beide in den Andenpakt, | |
einen deutschlandweiten Männerbund der Union. Sie machen Skiferien und | |
steigen gemeinsam auf in ihrer kampfverbandartigen hessischen CDU. | |
1999 beschließen die zwei eine ausländerfeindliche Kampagne, die sie in die | |
Regierungszentrale in Wiesbaden führte. Koch ist jetzt der | |
Ministerpräsident, Jung der Chef der Staatskanzlei. | |
Ein Jahr später waten sie beide im CDU-Spendenmorast. Ihr Kampfverband hat | |
sich jahrelang mit Millionen von Geheimkonten in der Schweiz versorgt, und | |
ein Parteiangestellter hat gleich noch etwas für sich abgezweigt. Koch und | |
Jung streiten ab, über irgendwas Bescheid gewusst zu haben, obwohl Jung | |
Generalsekretär der Landes-CDU war. Es gibt nichts Schriftliches. | |
Irgendwann tauchen an Jung adressierte belastende Briefe auf, aber der | |
Jurist behauptet, sie nie bekommen zu haben. Doch der Druck seitens des | |
Koalitionspartners FDP wächst, Koch muss ein Opfer bringen. Jung übernimmt | |
das. | |
So etwas verbindet. Aufstieg, Krise. Wissen übereinander. | |
Bei nächster Gelegenheit holt Koch Jung zurück und macht ihn zum Chef der | |
Landtagsfraktion. Koch träumt von Berlin, bei Jung ist das nicht so sicher. | |
Er liebt seine Heimat, den Rheingau, er ist vorsichtig und redet lieber | |
beim Wein als im Fernsehen. | |
Aber als Merkel in Berlin endgültig nach oben kommt, beschließt Koch, dass | |
Ministerpräsident die bessere Position ist zum Lauern. Doch er will am | |
Tisch der Macht in der Hauptstadt vertreten sein. Am besten durch den | |
treuen Freund. | |
Zur Bundestagswahl 2005 tritt Jung als Spitzenkandidat der Hessen-CDU auf. | |
Das ist ungewohnt für den bärigen Mann im Zweireiher. | |
Es ist nicht so, dass Franz Josef Jung ein völliger Trottel ist. Er hat | |
Qualitäten. Er kann schweigen und schuften und einstecken wie ein Grizzly. | |
Sein Vater war Winzer in Eltville-Erbach. Der Sohn musste mit dem kleinen | |
Bruder um vier Uhr morgens in den Weinberg, um sieben in die Schule und | |
danach wieder an die Rebstöcke. Er hat mit 20 Jahren das Gut übernommen, | |
als sein Vater an Krebs starb, und nebenher Jura studiert. | |
Aber er ist eher ein leiser Mensch, und wenn er Wahlkampfsprüche ruft, | |
wirkt das meist gezwungen. Auf einen Bundesminister leuchtet das | |
Scheinwerferlicht noch greller, die Entscheidungen müssen noch schneller | |
fallen. | |
Egal. Koch machte die Pläne, Koch entschied, Koch musste die optimale | |
Position bekommen. | |
Und Jung den Posten, auf dem er scheiterte. GEORG LÖWISCH | |
28 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Georg Löwisch | |
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