# taz.de -- Volksabstimmung: Schweizer für Minarett-Verbot | |
> Die Initiative von zwei rechtspopulistischen Parteien kam durch: Gut 57 | |
> Prozent der Schweizer stimmten bei einem Referendum dafür, den Bau von | |
> Minaretten zu verbieten. | |
Bild: Plakate warben landesweit für ein Verbot von Minaretten. | |
GENF taz | In der Schweiz dürfen künftig keine Minarette mehr gebaut | |
werden. Eine entsprechende Initiative von zwei rechtspopulistischen | |
Parteien erhielt bei einer Volskabstimmung am Sonntag die überraschende | |
Mehrheit von 57 Prozent der rund fünf Millionen Stimmberechtigten. Die | |
Initiative erhielt auch die für eine Annahme erforderliche Mehrheit in über | |
der Hälfte der 26 Kantone. Nur in vier Kantonen votierte eine Mehrheit | |
gegen ein Minarettverbot. | |
Die von der "Gruppe Schweiz ohne Armee" (GSOA) organisierte Initiative "Für | |
ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten" , die auf ein vollständiges Verbot | |
von Rüstungsexporten abzielte, wurde dagegen mit rund 68 Prozent | |
Neinsitmmen abgelehnt. | |
Lanciert wurde die Volksinitiative für ein Minarettverbot im Sommer 2008 | |
von der rechtspopulistischen SchweizerischenVolkspartei (SVP) des | |
ehemaligen Bundesrates Christoph Blocher mit Unterstützung der Kleinpartei | |
Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU). Mit der Volksinitiative soll das | |
Verbot zur Errichtung von Moscheen mit Gebetstürmen in der Schweizer | |
Verfassung verankert werden. | |
Damit ist der Weg geebnet für eine Änderung des Artikels 72 der Schweizer | |
Verfassung, der das Verhältnis zwischen Religion und Staat regelt. Das | |
Bauverbot für Minarette soll darin als "geeignete Maßnahme zur Wahrung des | |
Friedens zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften" | |
festgeschrieben werden. | |
Beobachter bezeichneten das Votum für das Bauverbot als überraschend, weil | |
die meisten Umfragen bis zuletzt eine Ablehnung der Initiative vorausgesagt | |
hatten. Der Politikwissenschaftler Claude Longchamp nannte im Radiosender | |
DRS in erster Linie die Entscheidung parteiunabhängiger Wähler als | |
ausschlaggebend für den Ausgang des Referendums. | |
Der in Genf lebende Islamwissenschaftler Tariq Ramadan bezeichnete das | |
Votum als "katastrophal". Auf die größte Schweizer Moschee in der UNO-Stadt | |
Genf, die von MuslimInnen aus zahlreichen Ländern besucht wird, waren in | |
den letzten zehn Tage zwei Anschläge verübt worden. Die Schweizer Grünen | |
kündigten an, eine Anrufung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in | |
Straßburg zu prüfen. Sie sehen durch das Votum die in der Europäischen | |
Menschenrechtskonvention verankerte Religionsfreiheit verletzt. | |
Außer den Inititanten SVP und LDU hatten sich alle Schweizer Parteien gegen | |
die Verbotsinitiative ausgesprochen. Auch die Regierung in Bern (Bundesrat) | |
hatte den Stimmberechtigten empfohlen, mit Nein zu votieren. Sie | |
befürchtet, ein Minarett-Verbot werde "im Ausland auf Unverständnis stoßen | |
und dem Ansehen der Schweiz schaden". Justizministerin Eveline | |
Widmer-Schlumpf, bis zum Sommer 2008 selbst noch SVP-Mitglied, hatte | |
gesagt, ein Minarett-Verbot stehe im Widerspruch zu den Menschenrechten und | |
gefährde den religiösen Frieden. | |
Auch die christlichen Kirchen und alle anderen Religionsgemeinschaften | |
sowie die Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände hatten eindeutig Stellung | |
gegen das Minarettverbot bezogen. | |
Die Initiatoren hatten in anderthalb Jahren mehr als 100.000 Unterschriften | |
gesammelt und so die Volksabstimmung durchgesetzt. Sie betonen, dass sich | |
das Referendum nicht gegen den Islam als Religion wende. Der SVP-Politiker | |
Ulrich Schlüer, einer der Wortführer der Initiative, kritisierte die | |
Minarette als ein "politisches Symbol eines Machtanspruchs". Verschiedene | |
Vertreter der Initiative ließen in den letzten Wochen allerdings | |
durchblicken, daß sie nach einem Erfolg bei der Abstimmung am gestrigen | |
Sonntag künftig auch das Verbot von Moscheen und islamischen Kulturzentren | |
fordern werden. | |
Für landesweite Aufregung sorgten vor allem die provokativen Plakate der | |
Anti-Minarett-Initiative, die in mehreren Städten verboten wurden. Auf dem | |
Poster ist eine Frau im schwarzen Tschador vor einer Schweizer Fahne mit | |
raketenähnlichen Minaretten zu sehen. Die Eidgenössische Kommission gegen | |
Rassismus (EKR) wertete das Plakat als eine Bedrohung des öffentlichen | |
Friedens, auch Menschenrechtsexperten der UNO zeigten sich besorgt. | |
Von den 7,5 Millionen Einwohnern der Schweiz sind 400.000 muslimischen | |
Glaubens, rund 50.000 bezeichnen sich als praktizierende Muslime. Bislang | |
gibt es im ganzen Land lediglich vier Moscheen mit Minaretten. | |
29 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zummach | |
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Literatur | |
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