# taz.de -- Neues Yoko-Ono-Album: Fluxus meets Dada | |
> Die Fluxus-Pionierin Yoko Ono singt auf ihrem neuen Album von der | |
> Zukunft. Die Schlagzeugerin Yoshimi P-We verzichtet auf große | |
> Botschaften, ihre Band OOIOO rockt umso mehr. | |
Bild: "Sie ist so eigenwillig und sensibel. Sie lebt in ihrer gläsernen Zwiebe… | |
"Sie ist so eigenwillig und sensibel. Sie lebt in ihrer gläsernen Zwiebel." | |
So reimte einst Rocko Schamoni in seinem Song "Yoko Ono", um im Refrain | |
klarzustellen: "Ich glaube nicht, dass ich mit Yoko Ono zusammenleben | |
könnte. Das würde wohl danebengehen." | |
Yoko Ono, die Fluxuspionierin hat es in der Öffentlichkeit nicht immer | |
leicht gehabt. Vielen galt sie lange Zeit bloß als Frau, die - durch ihre | |
Ehe mit John Lennon - die Beatles auseinanderbrachte. Ihrem Erfolg als | |
Künstlerin konnte das freilich wenig anhaben - in diesem Jahr bekam sie bei | |
der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk. Nach wie vor | |
wirkt Ono auf viele Künstler faszinierend. | |
Im Sommer erst stattete Lennon-Fan und früherer Oasis-Sänger Liam Gallagher | |
der Witwe des im Jahr 1980 ermordeten Beatle einen Besuch in ihrem New | |
Yorker Apartment am Central Park ab, wo er vor lauter Ergriffenheit kein | |
Wort herausbekam. | |
Mit seiner Ehrerbietung steht Gallagher in einer langen Traditionslinie von | |
Hommagen an die Japanerin, die erst über ihre Begegnung mit Lennon und die | |
experimentellen Alben der Plastic Ono Band zur Popikone wurde. So bekam die | |
klassisch ausgebildete Musikerin und Performancekünstlerin in den | |
Achtzigern Besuch von der deutschen Band Trio, nachdem diese einen Song von | |
ihr gecovert hatten. Und Elvis Costello bearbeitete eigens Onos | |
New-Wave-Klassiker "Walking On Thin Ice" aus dem Jahr 1981, in dem sie ihre | |
Ängste nach dem Tod ihres Mannes artikuliert hatte. | |
Das Interesse der Popwelt hat seitdem nicht nachgelassen: Im Jahr 2007 | |
erschienen mit "Yes, Im a Witch" und "Open Your Box" gleich zwei | |
Remix-Alben ihrer Songs. Jetzt hat Yoko Ono, mit immerhin 76 Jahren, ein | |
neues Album aufgenommen und sogar ihre Plastic Ono Band wiederbelebt. | |
Geholfen hat ihr Sohn Sean Lennon, der das Album produzierte und auf seinem | |
Label veröffentlichte. Lennon zeichnet auch für die Auswahl der Musiker | |
verantwortlich. Neben dem japanischen Elektronikpoptüftler Cornelius | |
wirkten New Yorker Improvisationsstars wie der Cellist Erik Friedlander | |
oder der allgegenwärtige Multiinstrumentalist Shahzad Ismaily an den | |
Aufnahmen mit. In einer knappen Woche schrieb Ono sämtliche 15 Stücke, | |
allein 6 sollen an einem Tag entstanden sein. Die Texte assoziierte sie | |
frei hinzu. | |
Als Performancekunst mag das einigermaßen radikal erscheinen, in der Praxis | |
ist es künstlerisch nicht immer befriedigend. Besonders die häufig und in | |
naivem Tonfall vorgetragenen Esoterikeinsichten - "Hör auf den Klang des | |
Planeten" - können, mit kontemplativer Klaviermusik garniert, zur | |
Geduldsprobe werden. Wenn Ono dann noch die Menschen kollektiv dazu | |
auffordert, all die "negative Energie" auf der Welt umzuwandeln und daraus | |
eine "wunderschöne Zukunft" zu schaffen, macht sie es einem | |
zugegebenermaßen etwas schwer, ihr zu folgen. | |
Am erfreulichsten ist "Between My Head and the Sky" immer dann, wenn Ono | |
sich aus der Kontemplation erhebt, um zu rocken. So gelingt ihrer | |
hochkarätigen Plastic Ono Band im Titelsong ein lässiges Prog-Rock-Update, | |
auch das elektronisch getaktete "The Sun Is Down" kommt über die Ziellinie. | |
Im Auftaktsong "Waiting for the D Train" überrascht Ono mit einem knapp | |
dreiminütigen Ausbruch im freien Rockformat, der so frisch klingt, dass man | |
meinen könnte, es mit ihren japanischen Kollegen OOIOO zu tun haben. Wie | |
durch Zufall ist Sean Lennon auf dem neuen Album der in Osaka beheimateten | |
Experimentalformation OIOO auch als Gast zu hören. | |
Das Frauenquartett OOIOO musiziert seit zwölf Jahren in bester Dada-Manier | |
jenseits des rockinstitutionellen Ordnungsrahmens. Mit Ausnahme ihrer | |
Anführerin Yoshimi P-We konnten die Musikerinnen zu Beginn ihrer Karriere | |
gerade einmal die Instrumente halten. Auf ihrem sechsten Album ist von | |
musikalischem Dilettantismus allerdings wenig zu spüren. | |
P-We, am besten bekannt durch ihren furchtlosen Einsatz als Schlagzeugerin | |
der Noise- Rock-Überwältigungskünstler Boredoms, setzt auf "Armonico Hewa" | |
weniger auf wüste Krachausbrüche als auf Arrangement und Struktur. Im | |
Vergleich mit Vertretern herkömmlicher Songformate klingen OOIOO zwar immer | |
noch wie ein Haufen wild gewordener Kinder, doch hat dieser Wahnsinn nicht | |
nur Methode, sondern auch viel Gespür für Stimmungen und Nuancen. | |
Besonders großartig zu hören in solchen Momenten wie dem nahtlosen Übergang | |
des tribalistischen Stücks "Irorun" zur "Konjo" mit kantiger Gitarrenfigur, | |
die einen Prog-Rock-Veteranen wie King-Crimson-Vorstand Robert Fripp sehr | |
glücklich machen dürfte. Yoko Ono hätte sich ruhig ein wenig mehr an OOIOO | |
orientieren können. TIM CASPAR BÖHME | |
6 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Böhme | |
## TAGS | |
Feminismus | |
Yoko Ono | |
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