# taz.de -- Parlament verabschiedet Doppelhaushalt 2010/11: Das große Sparen k… | |
> Der Doppelhaushalt für 2010/2011 ist ein Dokument des Übergangs: geprägt | |
> von der Krise und einem Senatorenwechsel - und wohl auch vom Blick auf | |
> die nächste Wahl. Heute soll ihn das Plenum verabschieden. | |
Bild: Finanzsenator Ulrich Nußbaum | |
Zwei Finanzsenatoren waren beteiligt, es gab Unwägbarkeiten wegen der | |
weltweiten Krise, und im Hinterkopf hatte man schon die nächste | |
Abgeordnetenhauswahl: Der Doppelhaushalt für 2010 und 2011, jährlich über | |
22 Milliarden Euro schwer, entstand in einer Phase des Übergangs. Das | |
Abgeordnetenhaus soll ihn am heutigen Donnerstag nach ganztägiger Debatte | |
beschließen. Das große Sparen aber soll erst 2012 beginnen. | |
Der Haushaltsbeschluss ist der Endpunkt eines neunmonatigen Prozesses. Im | |
März hatte der Senat die Grundlagen für den Etat festgelegt, die | |
sogenannten Eckwerte. Es folgten Verhandlungen zwischen Finanzverwaltung | |
und den acht anderen Ressorts, bevor der Senat den Entwurf Anfang Juli | |
beschloss. Zwei Monate später begann das Abgeordnetenhaus mit der | |
Etatberatung, in den Fachausschüssen und vor allem im Hauptausschuss. | |
Im Plenarsaal wird am Donnerstag immer wieder der parteilose Finanzsenator | |
Ulrich Nußbaum Ziel der Kritik sein. "Ankündigungs- und | |
Verschuldungssenator" hat ihn die FDP-Fraktion angesichts wachsender | |
Schulden schon genannt. Das Problem der Opposition ist nur, dass sie | |
Nußbaum nicht gänzlich für den Haushalt verantwortlich machen kann. Als der | |
Senat die Eckwerte beschloss, da saß noch ein ganz anderer Finanzsenator | |
auf der Regierungsbank im Plenarsaal: Thilo Sarrazin (SPD), der zum 1. Mai | |
zur Bundesbank wechselte. Folgt man dem Grünen-Finanzpolitiker Jochen | |
Esser, nutzten zahlreiche Senatsverwaltungen diese Zeit des Wechsels, um | |
ihre Ansprüche zu zementieren. | |
Aber nicht allein die personelle Veränderung prägt diesen Haushalt. | |
Entscheidender war die Wirtschaftskrise, die zu unabsehbaren | |
Einnahmeausfällen führte. Im März war der Senat noch davon ausgegangen, nur | |
1,4 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen zu müssen. Das galt schon als | |
viel, doch bis zum Sommer wurde klar, dass es nicht reichen würde. Nun | |
stehen im Entwurf für das kommende Jahr 2,8 Milliarden neuer Kredite, für | |
2011 nur unwesentlich weniger. | |
Noch 2007 hatte Berlin zum ersten Mal seit Langem wieder einen Überschuss | |
erwirtschaften und sogar mehrere hundert Millionen Euro Schulden tilgen | |
können. Der Schuldenstand Berlins steigt durch die neuen Kredite bis 2011 | |
auf über 65 Milliarden Euro. Schon derzeit fließt mehr als jeder zehnte | |
Euro im Haushalt in Zinszahlungen. | |
Ab 2020 wird eine Neuverschuldung nicht mehr möglich sein, nachdem Bund und | |
Länder dieses Jahr eine sogenannte Schuldenbremse beschlossen haben. | |
Dagegen hatten sich nur Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und | |
Schleswig-Holstein ausgesprochen. In Artikel 109 Grundgesetz steht nun | |
sinngemäß, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne | |
Kredite auszugleichen sind. Parallel dazu bekommt Berlin immer weniger Geld | |
aus dem Solidarpakt Ost, 2020 gibt es gar nichts mehr. | |
Der Haushalt 2010/2011 ist aber auch deshalb ein Übergangsetat, weil das | |
große Sparen erst 2012 beginnt. Im September hatte sich der Senat darauf | |
festgelegt, dass der Haushalt ab 2012 jährlich um nur noch 0,3 Prozent | |
wachsen soll. Nußbaums Vorgänger Sarrazin war noch von einem Wachstum von | |
1,3 Prozent ausgegangen. Selbst angesichts der derzeit sehr niedrigen | |
Inflationsrate - im November 0,4 Prozent - ist das faktisch eine Kürzung. | |
Üblich sind sonst rund 2 Prozent. In absoluten Zahlen heißt das: von 2012 | |
an jährlich 230 bis 250 Millionen einsparen. Nußbaums Credo: "Bei einem | |
Haushalt von 22 Milliarden Euro im Jahr muss das möglich sein." Die | |
Opposition kritisiert, Rot-Rot kürze nur deshalb nicht schon jetzt, weil | |
2011 die Abgeordnetenhauswahl ansteht. FDP-Fraktionschef Christoph Meyer | |
sieht hier den Versuch, sich beim Wähler nicht unbeliebt zu machen. FPD und | |
Grüne hatten vorgeschlagen, pro Jahr mehrere hundert Millionen Euro | |
einzusparen. | |
Ungewissheit bringt auch die von der schwarz-gelben Bundesregierung | |
geplante Steuerreform. Aufgrund des "Wachstumsbeschleunigungsgesetzes" | |
würden Ländern und Kommunen knapp 4 Milliarden Euro jährlich in der Kasse | |
fehlen. Der Bundesrat befasst sich am 18. Dezember mit den | |
Steuerentlastungen. Im Vorfeld kämpfen auch CDU-geführte Länder noch um | |
Ausgleichszahlungen. | |
10 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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