# taz.de -- SPAREN: "Die Linke ist ein zuverlässiger Partner" | |
> Ulrich Nußbaum, Bremer Finanzsenator a. D., regiert derzeit über 60 | |
> Milliarden Staatsschulden an der Spree. Die taz fragte ihn nach dem | |
> kleinen Unterschied zwischen Berlin und Bremen. | |
Bild: Der Ex-Bremer in Berlin: Kleineres Arbeitszimmer, größerer Haushalt. | |
taz: Sie sind gerade auf dem Berliner SPD-Parteitag - worum geht es dort? | |
Ulrich Nußbaum: Die Berliner SPD arbeitet die Bundestagswahl auf, die SPD | |
hat in Berlin noch schlechter abgeschnitten als sonst. Sie hat weniger | |
Stimmen bekommen als CDU und Linke. Das macht viele nervös. Im September | |
2011 ist hier Wahl. | |
Sind Sie etwa Parteimitglied? | |
Nein. | |
Haben Sie noch einmal ein Eintrittsformular untergeschoben bekommen? | |
Nein. Ich denke, es hat sich herumgesprochen, dass sowas bei mir nicht so | |
gut ankommt. | |
Sie sind jetzt gut fünf Monate im Amt - wie regiert es sich in Berlin im | |
Vergleich zu Bremen? | |
Bremen ist ja eine relativ homogene Stadt, bürgerlich geprägt. Berlin ist | |
dagegen multi-kulti, Sie haben ganz andere Probleme etwa bei der | |
Immigration. Von meinen 22 Milliarden Euro gehen über vier Milliarden in | |
Transfer-Leistungen. Die sozialen Brennpunkte sind ganz andere. Brennende | |
Autos, die den Innensenator regelmäßig beschäftigen, hatten wir in Bremen | |
doch recht selten. Berlin ist gleichzeitig Bundeshauptstadt, Sie werden - | |
trotz der Landespolitik - auch aufgrund der starken Medienpräsenz deutlich | |
stärker wahrgenommen. Man ist dichter am Puls der Republik. | |
In Bremen kann man über den Marktplatz spazieren und hat viele von denen, | |
die man sowieso sprechen wollte, schon getroffen. Fehlt Ihnen das? | |
Ich habe es in Bremen immer genossen. Seitdem ich in Berlin bin, vermisse | |
ich das nicht mehr. Weil das auch etwas Überschaubares, Kleinteiliges hat. | |
Wenn man sich immer mit denselben Menschen austauscht, erzählt man sich | |
immer dasselbe. Ich finde es interessant, mich hier in einer Weltstadt zu | |
bewegen. Hier sind Sie, wenn Sie über den Marktplatz gehen, ein Stück | |
schlauer geworden, weil Sie neue Leute gesprochen haben. | |
Haben sie als Finanzsenator öfter Déjà-vu-Erlebnisse? | |
Sicherlich, es geht oft um Kommunalpolitik, Kleingärten, Schulen, Kultur. | |
Die Einheit hier ist der Bezirk, die haben aber zwischen 200.000 und | |
300.000 Einwohner. Mit 3,5 Millionen Einwohnern und einem Budget von 22,5 | |
Milliarden Euro - Bremen hat rund vier - spielt das natürlich alles auf | |
größerem Niveau. Berlin hat einen starken öffentlichen Bereich, sechs | |
Immobiliengesellschaften mit 650.000 Wohneinheiten, den größten Nahverkehr, | |
also Bus, U-Bahn, aber auch große Wasserwerke. Der Bereich der Öffentlichen | |
Daseinsvorsorge ist deutlich stärker als in Bremen. | |
Was bedeutet das für einen Finanzsenator? | |
Schon aufgrund der Größe und der Vielzahl der Dinge kann ich nicht alles | |
selbst machen. Ich habe zwei Staatssekretäre, ich brauche eine größere | |
Vernetzung, die Strukturen sind um ein vielfaches größer als in Bremen. | |
Sie haben in Berlin Opposition von CDU und von Grünen. | |
Im Grunde hat sich an der Aufgabe nichts verändert, ich muss für meine | |
Positionen in der Regierungskoalition Unterstützung organisieren, das sind | |
hier die Linke und die SPD. Ich versuche, wie ich das in Bremen auch | |
gemacht habe, Positionen zu vertreten, die rein sachlich begründet sind, | |
ich bin ja parteilos, und da bekomme ich das ein oder andere Mal auch | |
Beifall von der Opposition. | |
Und kann man mit der Linken ordentlich regieren? | |
Wir haben das bisher getan. Die Linke ist haushaltspolitisch ein | |
zuverlässiger Partner. Man kann mit ihr arbeiten, auch wenn man ihre | |
Position nicht immer teilt. | |
Ist das leichter als mit der Bremer CDU? | |
Ich tue mich schwer mit solchen Vergleichen. Es ist nicht inhaltlich | |
leichter, aber aufgrund der Entscheidungsstrukturen ist es leichter. Wenn | |
man Verabredungen getroffen hat, halten sich die Akteure daran und spielen | |
nicht über Bande wie wir das in Bremen erlebt haben. Natürlich gibt es | |
Diskussionen in der Sache, zum Beispiel wenn die Arbeitsmarktförderung | |
machen wollen, dann muss man das auch finanzieren können. Wir verschulden | |
uns gerade mit 5,6 Milliarden für den nächsten Doppelhaushalt. | |
Die Bremer Linke hat eine Verfassungsklage eingereicht gegen die Bremer | |
Unterschrift unter die Schuldenbremse. | |
Das diskutiert die Linke hier auch. | |
Halten Sie es für realistisch, von 5,6 Milliarden Neuverschuldung in | |
2010/2011 auf null zu kommen bis 2020? | |
Ich habe eine Finanzplanung vorgelegt, die aufzeigt, wie man nach dem | |
Haushalt 2010/2011, der sehr stark vom Kampf gegen die Krise geprägt ist, | |
bis 2020 die Ausgaben mit den Einnahmen ausgleichen kann. Das verlangt die | |
Schuldenbremse. Natürlich unter der Voraussetzung, dass uns die neue | |
Bundesregierung nicht neue Steuersenkungen beschert und die Konjunktur | |
nicht wieder einbricht. Das Ausgabenwachstum muss für Berlin auf 0,3 | |
Prozent begrenzt werden, im Grunde also keine Steigerung, wenn sie die | |
Inflation abziehen. Der Haushalt hat aber aus meiner Sicht noch Luft, so | |
dass man das auffangen kann. | |
Sie haben anfangs in Bremen gesagt, Sie wollten auf Zeit Politik machen. | |
Jetzt machen Sie den Eindruck, als hätten Sie so viel Spaß daran gefunden, | |
dass Sie nicht mehr zurück nach Bremerhaven wollen. | |
Spaß hatte ich immer. Aber es hängt von den Voraussetzungen ab, in Bremen | |
waren die 2007 nicht mehr gegeben. Zurzeit sind sie für mich in Berlin | |
gegeben. Ich habe die Politik nicht zum Beruf gemacht, ich muss mich nicht | |
davon ernähren, weil ich eine andere Basis habe. Ich will mir meine | |
materielle und geistige Unabhängigkeit bewahren. | |
11 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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