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# taz.de -- Theologe über Islam und Grundrechte: "Aufklärung ist nicht abgesc…
> Ein Burkaverbot ist möglich, ein Minarettenverbot rechtswidrig, meint der
> Direktor des Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt. Den "harten
> Kern der Islamophobie" hält er für liberal getarnten Rassismus.
Bild: In der Kirche Sacro Cuore im Tessiner Hauptort Bellinzona steht eine Krip…
taz: Herr Bielefeldt, in der Schweiz wird der Bau von Minaretten verboten,
in Frankreich will man die Burka bannen, und in Deutschland dürfen
Lehrerinnen in vielen Bundesländern kein Kopftuch mehr tragen. Verletzen
solche Verbote die Religionsfreiheit der Muslime, oder werden hier
Menschenrechte gegen eine repressive Religion durchgesetzt?
Heiner Bielefeldt: Da muss man differenzieren. Die Burka ist tatsächlich
frauenfeindlich und unerträglich. Dass eine Frau gehindert wird, ihr
Gesicht zu zeigen, nimmt ihr die Individualität. Das ist mit der
Religionsfreiheit keinesfalls zu rechtfertigen. Die Verbotsforderung kann
ich also nachvollziehen. Ich bezweifle aber, ob sie sinnvoll ist. Was ist
gewonnen, wenn die betroffenen Frauen nicht einmal mehr das Haus verlassen
können?
Und das Kopftuch?
Das Kopftuch an sich ist nicht verbotswürdig. In Deutschland geht es ja vor
allem um die Frage, ob es die staatliche Neutralität verletzt, wenn
Lehrerinnen in der Schule ein religiöses Kleidungsstück tragen. Das
Verfassungsgericht hat die Einschränkung der Religionsfreiheit im
Staatsdienst zugelassen, dabei aber eine strikte Gleichbehandlung der
Religionen gefordert …
… die beim Schweizer Minarettverbot offensichtlich fehlt.
Ja, es gibt ja nicht einmal einen vernünftigen Grund, gerade den Bau von
Minaretten zu verbieten. Man kann das wohl nur als gezieltes Symbol der
Zurückweisung und Marginalisierung sehen.
Warum ist die Islamkritik derzeit so präsent?
Der harte Kern der Islamophobie ist rassistisch. Die Abneigung gegen
Ausländer oder anders Aussehende wird jetzt gern als Religionskritik
ausgegeben, weil man hier bis in bürgerliche und linksliberale Kreise
anschlussfähig ist.
Viele Islamkritiker sprechen sich nicht grundsätzlich gegen Ausländer aus,
sondern verweisen auf die Menschenrechte.
Es ärgert mich ziemlich, wenn eine Hassseite wie "Politically Incorrect"
postuliert, sie trete für das Grundgesetz und die Menschenrechte ein. Sie
posieren als Helden der Aufklärung, indem sie auf Minderheiten eindreschen.
Ist das nicht albern? Aber es macht die Islamkritik ja so schillernd, dass
sie sich gezielt auf liberale Werte wie die Gleichberechtigung der
Geschlechter oder die Akzeptanz von Homosexualität beruft.
Haben Frauen und Homosexuelle nicht berechtigt Angst vor dem Islam?
Was heißt "vor dem Islam"? Natürlich gibt es patriarchale und homophobe
Gewalt in islamisch geprägten Milieus. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Aber warum wird diese Rückständigkeit vor allem religiös gedeutet, statt
sie auch soziologisch zu erklären?
Wo sind die Grenzen zulässiger Religionskritik?
Über religiöse Fragen muss man diskutieren können, auch robust, auch
satirisch. Die Meinungsfreiheit gilt auch für pauschale, aggressive und
geschmacklose Vorwürfe. Die Grenze ist aber erreicht, wo es nicht mehr um
eine Diskussion, sondern um bloße Diffamierung und Ausgrenzung geht.
Viele Muslime reagieren auf Religionskritik empfindlich, wie die Diskussion
um die Mohammed-Karikaturen gezeigt hat.
Rechtlich kann es keinen Sonderschutz für Muslime geben. Das ist Ausdruck
ihrer Anerkennung als Gleiche in dieser Gesellschaft. Allerdings ist es
eine Stilfrage, ob man berücksichtigt, dass viele Muslime bildungsfernen
Schichten angehören und mit Provokationen weniger gut umgehen können.
Der Schriftsteller Ralph Giordano warnt, dass Muslime in der
Auseinandersetzung mit Ungläubigen eine religiös sanktionierte Erlaubnis
zur Täuschung hätten.
Das ist eine gefährliche Ausgrenzung, wenn der Gegenseite eine strukturelle
Verlogenheit unterstellt wird. Wer sich in diese Logik hineinbegibt, wird
nicht mehr aus ihr herausfinden. Vielmehr ist jedem Gesprächspartner
zunächst einmal Glaubwürdigkeit zu unterstellen, bis zum Beweis des
Gegenteils.
Ist es zulässig, von Vertretern des Islams in Deutschland zu verlangen,
dass sie sich zu den Werten des Grundgesetzes bekennen?
Das Grundgesetz ist die Grundlage für das Zusammenleben in Deutschland.
Dazu muss sich auch eine Religion wie der Islam positiv verhalten. Ein
ausdrückliches Bekenntnis sollte aber nur von Verbandsvertretern, nicht von
einzelnen Muslimen eingefordert werden.
Warum?
Weil das Grundgesetz für hier aufgewachsene Muslime eine
Selbstverständlichkeit ist. Ich kann verstehen, dass sie hilflos,
überrascht und verärgert reagieren, wenn von ihnen - in einem oft
inquisitorischen Ton - Sonderbekenntnisse verlangt werden. Niemand fragt
einen christlich geprägten Menschen, wie sich bestimmte Stellen in der
Bibel mit dem Grundgesetz vertragen.
Das mag ja sein. Aber im Koran heißt es ausdrücklich: "Männer stehen den
Frauen in Verantwortung vor."
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist eine unverbrüchliche Vorgabe
des Grundgesetzes, an die sich auch Religionsgemeinschaften halten müssen,
zum Beispiel wenn sie Religionsunterricht an öffentlichen Schulen erteilen
wollen. Ansonsten ist es eine Aufgabe theologischer Interpretation, solche
Koranverse mit den Vorgaben des Grundgesetzes in Einklang zu bringen. Das
Gleiche gilt ja auch für bestimmte Stellen in der Bibel, wo es etwa heißt:
"Die Frau ist der Abglanz des Mannes." Entscheidend ist, dass im Ergebnis
die Vorgaben des Grundgesetzes akzeptiert werden. Das Christentum mit
seinen universitären Lehrstühlen ist dem europäischen Islam bei dieser
akademisch-theologischen Aufgabe sicher voraus.
Tut sich der Islam dabei nicht auch deshalb schwerer, weil angenommen wird,
der Koran sei wortwörtlich von Allah diktiert?
Das macht die Aufgabe sicher nicht einfacher. Aber auch schon bisher hat
sich die islamische Theologie Spielräume erarbeitet, indem sie betont, dass
bestimmte Aussagen des Korans im Bezug auf die Situation in einem
mittelalterlichen Bürgerkrieg zu sehen sind - etwa wenn sie die Erlaubnis
zur Mehrehe für Männer als damaligen Beitrag zur Versorgung von Witwen und
Waisen einordnet.
Lässt sich das Christentum leichter in eine weltliche Ordnung einbinden,
weil in der Bibel steht: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott,
was Gottes ist"?
Das glauben wohl manche in den christlichen Kirchen. Sie übersehen aber,
dass es auch im Christentum, insbesondere in der katholischen Kirche, ein
langer konfliktreicher Prozess war, bis Menschenrechte und
Religionsfreiheit voll anerkannt wurden. Die christlichen Kirchen haben
gegenüber dem Islam also nur einen Erfahrungsvorsprung im Umgang mit dem
säkularen Staat. Es wäre falsch zu sagen, die Christen haben die Aufklärung
bereits hinter sich und der Islam hat sie noch vor sich. Vielmehr ist
dieser Prozess bei beiden Religionen nicht abgeschlossen.
29 Dec 2009
## AUTOREN
Christian Rath
Christian Rath
## TAGS
Reiseland Schweiz
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