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# taz.de -- Land der Arier: „Was hältst du von Iranern?“
> Neugierde und Offenheit schlagen den Reisenden überall im Iran entgegen.
> Neben den Deutschen sind auch Amerikaner sehr wohlgelitten. Impressionen
> einer Reise in ein uns unbekanntes Land
Bild: Islamisches Fest des Fastenbrechens, Teheran
Der Straßenverkehr ist mörderisch, brutal, in höchstem Maße
fußgängerunfreundlich. Es gibt viele Städte, über die sich das sagen ließe.
Auf keine trifft es so zu wie auf Teheran: vier Spuren Einbahnstraße,
gefahren wird in sechs Spuren, dazu gibt es immer wieder Motorräder im
Gegenverkehr, und weil das meist zu langsam geht, weichen die auf den
Bürgersteig aus - in beide Richtungen, mit dem absoluten Anspruch auf
Vorfahrt.
Flüchten kann man in die vielen Läden entlang der Straße - die Bäckerei mit
den sehr süßen Stückchen, das Papiergeschäft mit den Hochzeitskarten im
Schaufenster, die Fischhandlung, deren Ware unter Eisbrocken halb auf dem
Gehweg angeboten wird. Und meist erhält man dort sehr gerne Asyl, dazu eine
Tasse Tee, und bekommt viele Fragen gestellt. Wie selbstverständlich, sehr
direkt, mit unverblümter Neugierde. „Was hältst du von den Iranern?“,
gehört fast immer dazu. Wichtig ist: Es geht um Menschen, nicht um Politik
und ihre Repräsentanten.
Dabei überrascht, dass diese Unterscheidung überhaupt funktioniert in einem
Staat, der sich so gern von den meisten anderen distanziert und weiterhin
versucht, Politik, Religion und Alltag seiner Bürger zu einer
allumfassenden Einheit zu formen. Es überrascht auch, dass es den meisten
Iranern offensichtlich überhaupt nichts ausmacht, dass man aus dem
offiziell als dekadent verschrienen Westen kommt und man sogar wohlwollend
für einen US-Amerikaner gehalten wird. Sind die nicht der „große Satan“,
wie es auf Spruchbändern des iranischen Regimes heißt? „Am Anfang
verheimlichen alle US-amerikanischen Touristen ihre Herkunft“, berichtet
ein junger Iraner, der regelmäßig Gruppen durch das Land führt, „am Ende
ihrer Reise ist das das Erste, was sie erzählen.“
Als Deutscher ist das von Beginn der Reise an kein Problem. „Germany? Very
good“, lautet meist der Kommentar. Wobei das Lob bei erstaunlich vielen
Iranern auf die wenig schmeichelhafte Annahme zurückgeht, dass ja beide
Völker arische Wurzeln hätten. Iran bedeutet übersetzt „Land der Arier“,
was auf ein altes Hirtenvolk etwa 1.000 v. Chr. zurückgeht. In Deutschland
sind diese Verbindungen eher österreichischer Herkunft - und deutlich
gewagter.
So entstehen Gespräche, die neben vielem anderen vor allem eines
offenbaren: Hier reden Menschen mit- und übereinander, die sehr wenig
voneinander wissen - außer Vorurteilen und Einschätzungen, die von
größenwahnsinnigen Politikern in die Welt gesetzt wurden. Eine Blackbox
trifft auf die eine andere.
„Wie man denn eine Deutsche heiraten könnte“, ist so eine durchaus ernst
gemeinte Frage eines jungen Mannes auf einem Platz in Isfahan, die auf
unserer Seite nur erstauntes Kopfschütteln hervorruft. Er geht offenbar
davon aus, dass wir einige noch heiratswillige und -wütige Damen an der
Hand hätten, und ihm damit den Schritt ins Exil ermöglichen könnten.
Überhaupt drehen sich viele Fragen um Liebe und Partnerschaft und um das
vermeintliche westliche Wundermittel Viagra. Internetseiten, die darüber
etwas berichten, sind im Iran oft gesperrt. Und groß ist schließlich auch
die Neugierde über die religiöse Praxis der Christen, für die wir
umstandslos gehalten werden. Unsere zurückhaltenden Antworten, etwa den
sehr seltenen Besuch der Kirche betreffend, rufen meist eine Mischung aus
Entrüstung und Sorge um unser Seelenheil hervor.
Auch wir versuchen gern, uns den Iranern über die Religion zu nähern. Und
stoßen - was uns nur anfangs überrascht - auf Menschen, die wenig bis
nichts von Religion halten und genauso selten in die Moschee gehen wie wir
in die Kirchen. Und auf andere, die Religion ganz natürlich als Teil ihres
alltäglichen Lebens begreifen. Auf eine Toleranz, die die meisten Menschen
selbst an bedeutenden religiösen Orten sehr offen und entspannt mit uns
umgehen lässt.
Und dann ist da natürlich unsere Frage nach dem für Frauen vorgeschriebenen
Kopftuch. Ist es nun ein „Kleidungsstück, das wir tragen wie andere auch“,
wie eine junge Iranerin auf dem Land erklärt, in deren Haus wir
übernachten? Oder ein Symbol der Repression, das gern so locker und luftig
wie möglich getragen wird von vielen Frauen in den vergleichsweise
weltoffenen Städten wie (Nord-)Teheran und Schiras oder auch mal - etwa auf
Ausflügen in die Wüste - gern ganz weggelassen wird?
Letztlich liefern diese Einblicke keine absoluten Antworten und Wahrheiten,
wie denn der Iran nun ist. Aber es sind Momentaufnahmen von Menschen in
einem Land, über die fast so wenig bekannt ist wie über den Alltag der
Nordkoreaner. Und es bleibt die Erkenntnis, dass nur der Verkehr in den
iranischen Großstädten mörderisch, brutal und menschenunfreundlich ist. Und
das Regime.
30 Dec 2009
## AUTOREN
Bert Schulz
Bert Schulz
## TAGS
Reiseland Iran
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Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Atomkraft
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