# taz.de -- Blasphemie-Gesetz in Irland: Vorwärts ins Mittelalter | |
> In Irland wird Blasphemie jetzt richtig teuer. Bis zu 25.000 Euro muss | |
> berappen, wer über Gott lästert. Dabei spielt es keine Rolle, welcher | |
> Gott es ist. Die islamischen Länder loben Irland. | |
Bild: Gotteslästerung oder Aufruf zur Zivilcourage? Schriftzug an der Uni Mün… | |
DUBLIN taz | Blasphemie kann in Irland teuer werden. Zu Jahresbeginn ist | |
ein neues Gesetz in Kraft getreten, wonach Gotteslästerung mit einer | |
Geldstrafe bis zu 25.000 Euro belegt werden kann. Das Parlament in Dublin | |
hatte das Gesetz bereits im vergangenen Juli mit einer Stimme Mehrheit | |
verabschiedet, aber es wurde jetzt erst wirksam. | |
Eine Koalition aus Atheisten, Humanisten und Menschenrechtsorganisationen | |
hatte vergeblich versucht, das Gesetz zu verhindern. So gründete man nun | |
die Kampagne „Blasphemy“, auf deren Webseite seit voriger Woche | |
blasphemische Äußerungen von Björk, Frank Zappa, Jesus Christus, Papst | |
Benedikt XVI, Salman Rushdie und dem irischen Justizminister Dermot Ahern | |
stehen. Letzterer hat das Gesetz im Alleingang durchgedrückt. Die | |
Äußerungen seiner Kritiker hatte er als blasphemisch zurückgewiesen – was | |
nach gängiger Definition selbst blasphemisch ist, da er sich dadurch einem | |
Gott gleichstellt. | |
Warum aber hat Ahern ein Gesetz geschaffen, obwohl ihn niemand darum | |
gebeten hat, nicht mal die Kirchen? Darüber hinaus gab es ein solches | |
Gesetz bereits seit 1961, doch weil darin nicht erklärt war, was Blasphemie | |
eigentlich ist, kam es zu keiner einzigen Verurteilung. | |
Gotteslästerungsparagraphen gibt es zwar auch in anderen Ländern, aber sie | |
werden kaum noch angewendet, geschweige denn reformiert oder verschärft. | |
Ahern sagt, es blieb ihm gar nichts anderes übrig, als das Gesetz zu | |
reformieren, da es die Verfassung vorschreibe. „Die Veröffentlichung von | |
gotteslästerlichem, umstürzlerischem oder unsittlichem Material ist ein | |
Vergehen, das strafbar sein soll“, heißt es im Artikel 40. An der | |
Verfassung von 1937 hat der damalige stockkonservative Dubliner Erzbischof | |
John McQuaid kräftig mitgeschrieben. | |
„In der Verfassung steht auch, dass dem allmächtigen Gott öffentliche | |
Huldigung geschuldet ist“, sagt Michael Nugent, der Vorsitzende der | |
Organisation „Atheist Ireland“. „Das ist viel mehr als das Recht auf freie | |
Religionsausübung. Es ist das Recht Gottes auf Huldigung durch die Bürger.“ | |
So beten die Abgeordneten vor ihren Sitzungen, im staatlichen Fernsehen und | |
Radio läuten zwei Mal am Tag die Angelusglocken, niemand kann | |
Staatspräsident oder Richter werden, ohne einen Eid auf die Bibel | |
abzulegen. | |
„Man sollte meinen, dass ein Blasphemiegesetz nach all den Skandalen um | |
klerikalen Kindesmissbrauch, die 2009 ans Licht gekommen sind, das letzte | |
wäre, das dem irischen Staat einfiele“, sagt Nugent. Seine Organisation | |
tritt dafür ein, sämtliche Verweise auf Gott aus der Verfassung zu | |
streichen. Dazu ist aber ein Referendum erforderlich, selbst wenn lediglich | |
der Blasphemie-Artikel aus der Verfassung gestrichen werden soll, und dafür | |
habe der Staat kein Geld, sagt Ahern. | |
Das neue Gesetz definiert Blasphemie als Material, das die Gefühle von | |
Gläubigen stark verletzt. Es muss außerdem eine Störung des öffentlichen | |
Friedens vorliegen, und es muss nachgewiesen werden, dass der | |
Gotteslästerer sie absichtlich herbeiführen wollte. Dabei spielt es keine | |
Rolle, um welchen Gott es sich handelt, in diesem Punkt herrscht | |
Gleichberechtigung unter den Religionen. Ahern versucht, sein Gesetz als | |
Liberalisierung zu verkaufen. Bisher konnte man für sieben Jahre ins | |
Gefängnis gesteckt werden, sagt er. Künftig riskiert man maximal eine | |
Geldstrafe von 25.000 Euro. Der Atheist und Bestseller-Autor Richard | |
Dawkins kommentierte: „Eine Rückkehr ins Mittelalter.“ | |
Applaus gab es lediglich von der Organisation der Islamischen Konferenz, | |
der 57 Länder angehören. Sie versucht, in Anlehnung an das irische Gesetz | |
Gotteslästerung international von den Vereinten Nationen unter Strafe | |
stellen zu lassen. „Es ist beschämend, dass Irland für Staaten wie Pakistan | |
in dieser Hinsicht nun als Vorbild gilt“, sagt Nugent. | |
12 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
Ralf Sotscheck | |
## TAGS | |
Irland | |
Irland | |
Irland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sexueller Missbrauch in Irland: Als die Kindheit endete | |
Ein Bericht veröffentlicht 2.400 Fälle sexuellen Missbrauchs an | |
katholischen Schulen in Irland in den letzten 30 Jahren. Entschädigungen | |
gibt es nicht. | |
Blasphemie-Referendum in Irland: Spott über Gott kommt flott | |
Per Volksentscheid soll Gotteslästerung künftig erlaubt werden. Selbst die | |
Kirche leistet kaum Widerstand. Die letzte erfolgreiche Klage war 1703. | |
Referendum zu Gotteslästerung in Irland: Ende des Blasphemie-Gesetzes in Sicht | |
Das irische Kabinett plant eine Abstimmung über die Abschaffung des | |
Blasphemie-Gesetzes. Sie könnte bereits im Oktober stattfinden. |