# taz.de -- Weltklimaberichts-Autor Rahmstorf: "Das ist ein peinlicher Fehler" | |
> Der Weltklimabericht enthält einige falsche Zahlen. Stefan Rahmstorf, | |
> einer der vielen Co-Autoren glaubt dennoch: "Das Gesamtbild zum | |
> Klimawandel wird sich nicht ändern." | |
Bild: "Einzelne Fehler ändern nichts am Gesamtbild zum Klimawandel". | |
taz: Herr Rahmstorf, dem aktuellen Weltklimabericht zufolge drohen die | |
Gletscher im Himalaja bis 2035 wegzuschmelzen. Diese Zahl ist offenkundig | |
falsch. Das ist ein GAU für die Glaubwürdigkeit des Weltklimarates, oder? | |
Stefan Rahmstorf: Nur für den, der erwartet, dass so ein über 2.500 Seiten | |
starker Bericht völlig fehlerfrei ist. Das ist kaum möglich, wenn hunderte | |
Autoren Resultate aus tausenden von Studien zusammenstellen. Bemerkenswert | |
ist eher, dass dies der erste Fehler ist, der gefunden wurde. Schließlich | |
durchkämmen zahlreiche Klimaskeptiker diese Berichte nach Fehlern. | |
Sie haben jetzt neues Futter bekommen. | |
Diese Jahreszahl ist ein peinlicher Fehler, der korrigiert werden muss. Das | |
ist keine Frage. Aber man sollte diese fehlerhafte Angabe in einem | |
Regionalkapitel zu Asien jetzt auch nicht zu einer zentralen Aussage des | |
Weltklimarates aufbauschen, wie es manche tun. In den Zusammenfassungen für | |
Entscheidungsträger oder im Synthesebericht des IPCC taucht sie überhaupt | |
nicht auf. | |
Aber die Klimaforscher warnen doch immer wieder vor den schmelzenden | |
Gletschern und den daraus entstehenden Problemen für die Wasserversorgung. | |
Daran gibt es auch nichts zu rütteln. Im ersten Band des letzten | |
IPCC-Reports wird zum Beispiel auf Basis einer genaueren Studie von elf | |
repräsentativen Gletschern weltweit gefolgert, dass bis 2050 rund 60 | |
Prozent der Gletschermasse verloren gehen werden. | |
Das klingt aber ganz anders als ein Rückgang bei den Gletschern im Himalaja | |
um 80 Prozent bis 2035. | |
Letzteres steht ja auch nicht im ersten Band des Berichtes, der sich mit | |
der Physik des Klimasystems befasst und der von den eigentlichen | |
Klimaexperten geschrieben wird, zum Beispiel auch von führenden | |
Gletscherforschern. Die falsche Zahl steht im zweiten Band, in dem | |
Gesellschaftswissenschaftler und Ökologen die Folgen des Klimawandels auf | |
Ökosysteme und Menschen beschreiben. An sich sollte das auf Basis der | |
Ergebnisse von Band eins passieren. | |
Und in diesem Fall? | |
In diesem Fall wurde eine nicht ordentlich belegte Zahl aus der grauen | |
Literatur zitiert, die nicht wissenschaftlich haltbar ist. Im Regelwerk des | |
IPCC steht, dass Angaben aus solchen grauen Quellen, also nicht aus den | |
begutachteten Fachjournalen, besonders kritisch geprüft werden müssen. | |
Die Sozialwissenschaftler können also mal wieder nicht mit Zahlen umgehen? | |
Das will ich nicht sagen, zumal die Ökologen ja auch Naturwissenschaftler | |
sind. Eher offenbart es auch eine Schwäche in der Zusammenarbeit der | |
IPCC-Arbeitsgruppen. Die Wissenschaftler der ersten Arbeitsgruppe hätten | |
noch einmal kritisch alle Kapitel der zweiten Arbeitsgruppe prüfen sollen. | |
Aus eigener Erfahrung als Autor muss ich allerdings sagen, dass das bei der | |
hohen und rein ehrenamtlichen zeitlichen Belastung kaum zu schaffen ist. | |
Aber müsste bei einem so wichtigen Dokument, das zur Grundlage weltweiter | |
Klimaverhandlungen wird, nicht irgendeine zentrale Instanz diese Aufgabe | |
übernehmen? | |
Das geschieht mit dem fünfzigseitigen Synthesebericht und mit den jeweils | |
rund zwanzigseitigen Zusammenfassungen für Entscheidungsträger. Letztere | |
werden sogar Satz für Satz in einer Plenarsitzung verabschiedet. Einzelne | |
Fehler wird man trotzdem wohl nie völlig vermeiden können, aber am | |
Gesamtbild zum Klimawandel ändern sie nichts. INTERVIEW: STEPHAN KOSCH | |
21 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Stephan Kosch | |
## TAGS | |
Weltklimarat | |
IPCC | |
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