# taz.de -- Fehler im Weltklimrat-Bericht: Gletscher ignorieren Forscher | |
> Der Weltklimarat gibt Fehler in einem aktuellen Bericht zur Zukunft des | |
> Weltklimas zu: Die Prognosen zur Gletscher-Schmelze seien ohne | |
> wissenschaftliche Basis. | |
Bild: Verschwindet er in diesem oder erst im 24. Jahrhundert? Der Jumolhari-Gle… | |
Der Weltklimarat IPCC hat einen Fehler bei der Erstellung seines aktuellen | |
Berichts zur Zukunft des Weltklimas eingeräumt. Die in dem Bericht | |
getroffene Aussage, dass die Gletscher im Himalaja sehr wahrscheinlich im | |
Jahr 2035 oder eher verschwunden seien, wenn der gegenwärtige Trend anhält, | |
beziehe sich auf "schwach fundierte Schätzungen". In dem entsprechenden | |
Passus würden die Standards, die der IPCC für seine Arbeit gesetzt hat, | |
nicht angemessen erfüllt. | |
Mit diesem Statement reagierte das UN-Gremium auf Kritik, ausgelöst durch | |
einen Bericht der britischen Sunday Times. Die Prognose zu den schmelzenden | |
Gletschern im Himalaja beruht danach allein auf einem Interview, das der | |
britische Journalist Fred Pearce 1999 mit dem indischen Wissenschaftler | |
Syed Hasnain für das Journal New Scientist geführt hat. Hasnain erklärte am | |
Mittwoch, er habe weder in einem Interview noch in einer Publikation je ein | |
bestimmtes Jahr oder Datum im Zusammenhang mit der Gletscherschmelze am | |
Himalaja genannt. Er habe aber möglicherweise angedeutet, dass die meisten | |
Gletscher bis zur Mitte des Jahrhunderts abgeschmolzen sein könnten. | |
Doch die Vorhersage aus dem New Scientist wurde 2005 von der | |
Umweltorganisation WWF in einem Bericht aufgegriffen und hielt darüber | |
wiederum Einzug in den IPCC-Bericht. Der WWF räumte ebenfalls ein, dass | |
sich diese Vorhersage als nicht korrekt erwiesen habe, und entschuldigte | |
sich für den Fehler. | |
Der indische Umweltminister Jairam Ramesh hatte dem UN-Gremium in der | |
Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, die Himalaja-Prognose "ohne einen | |
Hauch von wissenschaftlichem Beweis" erstellt zu haben. Dennoch dauerte es | |
bis zum gestrigen Mittwoch, bis der IPCC reagierte. Sprecherin Brendar | |
Abrar-Milani begründete dies auf taz-Anfrage mit den notwendigen | |
internationalen Abstimmungsprozessen. Und auch nach dem Verfassen des | |
Statements, in dem der IPCC weiterhin betont, dass die Gletscher in | |
Bergketten in Asien und Lateinamerika im 21. Jahrhundert schneller | |
schmelzen als zuvor, blieb der strittige Absatz in dem Bericht auf der | |
Homepage zumindest zunächst unverändert. Offenbar sieht das mit dem | |
Friedensnobelpreis ausgezeichnete Gremium wenig Sinn darin, eine fünf Jahre | |
alte Aussage zu korrigieren. | |
Der IPCC erstellt in regelmäßigem Abstand von mehreren Jahren Berichte über | |
den Stand der Klimaforschung, die die Grundlage für die weltweiten | |
Verhandlungen über Klimaschutzabkommen bilden. Der aktuelle vierte Bericht | |
erschien 2007, die Vorbereitungen für den fünften laufen. Der jetzt | |
festgestellte Fehler gibt den Kritikern des IPCC, die den von Menschen | |
gemachten Klimawandel bezweifeln, neue Nahrung. Erst im Dezember waren in | |
der sogenannten "Climategate"-Affäre E-Mails von Klimaforschern gehackt und | |
Zweifel an deren Glaubwürdigkeit geäußert worden. | |
Der Klimaökonom Ottmar Edenhofer, Leiter einer der drei Arbeitsgruppen und | |
ranghöchster deutscher Klimaforscher beim IPCC, will die beiden Ereignisse | |
jedoch nicht in einen Topf werfen. "Die gestohlenen E-Mails waren eine | |
reine Mediengeschichte", sagte er der taz. Der Vorwurf einer Manipulation | |
der Daten im IPCC-Bericht habe sich als substanzlos erwiesen. "Kein | |
Diagramm und keine Zahl aus dem IPCC-Bericht musste deswegen korrigiert | |
werden." Bei der Prognose über die wegschmelzenden Himalaja-Gletscher | |
handele es sich hingegen um einen echten Fehler in Folge der Nichtbeachtung | |
von Regeln, sagte Edenhofer. Die Konsequenz für die zukünftige Arbeit müsse | |
nun eine bessere Kooperation der Arbeitsgruppen sein. "Die internen Abläufe | |
müssen verbessert werden, daran arbeiten wir ohnehin seit einigen Monaten." | |
Zwar könnten Fehler niemals ausgeschlossen werden, aber der Anspruch des | |
IPCC müsse sein, wissenschaftlich wasserdichte Daten als | |
Entscheidungsgrundlage für die Politik zu liefern. | |
21 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Stephan Kosch | |
## TAGS | |
Weltklimarat | |
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