# taz.de -- Diskriminierung von Aborigines: Ganz unten in Down Under | |
> Vor zwei Jahren entschuldigte sich Australiens Premier Rudd bei den | |
> Ureinwohnern. Doch sie sind immer noch die unterprivilegierteste Gruppe | |
> der australischen Gesellschaft. | |
Bild: Nachkommen der australischen Ureinwohner demonstrieren in Canberra, 2008. | |
CANBERRA taz | Es ist zwei Jahre her, seit sich Premierminister Kevin Rudd | |
bei den Ureinwohnern Australiens im Namen der Nation für vergangenes | |
Unrecht entschuldigt hat. Sein historisches "Sorry" richtete sich an die | |
sogenannten gestohlenen Generationen, tausende von Mischlingskindern, die | |
bis in die Siebzigerjahre ihren Eltern weggenommen wurden. Ziel der | |
damaligen Regierungen war es, die Kinder so in die weiße Gesellschaft zu | |
integrieren und damit das Aussterben der indigenen Australier zu | |
beschleunigen. | |
Das Ziel wurde nicht erreicht: Heute identifizieren sich etwa 400.000 der | |
22 Millionen Australierinnen und Australier als Ureinwohner. Aborigines | |
sind kollektiv die unterprivilegierteste Gruppe der australischen | |
Gesellschaft. Sie leiden beispielsweise an Krankheiten, wie sie sonst nur | |
in Entwicklungsländern bekannt sind, und sie sterben im Durchschnitt 17 | |
Jahre früher als nicht indigene Australier. | |
Wie der Sozialdemokrat Rudd im Februar 2008 meinte, werde seine Regierung | |
alles daransetzen, diese zum Teil katastrophalen Lebensbedingungen zu | |
verbessern. Seither weitete Rudd das von der konservativen | |
Vorgängerregierung begonnene Interventionsprogramm aus. | |
Doch das am Donnerstag im Parlament präsentierte "Zwischenzeugnis" gibt | |
auch diesmal wenig Grund zur Hoffnung. Zwar wurden einige Verbesserungen | |
erzielt. So besuchen heute deutlich mehr Kleinkinder die Schule als noch | |
vor zwei Jahren. Jedoch ist die mangelnde Ausbildung immer noch einer der | |
wesentlichen Gründe für die Arbeitslosenrate von oftmals über 50 Prozent in | |
Ureinwohnergemeinden. | |
Verschärft hat sich auch jenes Problem, das seinerzeit Auslöser für die | |
Intervention war: der sexuelle Missbrauch von Kindern. Trotz verstärkter | |
Polizeipräsenz, Informationskampagnen und der Verhaftung dutzender | |
Verdächtiger, hat die Zahl der Fälle teilweise sogar zugenommen. | |
Aboriginal-Gemeinden melden dagegen den Erfolg einer besonders umstrittenen | |
Maßnahme: die Rückhaltung eines Teils der staatlichen Rente für arbeitslose | |
Aborigines. Dass Familien mit 50 Prozent der Rente nur noch Lebensmittel | |
und Kleider kaufen können, habe zur Reduktion des Alkoholkonsums geführt | |
und so zu einem Rückgang häuslicher Gewalt. | |
Die sogenannte Quarantäne der Sozialhilfe wird von | |
Menschenrechtsorganisationen als rassistisch motiviert verurteilt, weil sie | |
nur bei den Ureinwohnern angewandt wird. Die Regierung evaluiert nun die | |
Möglichkeit der Ausdehnung auf andere Sozialhilfeempfänger. | |
12 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
## TAGS | |
Australien | |
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