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# taz.de -- Kommentar Aborigine-Entschuldigung: Leere Symbolik
> Australien will sich für den Raub von rund 100.000 Aborigine-Kindern
> entschuldigen. Gut so. Allerdings sollte die Regierung auch Taten folgen
> lassen.
Bild: Gerechtigkeit nach Jahrzehnten: die „ersten Einwohner“ Australiens ve…
Die australische Regierung will sich jetzt dafür entschuldigen, dass den
Ureinwohnern des Landes bis 1970 rund 100.000 ihrer Kinder entrissen wurden
- gestützt auf Gesetze, die bis dahin galten, also legal. Könige, Päpste,
Kanzler und Präsidenten haben quer durch die Geschichte immer geltend
gemacht, ihr Handeln sei "damals" gesetzlich gedeckt gewesen.
Die Entscheidung der australischen Regierung, sich bei den Aborigines zu
entschuldigen, verdient Respekt. Zumindest ein Teil der Opfer lebt noch,
und viele Australier waren Zeugen dieser legalen Schandtaten, tragen also
politische Mitverantwortung als Staatsbürger. In der Regel dauern
staatliche Schuldanerkennung und Entschuldigung bedeutend länger. Die
katholische Kirche etwa brauchte mehrere hundert Jahre, um ihre finsteren
Praktiken der Hexen- und Ketzerverbrennung als Unrecht anzuerkennen.
Neben dem Zeitpunkt zählt bei solchen Entschuldigungen die symbolische
Form. Willy Brandt kniete nach der Kranzniederlegung in Warschau wortlos
nieder, aus Respekt vor den Opfern des Aufstands im Getto und zur
Entschuldigung für die Verbrechen, die Deutsche an Polen begangen hatten.
Bill Clinton besuchte das Gefängnis über dem afrikanischen Hafen, von dem
aus viele Sklaventransporte den Atlantik überquerten. Ohne solche
demonstrativen Gesten sind kollektive Entschuldigungen fast so wertlos wie
Gesten, die ein verlogenes oder falsches Signal setzen: Erinnert sei hier
an Helmut Kohls und Ronald Reagans Besuch des Soldatenfriedhofs in Bitburg.
Zum "Geschichtszeichen" oder, wie Kant sagte, zum Zeugnis des "Moralischen
im Grundsatze" gegen das bloß Legale und Politisch-Geschäftsmäßige werden
symbolische Gesten aber nur, wenn sie von tatkräftiger Hilfe und
substanzieller Wiedergutmachung begleitet werden. Das Gerangel um die
minimale Entschädigung für die noch lebenden Zwangsarbeiter war weniger
schlimm als der späte Zeitpunkt.
Für die australische Regierung heißt das: Der Entschuldigung müssten jetzt
Taten folgen, die die Ureinwohner aus ihrer nach wie vor elenden Lage
befreien. Da sieht es aber schlecht aus, denn der Ministerpräsident Kevin
Rudd lehnt Entschädigungszahlungen ab.
13 Feb 2008
## AUTOREN
Rudolf Walther
## TAGS
Australien
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