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# taz.de -- Missbrauch am Jesuiten-Kolleg: "Angst, Hilflosigkeit und Ekel"
> An deutschen Jesuiten-Kollegs haben nach Opferangaben bis zu zwölf Lehrer
> ihre Schüler missbraucht. Dies geht aus dem Bericht hervor, den der Orden
> vorlegte
Bild: Hätte ihm nicht gefallen: Jesus am Rosenkranz.
BERLIN taz | Das Ausmaß ist noch schlimmer als bislang bekannt: 115 bis 120
Missbrauchsopfer haben sich bisher gemeldet. Bis zu zwölf Jesuiten-Pater
sollen ihre Schüler missbraucht haben, allein am Berliner Canisius-Kolleg
habe es zwischen 40 und 50 Fälle gegeben, berichtet die vom Jesuiten-Orden
beauftragte unabhängige Rechtsanwältin zur Aufklärung der Missbrauchsfälle,
Ursula Raue. Unter den mutmaßlichen Tätern sollen auch zwei Frauen gewesen
sein. Was Raue besonders entsetzt: In den bisher ausgewerteten
Personalakten des Ordens sei es an keiner Stelle um das Seelenleben der
Opfer gegangen.
Im Skandal um sexuellen Missbrauch von Schülern vor allem an katholischen
Jugendeinrichtungen hat die Berliner Rechtsanwältin am Donnerstag einen
ersten Zwischenbericht vorgelegt. Der Anwältin zufolge berichten die Opfer
vor allem von Manipulationen an ihren Genitalien und von zudringlichen
Zärtlichkeiten, weniger von körperlichen Verletzungen. Sie habe jedoch auch
Berichte über Opfer erhalten, die sich das Leben genommen hätten. Manche
Männer offenbarten sich zum ersten Mal und hätten selbst mit ihren
Ehefrauen zuvor nicht über ihr Leid gesprochen. "Viele berichten von einer
Situation, in der Angst und Hilflosigkeit und oft auch Ekel vorherrschten",
so Raue. "Ich habe den Eindruck, dass es noch mehr gibt."
Aufgeflogen sind die Missbrauchsfälle, als Pater Klaus Mertes, der jetzige
Rektor des Jesuiten-Gymnasiums, sich Ende Januar in einem Brief an rund 500
ehemalige Schüler des Canisius-Kollegs gewandt hat. Zuvor hatten sich
sieben Personen gemeldet, die Opfer sexuellen Missbrauchs durch zwei Pater
geworden waren. Nachdem Mertes auch an die Öffentlichkeit gegangen war,
meldeten sich Opfer aus dem gesamten Bundesgebiet. Die meisten Betroffenen
waren zwar Schüler des Berliner Canisius-Kollegs. Betroffene meldeten sich
aber auch vom Kolleg St. Blasien im Schwarzwald, dem St.-Ansgar-Kolleg in
Hamburg und jüngst auch vom Aloisiuskolleg in Bonn. Die bisher bekannt
gewordenen Fälle hatten sich meist in den 70er- und 80er-Jahren zugetragen.
Strafrechtlich seien alle ihr bekannten Fälle verjährt, sagte die Anwältin.
Eine finanzielle Entschädigung von Seiten der Kirche werde weiterhin
erwogen.
Vertreter des Jesuiten-Ordens waren bei der Pressekonferenz nicht anwesend.
Damit solle die Unabhängigkeit der Anwältin unterstrichen werden, hatte ein
Sprecher zuvor erklärt.
19 Feb 2010
## AUTOREN
Felix Lee
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