# taz.de -- Kommentar Hartz IV und Migranten: Die Zeit fürs Vorurteil | |
> Von einer massenhaften Einwanderung in das soziale Netz kann keine Rede | |
> sein. Denn Flüchtlinge bekommen meistens gar kein Hartz IV. Wir brauchen | |
> mehr Niveau in der Debatte. | |
Nachdem FDP-Chef Westerwelle mit seinen Sprüchen gegen Hartz-IV-Empfänger | |
auf heftige Resonanz stößt, kommt eine neue Lieferung zum Thema jetzt von | |
den bürgerlichen Medien selbst. | |
Der Chefredakteur der Zeit verweist auf längst bekannte Zahlen, nach denen | |
Migranten und ihre in Deutschland lebenden Nachkommen überproportional | |
häufig auf Hartz IV angewiesen sind. Es dränge sich der Verdacht auf, dass | |
das hiesige Sozialsystem eine "massenhafte Einwanderung in die sozialen | |
Netze auslöst", heißt es in dem Leitartikel. Die Bild-Zeitung schlagzeilte | |
in Verweis auf den Kommentar der "hoch angesehenen Zeit": "Warum kriegen | |
Migranten häufiger Hartz IV als Deutsche?" Tja, warum? | |
Dazu gibt es Fakten: So finden sich unter den Migranten viele Ältere, die | |
als Hilfsarbeiter hart ackerten, gesundheitlich angeschlagen sind und jetzt | |
keine Beschäftigung mehr finden. Dann haben die Frauen mit | |
Migrationshintergrund oft mehrere Kinder - eigentlich doch ein Wunsch | |
unserer Familienpolitiker -, auch das erschwert eine Berufstätigkeit. Und | |
Hauptschulabsolventen mit einer momentan nicht nachgefragten | |
Zweisprachigkeit tun sich schwer, eine tragfähige Berufsperspektive zu | |
entwickeln. | |
Das alles ist nicht einfach. Es bedarf auch der längeren Aufzählung, dass | |
von einer "Einwanderung" ins soziale Netz keine Rede mehr sein kann, | |
seitdem Asylbewerber kaum noch in Deutschland anlanden können, Flüchtlinge | |
oftmals weder arbeiten dürfen noch Hartz IV bekommen und der Zuzug der | |
Ehegatten durch Sprachtests massiv blockiert wurde. | |
Die größte Gefahr der momentanen Verteilungsdebatte besteht darin, dass sie | |
so kompliziert ist. Selbst für Bildungsbürger. Aber ein bisschen | |
anspruchsvoller sollten wir schon sein. | |
19 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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