# taz.de -- Soldatenrituale: "Unreife Saufspiele" | |
> Die Briefe an den Wehrbeauftragten geben Aufschluss über | |
> Truppentraditionen aller Art: Von obszönen Nackttänzen und Erbrochenem in | |
> Betten bis hin zu Kot auf Stubentischen. | |
Bild: Der Konsum von Haschisch sei stets "sofort bestraft" worden, der Konsum v… | |
BERLIN taz | Die Zuschriften an den Wehrbauftragten des Bundestags Reinhold | |
Robbe (SPD) über die "Ekelrituale" bei der Bundeswehr wirken authentisch, | |
und eines haben sie fast alle gemeinsam: Die Autoren finden es heute | |
merkwürdig, was sie früher als normal empfunden haben. Und: Natürlich | |
hätten die Vorgesetzten davon gewusst, teils auch mitgemacht. | |
Ein ehemaliger Zeitsoldat, der 1998 Obergefreiter in Süddeutschland war, | |
berichtet von einem Spiel namens "Jukebox": Unteroffiziersanwärter wurden | |
in einen Spind gesperrt und durften nicht aufhören zu singen, während der | |
Metallschrank auf den Kopf gestellt wurde. Bei einem anderen Spiel mussten | |
Soldaten ihre "ABC-Montur" mit Poncho und Gasmaske anziehen. In die | |
Flaschen der Gasmasken wurde ein starker Alkoholmix mit Senf und Ähnlichem | |
eingefüllt, die Soldaten mussten trinken. "Hierbei hielt jeweils ein Mann | |
den Kopf des Betreffenden gewaltsam nach hinten, sodass die Flasche | |
senkrecht nach oben stand." | |
Ein heutiger Philosophieprofessor, der 1993/94 seinen Wehrdienst im | |
Hochgebirgszug Berchtesgaden in Bischofswiesen-Strub ableistete, analysiert | |
die Bräuche in den Hochzügen am Alpenrand als eine Mischung aus "unreifen | |
Saufspielen" und "krudem Elitebewusstsein". Hierzu zähle er "nach eigenen | |
Erfahrungen" auch "Formen der inoffiziellen Aufnahme ins | |
Unteroffizierskorps der Bataillone". | |
Ein Mann, der "mittlerweile als Manager bei der Pharmaindustrie" arbeitet, | |
berichtet von obszönen Nackttänzen, Erbrochenem in Betten und Kot auf | |
Stubentischen während seiner Grundausbildung 1987 in Gießen. Er merkt an: | |
"Interessanterweise" sei der Konsum von Haschisch stets "sofort bestraft" | |
worden, der Konsum von Alkohol dagegen "in der Regel von allen Diensträngen | |
unterstützt". | |
"Auf parodierende Art und Weise wurde im Endeffekt das reale | |
Bundeswehrgeschehen wiedergegeben, das Brüllen, Befehlegeben und | |
Strammstehen wurde verulkt und um alkoholische Elemente erweitert", | |
erläutert ein Mann, der 2003/04 seinen Grundwehrdienst bei den | |
Gebirgsjägern in Bischofswiesen-Strub leistete. Alkoholisierte Rituale | |
inklusive einer zu trinkenden "ekligen Suppe (Stichwort: Rohe Leber)" seien | |
eine Art "Fasching" gewesen. | |
23 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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