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# taz.de -- Aufnahme-Rituale bei Bundeswehr: Jukebox und Rotarsch
> Die Rituale bei den Gebirgsjägern sind kein Einzelfall, belegen 23
> Zuschriften von Exrekruten an den Bundeswehrbeauftragten Robbe. Diese
> nehmen an, dass die Vorgesetzten von den Exzessen wussten.
Bild: Grosser Zapfenstreich zum 50. Jubiläum der Gebirgsjäger im Skistadion v…
BERLIN dpa | Die Affäre um ekelerregende Aufnahme-Rituale bei der
Bundeswehr weitet sich aus. Der Bundestags-Wehrbeauftragte Reinhold Robbe
legte den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses am Montag eine Sammlung
von 23 Zuschriften vor, in denen Reservisten über Exzesse bei der
Bundeswehr in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten berichten. Die
Schreiben deuten darauf hin, dass die Rituale der Gebirgsjäger im
bayerischen Mittenwald kein Einzelfall waren. In zwei E-Mails wird über
ähnliche Vorgänge im Gebirgsjägerbataillon in Bischofswiesen-Strub
berichtet. Zudem enthält die Sammlung Schilderungen über Rituale und
Exzesse in anderen Teilen der Bundeswehr, beispielsweise bei der Marine.
Robbe wird voraussichtlich an diesem Mittwoch vor dem
Verteidigungsausschuss zu den neuen Erkenntnissen Stellung nehmen. Zuvor
wolle er in der Öffentlichkeit keinen Kommentar dazu abgeben, sagte er.
"Selbstverständlich müssen alle zusätzlich eingegangenen Hinweise überprüft
werden." Erst dann könne eine Bewertung vorgenommen werden.
Der Wehrbeauftragte hatte den Verteidigungsausschuss Mitte Februar über die
Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern in Mittenwald informiert. Dort
mussten Neulinge den "Fuxtest" über sich ergehen lassen, zu dem das Essen
roher Schweineleber und Alkoholkonsum bis zum Erbrechen gehört. Die
Enthüllung hatte für großes Aufsehen gesorgt und zu staatsanwaltlichen
Ermittlungen geführt.
Zwei E-Mails, die Robbe jetzt an die Abgeordneten übermittelte, handeln von
ähnlichen Ritualen in Bischofswiesen-Strub, nur wenige Kilometer von
Mittenwald entfernt. Die Absender geben an, 1993/94 und 2003/2004 ihren
Wehrdienst bei den dortigen Gebirgsjägern geleistet zu haben. "Es werden
ein paar Bier um die Wette getrunken, man muss um die Wette unter Stühlen
durchrobben, zwischendurch erneut ein paar Bier trinken. Und muss aus einer
ekligen Suppe (Stichwort: Rohe Leber) was trinken", heißt es in einer Mail.
In der anderen wird erwähnt, dass es die Rituale "bis vor einiger Zeit"
auch in Reichenhall gegeben habe.
In beiden Schreiben ist die Rede davon, dass die Vorgesetzten von den
Ritualen wussten: "Bezogen auf die Dienstgrade muss ich sagen, dass ich
davon ausgehe, dass so gut wie jeder Unteroffizier und Feldwebel, der eine
Weile dabei ist, weiß was passiert und auch in welchem Umfang", schreibt
einer. In dem anderen Schreiben heißt es: "Zu meiner Zeit hatte nahezu
jeder Soldat, der in einem der Gebirgsjägerbataillone Dienst tat, zumindest
andeutungsweise von den Dingen gehört, nicht nur die Hochzügler."
Mehrere weitere Schreiben befassen sich mit Alkoholexzessen und Ritualen in
anderen Einheiten. "In meinen Dienstjahren war ich in 3 Einheiten und
musste feststellen, dass man als Antialkoholiker in der Truppe einen
schweren Stand hat", heißt es in einem Schreiben unter der Überschrift
"Mittenwald ist nur die Spitze des Eisbergs". "Bei sogenannten
Veranstaltungen geselliger Art ist das Trinken von Alkohol praktisch
befohlen, ohne dass dies jemand ausspricht."
Ein ehemaliger Obergefreiter, der zwischen 1996 und 1998 als Zeitsoldat an
verschiedenen Standorten im Süden Deutschlands eingesetzt war, berichtet
aus seiner Zeit im baden-württembergischen Ellwangen (Jagst) über
verschiedene "Spiele". Beim Spiel "Jukebox" werde ein Soldat in seinen
Spind eingeschlossen und darin dann umgestoßen, während er bestimmte Lieder
singen müsse.
Ein anderer Soldat, der vor 20 Jahren auf einem Marine-Zerstörer eingesetzt
war, berichtet vom sogenannten "Rotarsch-Ritual": "Eine Bohnermaschine
(eine mobile Maschine mit einer großen elektrisch betriebenen
Borstenscheibe) wurde in Betrieb gesetzt und dem Rekruten an den nackten
Hintern gehalten, bis dass dieser rot war."
Robbe teilte den Abgeordneten mit, dass er insgesamt 54 Zuschriften zu dem
Fall Mittenwald erhalten habe. Drei Einsender habe er um Konkretisierungen
gebeten. Dabei handelt es sich nach Angaben des Wehrbeauftragten um die
Schreiben, die sich mit den Vorgängen bei den Gebirgsjägern befassen. Die
Textsammlung ließ Robbe auch dem Heeresführungskommando und dem
Verteidigungsministerium zukommen.
23 Feb 2010
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